Tambach-Dietharz Im Schaufenster der Wissenschaft

apf, Marie Frech

Am Bromacker zwischen Tambach-Dietharz und Georgenthal haben nach zehn Jahren wieder Grabungen begonnen. Die Ergebnisse sollen in neuen digitalen Formaten veröffentlicht werden.

 
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Tambach-Dietharz - Im Dreck graben auf der Suche nach Schätzen: Es wirkt wie ein Kinderspiel, ist aber Teil eines einmaligen wissenschaftlichen Projekts, das jetzt am Bromacker zwischen Tambach-Dietharz und Georgenthal im Landkreis Gotha startet. Dort, in der hügeligen, mit Gestrüpp übersäten Fläche am Waldrand, liegt eine der weltweit bedeutendsten Fundstätten für Ursaurier. Ursaurier sind Landwirbeltiere, die vor Millionen von Jahren noch lange vor den Dinosauriern lebten. Am Bromacker wurden vor einigen Jahrzehnten etwa die Überreste zweier Exemplare gefunden, die als "Tambacher Liebespaar" international bekannt wurden: Skelette einer Art Echse, die sich eng aneinander zu kuscheln scheinen.

Nachdem die Grabungen rund zehn Jahre geruht haben, geht es nun wieder los. Ziel dabei sei es, auf Augenhöhe zu forschen und die Öffentlichkeit von Beginn an teilhaben zu lassen. Damit soll aus dem nationalen Geopark Inselsberg-Drei Gleichen ein sogenannter globaler werden, sagte Tankred Schipanski, CDU-Bundestagsabgeordneter für Gotha und den Ilm-Kreis, am Freitag bei einem Termin zum Projektstart.

Geoparks sind besonders ausgewiesene Gebiete, in denen Erdgeschichte erlebbar gemacht wird. Vermittelt wird beispielsweise, wie Landschaften entstehen, welche Gesteine und Rohstoffe im Untergrund vorkommen und wie die Böden die jeweilige Landnutzung beeinflussen. Seit 2015 gibt es Geoparks der UNESCO, die als "global" gekennzeichnet sind und dafür bestimmte Voraussetzungen erfüllen müssen. Zum Beispiel im Hinblick auf Wissensvermittlung. Und für die Anerkennung des Geoparks Inselsberg-Drei Gleichen seien die Grabungen am Bromacker ausschlaggebend, so Schipanski weiter. "Es ist gelebte und sichtbar gemachte Forschung und somit ein Schaufenster der Wissenschaft."

Die aktuellen Ausgrabungen stehen daher unter dem Titel "Öffnen von Wissenschaft: Neue Wege des Wissenstransfers am Beispiel des Forschungsprojekts Bromacker" - eine Kooperation der Stiftung Schloss Friedenstein Gotha, des Museums für Naturkunde Berlin - Leibniz-Institut für Evolutions- und Biodiversitätsforschung, der Friedrich-Schiller-Universität Jena und des Nationalen GeoParks Thüringen Inselsberg-Drei Gleichen. Das Projekt wird vom Bundesministerium für Bildung und Forschung gefördert und soll bis 2025 Einblicke in das Leben früher Landwirbeltiere geben. Neben einem "Bromacker Lab" (Labor) soll es nicht näher benannte digitale Medien und Führungen zur Ausgrabungsstelle geben. Dazu Einblicke in die Live-Präparation und Live-CT-Scans von Fossilien.

Einfach war es offenbar nicht, die Grabungen am Bromacker wieder anzuleiern. "Seit acht Jahren arbeiten wir daran, dass es weitergeht", erklärte Tankred Schipanski. Es habe sich 2011 um eine strategische Entscheidung gehandelt, die Forschungen einzustellen, weil "ein barockes Universum" um Gotha aufgebaut werden sollte. Auch aus der Politik seien die Bemühungen, die wissenschaftliche Arbeit am Bromacker fortzuführen, gebremst worden. "Deswegen: Kein Dank an Wolfgang Tiefensee und Benjamin-Immanuel Hoff, die das Projekt aktiv blockiert haben", sagte der CDU-Abgeordnete.

Seit zwei Wochen gibt es nun aber Testgrabungen in der Sandstein-Grube. Und wie eine Bestätigung, dass es richtig ist, am Bromacker weiter zu forschen, hätten die Wissenschaftler gleich am ersten Tag den wohl "spektakulärsten Fund" gemacht, wie es Projektleiter Jörg Fröbisch vom Museum für Naturkunde in Berlin nannte: im Sandgestein sichtbare Gänge und Kammern, die Tiere in früher Urzeit gegraben haben. "Es waren sehr kleine Wirbeltiere, vielleicht 20 bis 30 Zentimeter lang", erklärte Fröbisch. Besonders sei der Fund deshalb, weil er womöglich der älteste und komplexeste seiner Art sei. Eine genauere Untersuchung steht noch aus.

Neben Knochen und Wirbeln hat das internationale Forscherteam in den vergangenen Tagen auch mehrere Teilskelette freigelegt. Gut 290 Millionen Jahre alt sind die Überreste aus dem Unteren Perm. Funde der Saurier-Art Seymouria sanjuanensis, zu der das "Tambacher Liebespaar" gehört, wurden auch in den USA gemacht. Für Forscher ist das ein Beleg für die Existenz des Urkontinents Pangäa. In diesem war im Zeitalter Perm sämtliche Landmasse der Erde vereint - ein sogenannter Superkontinent und gleichzeitig der bisher letzte seiner Art. Die Landschaft beim Bromacker habe damals wohl Gebieten wie in der heutigen Mongolei geähnelt, sagt Christoph
Heubeck, Professor für Allgemeine und Historische Geologie der Friedrich-Schiller-Universität Jena. Es sei vielleicht eine Steppen-Graslandschaft gewesen, durchzogen von Flüssen.

Er und seine Geologen-Kollegen wollen mit ihren Kartierungsarbeiten, Bohrungen und anderen Untersuchungen den Paläontologen bei dem Projekt zusätzliches Wissen über die Landschaft, das Klima und somit die Lebensumstände der
Ursaurier liefern. Das helfe etwa auch dabei zu klären, wie die Tiere aussahen, ob sie etwa Fell hatten. "Ich fühle mich ein bisschen wie ein Kind, das mit anderen Kindern zusammen am Küchentisch sitzt und ein Puzzle zusammensetzt", beschrieb Heubeck die Aufgabe am Freitag.

Die Testgrabung soll noch bis Sonntag laufen, weitere Grabungen sind für Sommer 2021 geplant. Die Fossilien-Lagerstätte "Bromacker" ist seit mehr als 100 Jahren bekannt. Sie gilt als eine der ergiebigsten weltweit. Die Besonderheit der Fundstelle bestehe auch darin, dass bislang oft zu Spuren und Fährten - Kratzer oder eben die gegrabenen Gänge - auch die passenden Tierskelette dort entdeckt wurden. "Und das ist der absolute Hammer", sagt Tom Hübner, wissenschaftliche Mitarbeiter der Stiftung Schloss Friedenstein Gotha. Aus seiner Sicht ist es keine Frage, ob es einen neuen Sensationsfund gibt - sondern eher wann.

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