Sonneberg in Berlin Peggys Gesundheit ist jetzt Sache der Bundespolitik

Madlen Pfeifer
Das einzige Mittel, das Peggy Linderung verschafft, halten sie und ihr Lebensgefährte Martin in die Kamera. 1000 Euro kostet eine Packung in Deutschland. Foto: Carl-Heinz Zitzmann

Der Rechtsstreit zwischen Peggy Bauer aus Sonneberg und ihrer Krankenkasse ist beendet. Das Urteil ist gefallen. Darüber, wer die Kosten für das teure Medikament zur Behandlung ihrer seltenen Krankheit übernehmen muss.Indes beschäftigt sich die Politik mit Peggys Fall.

 
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„Leider hat das Bundessozialgericht die Nichtzulassungsbeschwerde abgewiesen.“ Peggy Bauer hätte sich eine andere als diese Entscheidung erhofft. Eine, die zu ihren und nicht zugunsten der Krankenkasse ausgefallen wäre. Doch das Urteil ist nun – zumindest mit Blick auf die aktuelle Rechtslage – vorerst endgültig und bedeutet für die Sonnebergerin: Wenn sie ein schmerzfreies Leben führen möchte, dann muss sie die finanzielle Hürde selbst, ohne Unterstützung der Krankenkasse meistern.

Zur Erinnerung: Peggy Bauer leidet seit ungefähr 15 Jahren an und unter Necrobiosis lipoidica. Die seltene Hautkrankheit, die insbesondere, aber bei weniger als einem Prozent bei Diabetes-Betroffenen – zu denen auch die Sonnebergerin zählt – vorkommt, wird zu einem Zeitpunkt bei ihr diagnostiziert, als sie sich in Form eines faustgroßen Flecks am Schienbein abzeichnete. Einer, der sich gut fünf Jahre später zu flächendeckenden, offenen, nässenden, tiefen und vor allem schmerzhaften Wunden an beiden Schienbeinen entwickelt hatte. An ein normales Leben ist nicht mehr zu denken. Nur mit der Einnahme starker Schmerzmittel bewältigt die heute 34-Jährige den Alltag.

Nicht immer sind aller guten Dinge drei

Im Jahr 2014 werden Peggy und ihr Lebensgefährte Martin Lenker auf das Universitätsklinikum Erlangen aufmerksam. Dort versuchen die Ärzte der Patientin auf unterschiedliche Wege Linderung zu verschaffen. Verschiedene Medikamente werden ausprobiert. Ohne Erfolg. Im April 2019 tut sich ein Lichtblick auf: Das über Musterpackungen verfügbare Medikament Xeljanz mit dem Wirkstoff Tofacitinib kommt zum Einsatz und schlägt an. Allerdings lehnt die AOK Plus, Peggys Kasse, die von den Ärzten beantragte Kostenübernahme ab. Eine Packung des Medikaments mit 56 Tabletten, die Peggy für knapp einen Monat reichen würde, kostet in Deutschland um die 1000 Euro, weil es für die Verabreichung bei Necrobiosis lipoidica nicht zugelassen ist. Und genau damit begründet die Kasse ihr Nein unter anderem: Die Voraussetzungen für einen sogenannten Off-Label-Use, also eine andere als die zugelassene Verwendung, seien nicht erfüllt.

Aus dem bis dato medizinischen wurde ein juristisches Problem, wie es Peggys Partner Martin auf den Punkt brachte. Die beiden nahmen sich einen Anwalt und klagten gegen die Ablehnung der Krankenkasse. In erster Instanz erhielt Peggy Recht, in zweiter Instanz – die Kasse hatte Berufung gegen das erste Urteil eingelegt – dann eben diese. Einen erneuten Versuch in dritter Instanz auf Bundesebene zu starten, hatte das Landessozialgericht untersagt. Einziger Hoffnungsschimmer für die Sonnebergerin, dass sie doch noch in dritter Instanz weiterkämpfen kann: Eine von ihrem Anwalt veranlasste sogenannte Nichtzulassungsbeschwerde. Jene, die das Bundessozialgericht nun jedoch abgewiesen hat. Heißt: Die Krankenkasse hat Recht erhalten und muss nicht für die Kosten des Medikamentes aufkommen. Obendrein bleibt die Sonneberger Familie auf bereits entstandenen Kosten von knapp 1300 Euro sitzen.

Das Spendenkonto von „ Freies Wort hilft“. Foto: Freies Wort

Der Verein „Freies Wort hilft“, das Hilfswerk dieser Zeitung, hatte sich dem Schicksal von Peggy angenommen und zu Spenden aufgerufen. 2000 Euro konnten entgegengenommen und weitergereicht werden. Peggy und ihr Partner Martin sind dankbar für die finanzielle Unterstützung, die ihnen zumindest für den Moment ein Stück weit den Druck nimmt. Doch wird es auf lange Sicht schwer bleiben, das Geld für das Arzneimittel aufzubringen. Schließlich kann die 34-Jährige im Zuge der Schwere ihrer Erkrankung nicht mehr als Fachkraft im Gastgewerbe arbeiten. Sie bekommt zu einhundert Prozent Erwerbsminderungsrente, die beinahe in Gänze allein für das Medikament draufgeht. Partner Martin bemüht sich, die Tabletten im Ausland zu bekommen, wo die doch deutlich billiger seien. Und Peggy hat die Einnahme von zweien auf eine halbe täglich reduziert, um sie sich leisten zu können.

Das Paar kämpft an anderer Front weiter

Dem Paar bleibt nichts anderes übrig, als sich mit der Entscheidung des Bundessozialgerichtes abzufinden. Das aber veranlasst Martin noch lange nicht dazu, nun die Füße in der Sache stillzuhalten. „Wir haben ja nichts zu verlieren“, sagt er und erzählt, dass er sich in den Monaten nach Bekanntwerden des Urteils hingesetzt, informiert und an die verschiedensten Stellen und Ansprechpartner gewandt habe, von denen er sich in irgendeiner Art und Weise doch noch Hilfe oder Hoffnung auf Veränderung versprochen hat – ob Landesärztekammer Thüringen, Freistaat Thüringen, ob der Bundestagsabgeordnete Frank Ullrich oder der Beauftragte der Bundesregierung für die Belange der Patientinnen und Patienten. Mit ersten Erfolgen. Denn, so Martin: „Mittlerweile ist ein Bundesausschuss in die Sache involviert.“

Irgendwann, so blickt der 44-Jährige zurück, habe sich auf sein Schreiben hin jemand vom Thüringer Landtag telefonisch bei ihm gemeldet. Das Ergebnis des Gesprächs? Der Vorschlag, Martin und Peggy könnten eine Petition einreichen. Gesagt, getan. Der Petitionsausschuss des Landtags beschäftigte sich daraufhin damit und fasste den Beschluss, das Bittgesuch aus Sonneberg an den Petitionsausschuss des Deutschen Bundestages weiterzuleiten. Der Gedanke dahinter: Wie es in dem Brief vom Landtag an Peggys Lebensgefährten heißt, gebe es vom Bundesministerium für Gesundheit beauftragte Expertengruppen, die Empfehlungen zum Stand wissenschaftlicher Erkenntnisse über den Off-Label-Use von Arzneimitteln als Leistung der gesetzlichen Krankenversicherung erarbeiten – dahingehend, ob ein Wirkstoff als verordnungsfähig oder nicht verordnungsfähig eingestuft werden kann. Im Fall von Peggy also, ob Tofacitinib – eigentlich zur Behandlung von unter anderem mittelschwerer bis schwerer aktiver rheumatoider Arthritis zugelassen – auch zur Behandlung der Hautkrankheit Necrobiosis lipoidica auf Kosten der Kassen verordnet werden darf.

Eine Benefizaktion für Peggy

Das bis dato letzte Schreiben, das Peggy und Martin vom Petitionsausschuss in Berlin vorliegt, ist datiert vom 14. Dezember 2023. Darin heißt es, dass eine Prüfung eingeleitet wurde. Zudem wird um Verständnis gebeten, dass das Verfahren längere Zeit in Anspruch nehmen kann aufgrund des zu prüfenden Umfangs. Aus dem einst medizinischen und dann juristischen Problem ist nun ein politisches geworden. „Es bleibt also spannend“, so Martin. Und nicht nur das.

Neben dem für die Sonneberger unschönen Urteil des Bundessozialgerichtes haben sie indes auch „viele positive Erfahrungen“ in den vergangenen Monaten machen dürfen. So hat sich etwa der Thüringer Landtag den offenen Kosten des Paares in Höhe von knapp 1300 Euro angenommen und diese über einen Hilfsfonds des Freistaats beglichen. Auch aus dem Sonneberger Rathaus gab es unter anderem eine finanzielle Zuwendung. Selbst Mitarbeiterinnen der AOK aus dem Bundesgebiet haben sich nach Veröffentlichung von Peggys Geschichte bei ihr gemeldet und ihr aus privater Tasche Geld zukommen lassen. Und nun hat sich mit Harald Saul auch ein Sonneberger für das Paar ins Zeug gelegt, Unterstützer und Mitwirkende zusammengetrommelt und für 7. April eine Benefizveranstaltung für Peggy auf die Beine gestellt. Diese findet ab 15 Uhr in Sonnebergs Stadtteilzentrum „Wolke 14“ statt. Auf dem Programm stehen Unterhaltung in Form verschiedener kultureller Beiträge und ein Buchverkauf, dessen Erlös aufs Spendenkonto von „Freies Wort hilft“ geht und letztlich Peggy zugutekommt.

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