Drohnen retten Jungtiere Schutzengel für Rehkitze

Ohne große Maschinen in der Landwirtschaft können 80 Millionen Deutsche nicht ernährt werden. Für kleine Rehkitze ist das aber eine tödliche Gefahr. Die Kreisjägerschaft Sonneberg setzt auf Luftüberwachung und rettet die Jungtiere. Die Erfolge sind beachtlich.

 
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Rehwild gehört im Landkreis Sonneberg zu den häufigsten Wildarten. „In jedem Frühjahr sterben zigtausende Rehkitze und anderes Jungwild in Deutschland durch Schneidwerke von Mähmaschinen“, berichtet Andreas Müller von der Kreisjägerschaft Sonneberg. Besonders gefährdet sind von Agrargenossenschaften und Landwirten intensiv genutzte, Wald nahe Wiesenflächen, denn sie werden von den Ricken bevorzugt als Kinderstube benutzt.

Nach der Geburt werden die kleinen Rehkitze von ihren Müttern im hohen Gras abgelegt. Zum Schutz vor Raubwild lässt sie Mutter Natur in diesem Alter keinerlei Eigengeruch verströmen. Das Muttertier sucht das Kitz jetzt nur zum Säugen und Reinigen auf. Die restliche Zeit liegt es gut versteckt im hohen Gras. Bei Gefahr flach auf den Boden gedrückt, haben Rehkitze in den ersten beiden Lebenswochen keinerlei Fluchtinstinkt.

In dieser Zeit startet in der Regel jedoch auch die Mähsaison auf den großen landwirtschaftlichen Wiesenflächen um Futter und Silage für das Vieh zu gewinnen.

Nicht zu erkennen

„Da die im hohen Gras abgelegten Kitze mit bloßem Auge oft nicht erkennbar sind, sind die Kapazitäten des Landwirtes die Wiesen vor dem Mähen in Eigenregie abzusuchen, zeitlich und auch personell oftmals begrenzt. Laut Tierschutzgesetz darf jedoch niemand einem Tier ohne vernünftigen Grund Schmerzen, Leiden oder Schäden zufügen“, erklärt Andreas Müller.

Aus diesem Grund müssen daher alle Verantwortlichen, Landwirte und Jagdpächter, letzterer hat auch die Pflicht der Hege in seinem Revier, dafür Sorge tragen, dass Rehkitze durch Mähmaschinen nicht zu Schaden kommen.

„Es passiert leider immer wieder, dass die Rehkitze von den Messern der Mähmaschinen verstümmelt oder getötet werden. Landwirte und Jäger, die sich dem Tierschutz verpflichtet fühlen, sind bemüht, dieses Leiden zu vermeiden“, so der Sprecher der Jägerschaft. Im Sonneberger Hinterland, haben sich bereits Landwirte und Jäger zusammengeschlossen, um gemeinsam das Jungwild vor dem Tod durch das Mähwerk zu bewahren.

Manuela Schneider als Vorstandsmitglied der Agrargenossenschaft Effelder ergriff bereits 2020 die Initiative und wurde tätig. Kurzerhand gründete sie eine WhatsApp-Gruppe mit den Jagdausübungsberechtigten. Ziel: das Miteinander zwischen Agrargenossenschaft und den zuständigen Jägern im Sinne des Tier- und Naturschutzes zu optimieren.

Hoher Aufwand

In den letzten drei Jahren ist man nun im Dreieck der Reviere Effelder, Seltendorf/Rabenäußig und Mengersgereuth Hämmern also bestens vernetzt. Ein kurzfristiges Streuen von Informationen des Agrarbetriebes zu geplanten Mahd- oder auch Ernte Terminen, zu Örtlichkeiten oder eventuellen zeitlichen Verschiebungen durch etwa technische Probleme ist hierdurch gewährleistet.

„Ab morgen beginnen wir im Döhlauer Grund zu mähen, danach Winkelsbach und Rohrwiesen. Sobald ich Genaueres weiß, melde ich mich wieder“, so Manuela Schneider in einer kurzen Nachricht in der Chatgruppe im Mai diesen Jahres. Jeder weiß nun wann und wo am Folgetag die Wiesenmahd beginnen soll und die Jägerschaft ist in der Lage diverse Maßnahmen zur Rehkitzrettung zu ergreifen.

Um im hohen Gras nach abgelegten Kitzen zu suchen, können hierbei verschiedene Methoden angewandt werden. Das diese auch gefunden werden, ist nun jedoch das Wichtigste. Das Absuchen mit dem Jagdhund oder das Ablaufen in Form einer Menschenkette, was allerdings sehr zeit- und personalaufwendig ist, wurde in den letzten Jahrzehnten oft durchgeführt.

Auch im Bereich Judenbach konnten durch diese Verfahrensweise zahlreiche Rehkitze von aktiven Jägern vor dem Mähtod gerettet werden. Das Aufstellen von sogenannten Wildscheuchen (vergleichbar mit einer Art Vogelscheuche) in den zu mähenden Wiesen hat sich ebenfalls oft bewährt. Nach deren Aufstellen führen die Muttertiere ihre Kitze des Nachts in aller Regel aus der Wiese in den Wald.

Als effektivste Methode hat sich jedoch in den letzten beiden Jahren der Einsatz von Drohnen, in Kombination mit Wärmebildtechnik in der Kitzrettung etabliert. Dieses Verfahren bietet Landwirten und Jagdausübungsberechtigten die Möglichkeit, zeitsparend und effektiv ihrer tierschutzrechtlichen Verantwortung gegenüber dem Wild nachzukommen.

Unter anderem arbeiten hier Nadine Butz und Dierk Donath aus Sonneberg und Effelder eng mit den zuständigen Agrarbetrieben im Hinter- und auch Unterland zusammen. Sie und ihre Mitstreiter haben es sich zur Aufgabe gemacht, bei der Rehkitzrettung aktiv mitzuwirken, was höchste Anerkennung verdient. Aber auch im Oberfränkischen wurden ihre Dienste schon angefordert. Seit Beginn der Mähsaison wird nach ihren eigenen Angaben so gut wie täglich geflogen. Entsprechend benötigte Technik wurde privat finanziert. Die erforderlichen Genehmigungen und die Sachkenntnis, vor allem Flugerfahrung erworben.

Auslaufende Förderung

Der Thüringer Landesjagdverband informierte kürzlich, dass von Ex-Bundeslandwirtschaftsministerin Julia Klöckner (CDU) 2021 ins Leben gerufene Förderprogramm für Wildrettungsdrohnen, will nun ihr Nachfolger Cem Özdemir (Grüne) auslaufen lassen. Mit diesem Programm konnten bundesweit 900 Drohnen zur Kitzrettung (davon auch in vier Thüringer Jägerschaften) angeschafft und rund 6000 Rehkitzen das Leben gerettet werden. „Diese Fördermittel waren für die Bundespolitik wohl zu sinnvoll angelegt“, meint Andreas Müller sarkastisch.

Nachdem der Landwirtschaftsbetrieb nun das Drohnenteam und die Jäger informiert hat, können alle anderen logistischen Schritte für den Einsatz eingeleitet werden. Jedoch bleibt weiterhin ein gewisses Restrisiko, das die Aktion vielleicht doch noch wegen schlechten Wetters oder Technik-Ausfall abgesagt werden muss.

Kitz kommt zurück

Die besten Suchergebnisse werden hierbei in den frühen Morgenstunden erzielt. In diesem Zeitraum heben sich die Wärmezeichnungen des Wildkörpers am deutlichsten von der Umgebung ab. Beim Überfliegen der abzusuchenden Flächen, sendet die Drohne Bilder der Wärmebildkamera auf einen separaten Bildschirm. Hier kann sie ein Helfer direkt auswerten. Wenn eine Wärmesignatur zu erkennen ist, lässt der Pilot die Drohne über der Fundstelle schweben und ein Jäger oder auch Helfer geht in die Wiese, um das Rehkitz in Sicherheit zu bringen.

Hierbei dürfen die gefundenen Rehkitze ausschließlich nur mit Handschuhen und einem Grasbüschel aufgenommen werden. Zu groß wäre die Gefahr, dass das Muttertier ihr Junges durch den menschlichen Geruch nicht mehr annehmen würde. Das aufgenommene Kitz wird sodann an einem deckungsreichen Ort nahe der Wiese freigelassen, wo es die Ricke nach der Mahd wiederfinden kann. Nach Abschluss der Suche werden die Verantwortlichen des jeweiligen Landwirtschaftsbetriebes informiert, dass mit der Mahd begonnen werden kann.

Ausschlaggebender Bestandteil der Kitzrettung ist daher die enge Zusammenarbeit zwischen allen Beteiligten. Landwirt, Jäger und Drohnenteam sollten sich daher frühzeitig über geplante Maßnahmen austauschen, um dadurch auch flexibel auf mögliche Änderungen (zum Beispiel plötzliche ungünstige Witterungsbedingungen) im Mähablauf reagieren zu können.

Durch die gute Kommunikation von Bauernschaft, Jägern und Drohnenpiloten konnte im Einzugsbereich der Agrargenossenschaft Effelder sowie der Agroprodukt Sonneberg im aktuellen Frühjahr wiederholt verhindert werden, dass zahlreiche junge Rehkitze einen sinnlosen Tod erleiden.

Nicht zuletzt auch deshalb lautete die für diese Mähphase vorerst letzte Nachricht von Manuela Schneider an die Chatgruppe, „Der erste Schnitt ist gemäht! Wir möchten uns bei allen bedanken, die sich die Zeit genommen haben um mit uns zusammen die Rehkitze zu finden. Im Sinne und zum Schutz unserer Wildtiere!“

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