Sorge um Stimmen Zerbricht die Linke an Wagenknecht?

Noch steht sie für die Linke am Rednerpult des Bundestages: Sahra Wagenknecht. Foto: dpa/Michael Kappeler

In den kommenden Monaten will Sahra Wagenknecht über die Gründung einer eigenen Partei entscheiden. In ihrer bisherigen Partei, der Linken, wächst die Unruhe. Auch in Thüringen. Denn auch hier hat Wagenknecht viele Anhänger.

 
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Spaltet Sahra Wagenknecht die Linke? Und was bedeutet das für Thüringen, das einzige Bundesland, in dem die Linke mit Bodo Ramelow den Ministerpräsidenten stellt? Die Ankündigung Wagenknechts, in den kommenden Monaten über die Gründung einer eigenen Partei entscheiden zu wollen, hat für scharfe Kritik der Spitze ihrer bisherigen Partei gesorgt.

„Anzukündigen, dass man im Verlauf der nächsten Monate über die Bildung einer konkurrierenden Partei entscheiden will, ist verantwortungslos“, erklärten die Linken-Vorsitzenden Janine Wissler und Martin Schirdewan. Die Linke sei angesichts von Krieg, Klimakrise, Inflation und Streiks mehr denn je gefordert. „Wir fordern alle auf, Spaltungsbestrebungen eine Absage zu erteilen“, fügten sie hinzu.

Wagenknechts Parteifreund Gregor Gysi kann sich nicht vorstellen, dass eine weitere Partei neben der Linken große Chancen hätte. Seiner Ansicht nach fehlt dafür in der Gesellschaft die nötige „linke Stimmung“, wie er am Wochenende in einem Interview sagte. An Wagenknecht und mögliche Sympathisanten appellierte er: „Wenn Leute das vorhaben, dann sollen sie es schnell machen und nicht die Partei ewig quälen.“

Wagenknecht selbst bemühte sich in den vergangenen Tagen darum, bloß keine Fehler zu machen: Die heiß diskutierte Frage, ob sie eine eigene Partei gründet, will die prominente Linke-Politikerin erst in den nächsten Monaten beantworten. „Ich gehe davon aus, dass innerhalb des nächsten Dreivierteljahres die Entscheidungen fallen. Bis Ende des Jahres muss klar sein, wie es weitergeht“, sagte die 53-Jährige dem Nachrichtenportal „ZDFheute.de“.

In dem Gespräch nennt Wagenknecht die Gründe für ihr vorsichtiges Vorgehen: „Die Erwartung, man könnte – selbst wenn man sich entschieden hätte – mal eben so eine Partei aus der Taufe heben, von einer Woche zur nächsten, das wäre zum Scheitern verurteilt.“ Wagenknecht verweist auf nötige Strukturen, juristische Überlegungen und darauf, dass sie genügend Unterstützer bräuchte. Ein neues Projekt könne nur mit einem wirklich verlässlichen Team funktionieren, das ihr viele von den Dingen abnehme, für die sie schlicht kein Talent habe. „Als One-Woman-Show kann ich das nicht.“

Wagenknecht ist eher eine intellektuelle Einzelkämpferin, die gerne Bücher schreibt. Mit dem eigentlichen politischen Handwerk tut sie sich nach eigener Aussage schwer. „Den Apparat zu beherrschen“, das sei ihr fremd, hat sie einmal gesagt – also etwa die Führung von Parteifreunden, das Pflegen von Netzwerken, das Trommeln für Unterstützung.

In der Linkspartei selbst sieht Wagenknecht keine Zukunft mehr für sich. Anfang März hatte sie klargemacht, dass sie für Die Linke nicht mehr für den Bundestag kandidieren wolle. Nach Ablauf dieser Legislaturperiode 2025 soll entweder Schluss sein mit der Politik „oder es ergibt sich politisch etwas Neues“.

Vor allem beim Thema Russland und Ukraine eckte Wagenknecht zuletzt an, als sie der Bundesregierung einen Wirtschaftskrieg gegen Russland vorwarf – was eins zu eins der Wortwahl von AfD-Chef Tino Chrupalla entspricht. Zuletzt hatte sie mit einem „Manifest für Frieden“ gemeinsam mit Alice Schwarzer für Verhandlungen und Kompromisse „auf beiden Seiten“ geworben und mobilisierte Tausende in Berlin bei einer Großdemo. Von Thüringens AfD-Chef Björn Höcke bekam Wagenknecht eine Einladung, in die AfD einzutreten.

Genau das könnte ein vergiftetes Angebot für Thüringen sein. Linke und AfD kämpfen in Meinungsumfragen um die Spitzenposition in der Wählergunst im Freistaat. Wagenknechts Parteigründung könnte dazu führen, dass sich ihre Thüringer Anhänger von der Linken abwenden und der Partei von Ministerpräsident Bodo Ramelow damit weitere Stimmen verloren gehen. Eine Regierungsbildung würde dann noch komplizierter werden. Schon jetzt regieren Linke, SPD und Grüne als Minderheitsregierung. Seite 4

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