MdL Michael Heym zu Neuwahlen „Eher fließt das Wasser den Berg hinauf“

Michael Heym gehört seit 22 Jahren dem Landtag an. Jetzt quittierte er sein Amt im Petitionsausschuss, weil ihn ein CDU-Fraktionskollege im Streit um die Neuwahl als „Kameradenschwein“ bezeichnet hat. Foto: /Marko Hildebrand-Schönherr

Kein triftiger Grund für Neuwahlen in Thüringen

 
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Meiningen - Der einheimische CDU-Landtagsabgeordnete Michael Heym lehnt die Auflösung des Landtages und vorgezogene Neuwahlen in Thüringen strikt ab – ebenso wie drei weitere CDU-Abgeordnete. Sie bringen damit Fraktionschef Mario Voigt in die Bredouille. Der hatte erklärt, dass Neuwahlen an der CDU nicht scheitern werden. Trotz Druck aus der Fraktion bleibt Heym bei seiner Position. „Eher läuft das Wasser den Berg hinauf, als dass ich meine Meinung ändere“, sagte er im Interview mit dem Meininger Tageblatt.

Herr Heym, wie geht es Ihnen als CDU-Rebell?

Ich sehe mich nicht als Rebell, auch wenn ich gegen Neuwahlen bin und mit dieser Meinung im Widerspruch zur veröffentlichten Position der CDU Thüringen stehe. Das ist keine angenehme Situation. Ich hatte wahrlich schon schönere Tage innerhalb der CDU-Landtagsfraktion. Da ist schon großer Druck zu spüren. Aber ich bekomme deshalb keine weichen Knie.

Warum sind Sie gegen vorgezogene Neuwahlen? Weil Sie Angst haben, Ihr Direktmandat bei der Wahl zu verlieren?

Ich kenne diesen Vorwurf und muss damit leben. Er kann noch so oft wiederholt werden, er trifft dennoch nicht zu. Ich gehöre seit 22 Jahren dem Thüringer Landtag an. Die Sorge, meinen Sitz im Parlament zu verlieren, ist nicht mein Antrieb. Das können Sie mir glauben.

Was sind denn die Gründe für Ihr Nein?

Aus gutem historischen Grund steht in der Thüringer Verfassung, dass für die Auflösung des Landtages mindestens eine Zweidrittel-Mehrheit erforderlich ist. Dafür muss es triftige Gründe geben. Und die gibt es nach meiner Auffassung nicht. Mich überzeugt das Argument nicht, Neuwahlen herbeiführen zu wollen, nur weil die gegenwärtigen Mehrheitsverhältnisse nicht passen. Ich kann auch nicht erkennen, was nach einer Neuwahl besser werden soll. Alle Prognosen sagen, dass es keine Mehrheit für die politische Mitte geben wird. Und nicht zuletzt: Meine Aufgabe als CDU-Landtagsmitglied sehe ich nicht darin, mit einer Neuwahl für eine bessere Situation von AfD oder Rot-Rot-Grün zu sorgen. Ich denke zuallererst an die CDU und es ist nicht auszuschließen, dass sie im Falle einer Neuwahl Wahlkreise an die AfD verliert.

Sie müssten doch aber an stabilen Verhältnissen in Thüringen interessiert sein.

Das bin ich auch. Wir haben jetzt die Situation, dass Rot-Rot-Grün für eine Mehrheit im Landtag Stimmen aus anderen Fraktionen benötigt. Diese Situation sorgt dafür, dass Rot-Rot-Grün mit uns von der CDU und mit der FDP im Gespräch bleiben muss. Ich halte es für möglich, auf diese Weise gute Politik für das Land Thüringen zu machen. Das vergangene Jahr hat das gezeigt. Die CDU konnte einige Dinge durchsetzen, die gut für das Land waren. Ich denke an die zusätzlichen Gelder in Millionenhöhe für die Kommunen oder das Ende der Debatte um Windräder im Wald.

Bisher gab es einen Stabilitätspakt zwischen Rot-Rot-Grün und CDU, den Sie aber immer abgelehnt haben, warum eigentlich?

Weil ich mich nicht an die Leine von Rot-Rot-Grün nehmen lassen wollte. Ich empfand den Stabilitätspakt immer als Misstrauensbeleg gegenüber der CDU, auch wenn ich in der Rückschau sage: Es war ein gutes Jahr für Thüringen. Die Minderheitsregierung muss nun ohne einen Stabilitätspakt das Gespräch mit CDU und FDP suchen, um mit guten Argumenten Mehrheiten zu finden. Ich halte das für ein tragfähiges Modell bis zum regulären Ende der Wahlperiode. Wenn es nicht funktionieren sollte, kann der Ministerpräsident ja die Vertrauensfrage stellen. Ich gehe aber nicht davon aus, dass er das tun wird.

Es galt als ausgemacht zwischen Rot-Rot-Grün und CDU, dass es in diesem Jahr vorgezogene Neuwahlen geben wird. Sie und Ihre drei Fraktionskollegen nehmen nun in Kauf, dass die CDU als wortbrüchig gilt. Gleichzeitig steht Ihr Fraktionschef Mario Voigt ziemlich blamiert als ein Politiker da, der den Mund zu voll nahm. Stört Sie das nicht?

Unser Ziel ist es nie gewesen, Mario Voigt zu blamieren. Er wusste seit Monaten um die Stimmung in der Fraktion. Spätestens seit unserer Sitzung am 15. Januar dieses Jahres war er im Bilde, dass es in der CDU auch Stimmen gegen Neuwahlen gibt. Damals gab es eine Abstimmung, bei der ich und zwei weitere Fraktionsmitglieder gegen Neuwahlen im September votierten, drei weitere Abgeordnete enthielten sich. Die inzwischen bekannten vier Abweichler haben ihm im März einen Brief geschrieben und ihre Position begründet. Für uns ist es unverständlich, warum Mario Voigt gerade in den letzten Wochen verstärkt an die Öffentlichkeit trat und verkündete, die CDU werde in Sachen Neuwahlen stehen. Das war auch der Grund, warum wir mit unserer Position an die Öffentlichkeit getreten sind. Wir wollten klarmachen, dass es keine einhellige Meinung in der Fraktion gibt.

Hatte Ihre Parteispitze gehofft, die Abweichler umstimmen zu können? Hofft sie das immer noch?

Es gab vermehrt Versuche, auf uns einzuwirken. Doch ich sage ganz deutlich: Eher fließt das Wasser den Berg hinauf, als dass ich meine Meinung ändere. Für meine Haltung habe ich gute Argumente. Ich sehe mich meinem Gewissen verpflichtet.

Ihre Mitarbeit im Petitionsausschuss des Landtages haben Sie im Streit um die Neuwahl nach 22 Jahren quittiert. Wie kam es dazu?

Es gab schwere Vorhaltungen innerhalb der CDU-Fraktion gegen uns Vier. Wir wurden von einem jungen Kollegen, dessen Namen ich nicht nennen möchte, als „Kameradenschweine“ betitelt. Wir wissen, dass es ähnliche Vorhaltungen von Fraktionskollegen auch an anderer Stelle gab. Einen solchen Angriff wollte ich nicht reaktionslos hinnehmen. Ein „Kameradenschwein“ kann seine Fraktion nicht an herausgehobener Position vertreten. Der Rücktritt war aus meiner Sicht also nur konsequent.

Es muss schlimm stehen um die CDU, wenn jetzt sogar der Alt-Ministerpräsident und CDU-Ehrenvorsitzende Bernhard Vogel mit seinen 88 Jahren als Schlichter eingeschaltet wird. Durch einen kleinen Trick sind jetzt alle vier Abweichler mit ihm zusammengetroffen. Können Sie erzählen, wie es dazu kam?

Nun ja, wir wussten, dass sich unser Ehrenvorsitzender am vergangenen Donnerstag zu einem Besuch bei Christina Tasch im Eichsfeld angemeldet hatte, die zu den vier CDU-Gegnern einer Neuwahl gehört. Wir anderen drei haben uns gesagt: Lass uns doch spontan Christina nach ihrer überstandenen Schulter-OP besuchen – am selben Tag, an dem sich Bernhard Vogel angemeldet hat. Uns so saßen wir in Christinas Wohnzimmer bei Kaffee und Kuchen mit Bernhard Vogel zusammen.

Und wie war’s? Gab’s von Vogel ordentlich was auf die Mütze?

Bernhard Vogel ist ein Politiker von großem Format. Er hat gefragt, wie er helfen kann, uns aufmerksam zugehört, sich Notizen gemacht, etwa zu unserer Kritik an der schlechten Kommunikation innerhalb der CDU-Fraktion. Er kennt viele von uns aus seiner Zeit als Ministerpräsident und weiß, dass der Vorwurf der Illoyalität nicht zutrifft. Ich habe das Gespräch als sehr angenehm empfunden. Bernhard Vogel gehört zu einer Klasse von Politikern, die es heute so gut wie nicht mehr gibt.

Und wie wird es nun weitergehen? Ute Bergner von der FDP hat ja erklärt, sie werde für die Auflösung des Landtages votieren. Damit wäre die Zweidrittel-Mehrheit theoretisch ja gesichert.

Ich gehe davon aus, dass Rot-Rot-Grün den Antrag auf Auflösung des Parlaments stellen wird. Allerdings weiß ich, dass es auch innerhalb der Regierungsfraktionen Stimmen gegen Neuwahlen gibt. Die haben nur kein Interesse daran, das publik zu machen. Ich persönlich kenne allein vier Abgeordnete, die mir das im Gespräch gesagt haben. Aber weil offen abgestimmt wird, werden sich die Gegner im rot-rot-grünen Lager am Ende nicht trauen, mit Nein zu stimmen. Ich bin mir allerdings nicht sicher, ob es in der CDU nur uns vier Abgeordnete gibt, die gegen Neuwahlen sind. Wir vier sind es, die es laut sagen.

Interview: Marko Hildebrand-Schönherr

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