Thüringen "Das kann eine sehr tödliche Kombination sein"

Interview: Raimondo Laubinger, Chefarzt Anästhesie und Intensivmedizin am SRH Zentralklinikum Suhl Quelle: Unbekannt

Sterben Covid-19-Patienten wirklich am Coronavirus? Warum sind es vor allem Ältere? Der Chef-Intensivmediziner des Suhler Klinikums gibt Antwort.

 
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Herr Doktor Laubinger, alle bisher in Thüringen an Covid-19 Gestorbenen hatten schwere Vorerkrankungen oder waren sehr alt. Manche medizinische Laien bezweifeln deshalb, dass das Coronavirus da immer die Todesursache ist. Haben diese Zweifler nicht auch ein bisschen Recht?

Maximal 205 Betten

Zahl der Intensivbetten mit Beatmungsgerät an den Klinikstandorten in Südthüringen:

Aktuell Maximal*

Eisenach 18 29

Bad Salzungen 6 10

Schmalkalden 6 12

Meiningen 22 44

Suhl 22 44

Hildburghausen 6 13

Sonneberg 8 21

Neuhaus am Rennweg 0 6

Ilmenau /Arnstadt 16 16

GESAMT 104 205

*) kurzfristige Ausbaumöglichkeit

Aus Laiensicht haben sie ein bisschen Recht. Aus Expertensicht aber nicht. Die Kombination aus schweren Vorerkrankungen und einer erheblichen Lungenfunktionsstörung, die etwa durch das neue Coronavirus ausgelöst wird, kann eine sehr tödliche Kombination sein.

Der Körper eines Vorerkrankten ist oft gerade so imstande, mit ärztlich angeordneter Therapie die Vorerkrankung in Schach zu halten. Kommt plötzlich das Coronavirus hinzu, kann der Körper mit der Vielzahl der kräftezehrenden Baustellen nicht mehr umgehen. Einfallstore für Viren öffnen sich, und die Begleiterkrankungen kommen zutage. Es kommt zur Pneumonie, also einer Lungenentzündung, die zu Sauerstoffmangel führt und zusammen mit den Vorerkrankungen ein komplettes Versagen der Organe auslösen kann. Das Coronavirus ist also nicht immer die einzige Ursache. Aber ohne das Virus würde es unter Umständen nicht zum Tod kommen.

Wie wird denn die Todesursache "Covid-19" festgestellt?

Wenn ein Patient positiv auf das neue Coronavirus getestet wurde und der Grund für sein Versterben damit in Zusammenhang steht, ist die Todesursache immer auch Covid-19. Das gilt etwa für gerade geschilderten Fall.

Warum verläuft die Krankheit vor allem bei den bekannten Risikogruppen oft so schwer?

Hier kommt die Kombination von schweren Vorerkrankungen und der Überforderung des Immunsystems mit dem neuen, schweren Angriff durch die Coronaviren zum Tragen. War das fragile System bisher gut eingestellt, bringt das Virus es jetzt zum Wanken. Gerade bei Älteren Menschen liegen oft Erkrankungen vor, die einen schweren Verlauf bei einer Infektion mit dem neuen Coronavirus begünstigen. Leider gilt das auch für junge Menschen, die immunsupprimiert sind - deren Immunsystem als Folge einer Erkrankung oder Therapie also gezielt geschwächt wurde.

Auch an der saisonalen Grippe sterben vor allem anderweitig geschwächte oder sehr alte Patienten. Wo liegt da überhaupt der Unterschied zu Covid-19?

Die Sterblichkeitsrate bei der saisonalen Influenza ist weitaus geringer. Die Grippe ist uns seit Jahren gut bekannt, wir sind an ihr Vorkommen und ihre Behandlung gewöhnt. Gegen sie gibt es einen Impfstoff. Das sorgt dafür, dass nicht so viele Menschen auf einmal so schwer betroffen sind, wie wir es gerade erleben. Die Erkrankungswelle verläuft also flacher und weniger tödlich als bei dem neuen Coronavirus.

Nicht selten werden aber ältere Patienten oder Patienten mit Vorerkrankungen im Rahmen ihrer Influenza-Infektion beatmungspflichtig und müssen auf der Intensivstation versorgt werden. Das Thema ist aber tatsächlich weniger medial präsent.

Umgekehrt schließen viele aus der Gestorbenen-Statistik: Ich bin jung und gesund, also habe ich bei einer Ansteckung nichts zu befürchten und muss auch nicht groß Distanz halten zu anderen. Stimmt das?

Das ist persönlich und gesellschaftlich betrachtet viel zu kurz gesprungen. Erstens werden auch bei jungen Menschen schwere Verläufe einer Coronavirus-Infektion beobachtet. Auch junge Patienten können daran sterben. Richtig ist, dass es im Vergleich nicht so viele junge Menschen trifft, wie ältere. Und da liegt das gesellschaftliche Problem, weshalb alle im Moment Distanz halten sollten. Auch junge Menschen haben eine Verantwortung. Für ihre Eltern, ihre Großeltern und Nachbarn. Die Corona-Infektionswelle ist ein Problem, das uns alle angeht.

Es heißt, es gebe noch keine Therapie gegen Covid-19. Aber es gibt Patienten, die mit schweren Symptomen eingeliefert, aber dann geheilt entlassen werden. Wie werden denn diese Kranken behandelt?

Das schwerste Symptom eines am neuartigen Coronavirus erkrankten Patienten ist die mit einem schweren Verlauf einhergehende "Respiratorische Insuffizienz" - also die nicht ausreichende Anreicherung des Blutes mit Sauerstoff, verursacht durch eine Lungenentzündung. Die Lunge kann ihrer Funktion nicht mehr richtig nachkommen. Im Stufenkonzept werden Patienten also zunächst unterstützend mit Sauerstoff versorgt, später werden sie beim Atmen über einen Helm unterstützt oder komplett maschinell beatmet. Dabei werden sie in Bauchlage gelagert, weil die Sauerstoffversorgung so verbessert wird. Patienten befinden sich dabei in einem Schlafzustand. Diese Unterstützung der Atmung ist ein essenzieller Teil der Behandlung.

... die ja durchaus erfolgreich sein kann. Aber wie?

Das Virus greift nach heutigem Stand vor allem die Lunge an. Indem man ihr einen Teil der Arbeit abnimmt, kann sie sich regenerieren. Natürlich spielen hier auch Prozesse rund um das Immunsystem und viele andere Faktoren eine Rolle. Als Intensivmediziner überwachen und therapieren wir die Patienten engmaschig und kümmern und um Begleiterkrankungen, die im Zuge der Erkrankung Raum greifen, wie mögliche weitere Entzündungen, Nierenfunktionsstörungen und vieles mehr.

Ein spezifisches Medikament gegen Sars-CoV2 gibt es im Moment nicht, dazu wird international aber mit Hochdruck geforscht. Entscheidend ist daher, Begleitkomplikationen spezifisch zu therapieren und den betroffenen Patienten so beim Kampf mit der Infektion mit dem Virus zu unterstützen.

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