Wagenknecht ist eher eine intellektuelle Einzelkämpferin, die gerne Bücher schreibt. Mit dem eigentlichen politischen Handwerk tut sie sich nach eigener Aussage schwer. „Den Apparat zu beherrschen“, das sei ihr fremd, hat sie einmal gesagt – also etwa die Führung von Parteifreunden, das Pflegen von Netzwerken, das Trommeln für Unterstützung.
In der Linkspartei selbst sieht Wagenknecht keine Zukunft mehr für sich. Anfang März hatte sie klargemacht, dass sie für Die Linke nicht mehr für den Bundestag kandidieren wolle. Nach Ablauf dieser Legislaturperiode 2025 soll entweder Schluss sein mit der Politik „oder es ergibt sich politisch etwas Neues“.
Vor allem beim Thema Russland und Ukraine eckte Wagenknecht zuletzt an, als sie der Bundesregierung einen Wirtschaftskrieg gegen Russland vorwarf – was eins zu eins der Wortwahl von AfD-Chef Tino Chrupalla entspricht. Zuletzt hatte sie mit einem „Manifest für Frieden“ gemeinsam mit Alice Schwarzer für Verhandlungen und Kompromisse „auf beiden Seiten“ geworben und mobilisierte Tausende in Berlin bei einer Großdemo. Von Thüringens AfD-Chef Björn Höcke bekam Wagenknecht eine Einladung, in die AfD einzutreten.
Genau das könnte ein vergiftetes Angebot für Thüringen sein. Linke und AfD kämpfen in Meinungsumfragen um die Spitzenposition in der Wählergunst im Freistaat. Wagenknechts Parteigründung könnte dazu führen, dass sich ihre Thüringer Anhänger von der Linken abwenden und der Partei von Ministerpräsident Bodo Ramelow damit weitere Stimmen verloren gehen. Eine Regierungsbildung würde dann noch komplizierter werden. Schon jetzt regieren Linke, SPD und Grüne als Minderheitsregierung. Seite 4