In Mittelmeerländern wie Griechenland und Spanien gibt es extreme Niederschläge. Mancherorts regnet es in wenigen Tagen so viel wie in Teilen Deutschlands im ganzen Jahr, sagt ein Meteorologe. Die Situation hat viele Gründe, die vor allem mit den globalen Klimaveränderungen zusammenhängen.
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In Mittelmeerländern wie Griechenland und Spanien machen extremer Stark- und Dauerregen sowie Unwetter den Menschen zu schaffen. „Innerhalb von zwei bis drei Tagen kommt es punktuell zu so viel Niederschlag wie in manchen Regionen Deutschlands im ganzen Jahr“, erklärt Meteorologe Felix Dietzsch vom Deutschen Wetterdienst (DWD) in Offenbach. „Die Situation ähnelt der im Ahrtal 2021, nur mit einem Vielfachen der Regenmenge.“
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Was ist der Grund für die extremen Niederschläge?
„Es ist ein zufälliges Zusammenspiel mehrerer Faktoren“, erläutert Dietzsch. Aktuell gebe es eine angespannte Großwetterlage in Europa, eine sogenannte Omega-Wetterlage. Über Deutschland gibt es demnach ein ausgeprägtes Hochdruckgebiet, um das die Luft sozusagen herum fließt. „An der südwestlichen und südöstlichen Flanke dieses Hochdruckgebiets bilden sich Tiefdruckgebiete aus. Diese treffen derzeit auf Spanien und Griechenland und sind dort sehr ortsfest.“ Sie bleiben also lange.
In Kombination mit einer sehr feuchten, warmen und instabilen Luftmasse führe das zu lang anhaltendem Starkregen in Verbindung mit Gewittern. Zudem stoße diese Verbindung auf Gebirge, die zum Abregnen zwingen. „Die Regenmengen haben auch in unseren bekannten Statistiken außerordentlichen Seltenheitswert. Das ist wirklich extrem.“
Für ein Einzelereignis lässt sich ein Zusammenhang zum Klimawandel kaum benennen. Klar ist aber, dass aufgeheizte Luft und die hohen Wassertemperaturen im Mittelmeer zu mehr Wasserverdampfung führen. An anderer Stelle regnet dieses Wasser wieder ab. Generell führt der menschengemachte Klimawandel zu häufiger auftretenden Extremwetterphänomenen.
„Vor zunehmender Hitze, Dürre und dadurch Bränden sowie Starkregen und dadurch Überschwemmungen infolge der Erderwärmung durch den Treibhausgasausstoß warnen die Klimaforscher seit Jahrzehnten“, sagt der Klimaforscher Stefan Rahmstorf vom Potsdam-Institut für Klimafolgenforschung (PIK). „Die Vorhersagen treffen ja auch schon seit vielen Jahren ein, wie die Messdaten belegen.“
Die Wetterextreme nähmen seit Jahrzehnten kontinuierlich zu, erläutert Rahmstorf. Dieser Trend könne sich fortsetzen. „Dieselben Extreme, die seit Jahrzehnten zunehmen, werden auch weiter zunehmen, solange die Welt nicht die Klimaneutralität erreicht hat.“ Dabei könnte es künftig sogar zu Ereignissen kommen, die es so in der jüngeren Vergangenheit noch gar nicht gegeben habe.
Höhere Temperaturen führen zu Dürren und Starkregen
Schon jetzt seien viele Phänomene leicht erklärbar. „Höhere Temperaturen führen zu verstärkter Dürre, weil aufgrund der stärkeren Verdunstung die Böden und Vegetation schneller austrocknen, wenn es nicht viel regnet“, erklärt Rahmstorf. Doch nicht nur Dürre ist eine Folge der Hitze. „Höhere Temperaturen führen auch zu mehr Extremniederschlägen, weil warme Luft mehr Wasserdampf aufnehmen und dann abregnen kann.“
Laut einer Studie im Fachjournal „Climate and Atmospheric Science“ ist die Zahl der Niederschlagsrekorde stark gestiegen. Im Durchschnitt könne einer von vier rekordhohen Tagesniederschlägen auf den Klimawandel zurückgeführt werden.
Der meteorologische Sommer zeigte in diesem Jahr schon viele Rekorde: So war der Juni laut EU-Klimawandeldienst Copernicus seit Beginn der Aufzeichnungen noch nie so warm wie in diesem Jahr. Kanada leidet nach Angaben der dortigen Behörden unter der schlimmsten Waldbrand-Saison seiner Geschichte.
Und die durchschnittliche globale Temperatur lag im Juli an mehreren Tagen über dem bisherigen Rekordwert aus dem Jahr 2016, wie aus „Climate Reanalyzer“-Daten der amerikanischen Universität von Maine hervorgeht.
Lässt sich das Unbeherrschbare noch vermeiden?
Aus Sicht von Rahmstorf gilt es zu handeln – und zwar schnell. Es sei wichtig, durch raschen Klimaschutz das Unbeherrschbare zu vermeiden und sich gleichzeitig an den unvermeidlichen Teil des Klimawandels so gut wie möglich anzupassen, erklärt er.
Im Pariser Abkommen hatten die Staaten vereinbart, die Erderwärmung möglichst auf 1,5 Grad zu begrenzen. Doch Rahmstorf befürchtet, dass dieses Ziel verfehlt wird. „Solange fossile Energienutzung noch subventioniert wird, selbst gesetzte Klimaziele zum Beispiel im Verkehrssektor ignoriert werden und auch sofort wirksame Gratismaßnahmen wie ein allgemeines Tempolimit nicht genutzt werden, kann von ernsthaften Anstrengungen in Richtung 1,5 Grad nicht die Rede sein.“
Zunehmende Hitze auch in Europa
Europa sei mehr als andere Erdregionen der mittleren Breiten von zunehmender Hitze betroffen. „Dies wird auf häufigeres und anhaltenderes Auftreten einer Wetterlage mit doppeltem Jetstream zurückgeführt, wie sie aktuell wieder herrscht“, erläutert Rahmstorf.
Der Jetstream ist ein bandartiges Starkwindfeld in etwa zehn Kilometern Höhe, das sich über den nördlichen Breiten um die Erde windet. Bei einem doppelten Jetstream spaltet sich dieser in zwei Äste auf. Die Jetstream-Lagen halten dadurch länger an und sorgen laut einer Studie des PIK für häufigere Hitzewellen in Westeuropa.
Bleiben diese über einer Region stehen und ziehen nicht weiter um die Erde herum, dann können sich auch ungünstige Wetterlagen dort über lange Zeit festsetzen. Es werde gerade diskutiert, inwiefern der Klimawandel zur Verstärkung dieses Phänomens beitrage, sagte der Klimaforscher Kai Kornhuber vom Thinktank „Climate Analytics“ und der Deutschen Gesellschaft für Auswärtige Politik.
Gesichert ist, dass sich die Arktis derzeit schneller erwärmt als die Regionen am Äquator, folglich wird der Temperaturunterschied geringer. Dieser Unterschied sei aber ein Haupttreiber von großskaligen Winden, erklärt Kornhuber. Daher könne seine Verringerung ein zusätzlicher Grund dafür sein, dass sich die atmosphärische Zirkulation in den mittleren Breiten verlangsamt und Extremwetter länger in einer Region vorherrschen.
Insgesamt sehe es jedenfalls so aus, als ob die Wettermuster auch regional persistenter werde – also etwa eine Hitzewelle länger anhalte, so Kornhuber weiter. Insbesondere in Regionen großer Trockenheit könnten sich durch Wechselwirkungen Hitze und Trockenheit weiter verstärken.
Abgase kommen aus den Auspuffen von Autos in Stuttgart. Foto: M/arijan Murat/dpa
„Unbestrittene Hauptursache des verstärkten Auftretens von Hitzewellen ist allerdings die Erwärmung der Atmosphäre durch die erhöhte Konzentration von Treibhausgasen“, betonte auch Kornhuber.
Nach jüngsten Daten der Weltwetterorganisation WMO erreichten die Konzentrationen der Treibhausgase Kohlendioxid, Methan und Lachgas in der Atmosphäre 2021 jeweils neue Höchstwerte. Es besteht die Sorge, dass Ökosysteme an Land und die Ozeane immer weniger CO2 aufnehmen können. Bislang puffern sie einiges CO2 ab. In einigen Landregionen der Welt sei der Übergang von der CO2-Senke zur -Quelle bereits im Gange, etwa in Teilen des Amazonasregenwalds.
Auch in den Meeren zeigen die Temperaturen diesen Sommer Extremwerte. Generell liege das auch am „Anstieg der Treibhausgase in unserer Lufthülle“, stellt Rahmstorf fest. Von der dadurch zusätzlich eingefangenen Energie gingen wegen der Wärmespeicherfähigkeit des Wassers etwas mehr als 90 Prozent in den Ozean. „Daher gibt es dort seit Jahrzehnten regelmäßig neue Wärmerekorde.“
Nach den „Climate Reanalyzer“-Daten liegt die durchschnittliche Oberflächentemperatur der Meere seit März auf Rekordhöhe: Jeder einzelne Tag ist der wärmste für sein jeweiliges Datum. Messbeginn war vor 40 Jahren. In den vergangenen Tagen lag die Temperatur jeweils circa 0,8 Grad höher als im Schnitt zum selben Zeitraum der Jahre 1982 bis 2011.
Die Rolle von El-Niño
Stefan Rahmstorf geht davon aus, dass neben der Erderwärmung mehrere weitere Faktoren zu dem Anstieg beitragen. Dazu gehöre auch das El-Niño-Ereignis, das im tropischen Pazifik die Oberflächentemperaturen steigen lasse.
El Niño ist ein natürliches Phänomen, das alle paar Jahre auftritt. Es kann die Folgen des Klimawandels verschärfen, weil es einen zusätzlich wärmenden Effekt hat. Je nach Weltregion gibt es durch El-Niño mehr Hitze und Dürren oder mehr Überschwemmungen.
Trotz erschreckender Nachrichten über immer häufigere Hitzewellen, Waldbrände und Unwetter hält der Klimaforscher Mojib Latif den Kampf gegen die Erderwärmung nicht für aussichtslos. „In der Wissenschaft geht man davon aus, dass der ‚Point of no return‘ noch nicht erreicht ist.“
Zur Info: Vom „Point of no return“ spricht man in der Klimaforschung, wenn sich der Verlauf und das Fortschreiten des Klimawandels nicht mehr aufhalten lässt – selbst dann nicht, wenn wenn der Ausstoß von Treibhausgasen massiv gesenkt wird.
Noch wäre es möglich, die globale Erwärmung auf das im Pariser Klimaabkommen festgelegte Maß zu begrenzen. „Das heißt, auf deutlich unter 2 Grad gegenüber der vorindustriellen Zeit, vorzugsweise auf 1,5 Grad“, sagt der Professor am Helmholtz-Zentrum für Ozeanforschung in Kiel.
Der Weltklimarat IPCC hat vorgerechnet, dass zur Erreichung des 1,5-Grad-Ziels die globalen Emissionen klimaschädlicher Treibhausgase gegenüber 2019 um 48 Prozent bis 2030 und um 80 Prozent bis 2040 sinken müssen.
Derzeit beträgt die Erwärmung des Planeten schon etwa 1,1 Grad, in Deutschland schon 1,6 Grad. Dazu bemerkt Latif: „Die Auswirkungen wie Hitze, Dürre und Starkregen sind bereits in vielen Regionen der Erde katastrophal.“