Auch Claudia Schmeißer ist sicher, dass der Einkauf in Unverpackt-Läden keineswegs umständlicher ist als im Supermarkt. Im Gegenteil, der Kunde spare sogar Zeit: "Man braucht zum Beispiel keinen Einkaufszettel, sondern nimmt einfach den leeren Behälter mit und stellt ihn dann zu Hause wieder ins Regal." Und wer öfters komme, habe rasch Routine und kaufe hier genauso schematisch ein wie im Discounter.
Das Prozedere des Einkaufs mag sich von dem in herkömmlichen Supermärkten zwar deutlich unterscheiden, beim Stichwort Hygiene gibt es für Unverpackt-Läden allerdings keine Sonderregeln. Hier gelten dieselben Standards wie in anderen Läden. Von Anfang an hat Claudia Schmeißer daher eng mit dem Veterinäramt von Erfurt zusammengearbeitet. Das ist zuständig dafür, die Hygiene im Umgang mit Lebensmitteln zu überprüfen.
Für lose verkaufte Produkte gibt es dabei einige Besonderheiten zu beachten. So dürfen Lieferungen nicht gemischt werden, außerdem muss die Inhaberin genau Buch darüber führen, welche Lieferung sich gerade in den Verkaufsbehältern befindet. "Wenn doch mal etwas sein sollte, ein Händler Waren zurück ruft, dann muss ich mit Sicherheit wissen, ob ich sie noch im Laden habe", erklärt die Unternehmerin.
Immer wenn ein Behälter in ihren Regalen leer ist, wird er gründlich gereinigt. Und ihre Kunden achten in aller Regel selbst darauf, korrekt mit den Lebensmitteln umzugehen und nicht etwa mit der Hand in ein Glas hinein zu fassen. "Für Kinder ist das natürlich verlockend, aber die lenken wird dann mit ein paar Gummibärchen oder einem Kakao ab", erzählt Claudia Schmeißer lachend. Sie hat im Laden zwei Tische und Stühle aufgestellt, an denen sich Besucher einen Tee, Kaffee oder
Kakao schmecken lassen können.
Die Eröffnung ihres Ladens hat die 41-Jährige über Cowdfunding finanziert. Im Dezember 2015 legte sie los und fand in kurzer Zeit genügend Menschen, die ihr Konzept auch finanziell unterstützten. "Die Leute standen hinter der Sache, so wurde die Idee bekannt und das Projekt kam ins Laufen", erinnert sie sich. Eigentlich ist Claudia Schmeißer gelernte Bürokauffrau und Diätassistentin, doch in ihrem alten Beruf war sie unzufrieden. Sie suchte nach einer neuen Aufgabe, eine, die sie auch persönlich erfüllte.
In Dresden entdeckte sie einen Unverpackt-Laden und war von diesem Konzept gleich begeistert. "Mich hat der Wocheneinkauf immer genervt, der Stress in vollen Kaufhallen und dann noch zu Hause eine Stunde, um alles wegzuräumen." Heute setzt sie auf Entschleunigung und verbraucht oft das, was Kunden zu viel abgefüllt haben. Denn wer beim Wiegen an der Kasse merkt, dass er mehr im Glas hat, als er wollte, darf auch wieder etwas herausschütten. Allerdings in einen extra Behälter, den Claudia Schmeißer
abends mit nach Hause nimmt.
"Heute bestimmen meine Kunden unseren Speiseplan", sagt sie. Ihren Entschluss, sich mit dem Verkauf loser Lebensmittel selbstständig zu machen, hat sie bislang nicht bereut. "So schwer und anstrengend es manchmal ist, ich habe meinen Traumjob gefunden, ohne Einschränkung!"
Nach dem Wocheneinkauf im Supermarkt ist daheim der Gelbe Sack für den Verpackungsmüll oft ganz schnell voll. Da macht es auch keinen Unterschied, dass Bioprodukte gekauft wurden. Diese sind in konventionellen Lebensmittel-Geschäften meist nur in Plastik eingeschweißt zu haben – schon allein um Verwechslungen mit anderen Produkten aus dem Sortiment zu vermeiden. Die ebenfalls gut verpackt sind.
Kein Wunder, dass sich so in den letzten beiden Jahrzehnten der Verpackungsmüll in Deutschland nahezu verdoppelt hat: Von rund eineinhalb Millionen Tonnen oder 19 Kilo pro Kopf im Jahr 1995 auf über drei Millionen Tonnen oder 37 Kilo pro Person 2015. Das geht aus Erhebungen hervor, die der Naturschutzbund Deutschland (NABU) nennt. Katharina Istel ist Referentin für nachhaltigen Konsum beim NABU. Sie spricht von einem gigantischen Müllberg, der sich aus deutschen Haushalten auftürme.
Dabei hätten Umfragen gezeigt, dass die Bereitschaft, gerade Obst und Gemüse lose zu kaufen, sehr hoch sei. Doch die Verpackung erleichtert dem Handel den Umgang mit den Produkten, oft erhöhten sie auch die Haltbarkeitsdauer. "Man kann Unverpackt-Läden als Nische belächeln, doch Nischen haben oft Impulse für den Massenmarkt gesetzt, etwa bei Bio oder Regional", sagt Katharina Istel. Sie hoffe, dass mehr und mehr auch im konventionellen Handel auf Verpackungen verzichtet wird.
Für den NABU führt sie eine Liste mit Unverpackt-Läden. Fortwährend würden sich neue Unternehmen für einen Eintrag bei ihr melden. "Es besteht sehr viel Interesse, da ist eine Dynamik drin", freut sie sich. Teilweise werden Unverpackt-Theken in andere Supermärkte integriert, teils sind es Neugründungen wie in Erfurt. Noch ist es ihrer Einschätzung nach ein Randbereich, der nur eine begrenzte Zahl Menschen erreicht. Doch das Thema sorge für Aufmerksamkeit. "Ich hoffe, dass Impulse gesetzt werden für andere Märkte und Verbraucher."
Derzeit sei es für viele Eigentümer von Unverpackt-Läden noch schwer, die richtige Gebindegröße zu finden und Lieferanten, die aus der Region und in Bioqualität Waren anbieten. "Der Trend im Handel geht derzeit zu immer kleineren Verpackungseinheiten, bis dahin, einzelne Portionen abzupacken", bedauert sie. War es lange üblich, zum Beispiel Äpfel nur lose zu verkaufen, sind sie nun häufig im Vierer- oder Sechserpack eingeschweißt. Umweltschützern schmeckt das gar nicht.
? In Jena eröffnet in diesem Frühjahr der erste Unverpackt-Laden, in Würzburg und Leipzig können Kunden auch schon "lose" einkaufen.