Dagmar Schipanski Erst Wissenschaftlerin, dann Politikerin

Die CDU-Politikerin Dagmar Schipanski ist tot. Die einstige Wissenschaftsministerin und Landtagspräsidentin starb bereits am Mittwoch, wenige Tage nach ihrem 79. Geburtstag.

 
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Dass Auseinandersetzungen in der Politik unter den zumeist männlichen Beteiligen gerne einmal den Anschein von Hahnenkämpfen erwecken, hat Dagmar Schipanski nicht beeindruckt. Sie hielt sich aus solchen Kabbeleien heraus, überzeugte lieber mit kompetentem Auftreten. Da war sie eben doch ganz die Wissenschaftlerin, als die sie Thüringen schon in den 1990er Jahren kennengelernt hatte.

Dass eine Frau ausgerechnet an einer Technischen Hochschule, später Technischen Universität, Karriere machte, war auch schon zu DDR-Zeit nicht üblich. Schipanski, die in Sättelstädt bei Eisenach geboren wurde, wuchs in Ilmenau auf und studierte in Magdeburg Angewandte Physik. Dann kehrte sie nach Ilmenau zurück und wurde nach der Promotion B – was einer Habilitation entspricht – Dozentin an der TH Ilmenau.

Erste Frau an der Spitze

Eine Professur blieb der kirchlich engagierten Wissenschaftlerin, die noch dazu kein SED-Mitglied war, denn auch zu DDR-Zeit verwehrt. Dabei war ihr Wissenschaftsgebiet, die Festkörperphysik, für das nach Innovation in der Halbleitertechnik, also der Mikroelektronik strebende Land DDR unheimlich wichtig. Erst nach der Wende wurde Schipanski zur Professorin ernannt und Dekanin der Fakultät für Elektrotechnik und Informationstechnik.

Seit 1992 saß Schipanski dann auch im Wissenschaftsrat, der die Hochschulpolitik in Deutschland zwischen Politik und Wissenschaft koordiniert, 1996 wurde sie Vorsitzende dieses Gremiums. Und hier hielt die Frau aus dem Osten, die seit 1995 Rektorin der TU Ilmenau war, auch nicht mit ihrer Meinung hinter dem Berg, dass der Forschungsbetrieb der alten Bundesländer auch von den Erfahrungen aus dem Osten profitieren könne. In all diesen Positionen hatte Schipanski ganz nebenbei noch die Vorreiterrolle als erste Frau in solch einem Amt.

Ihre einstige Universität lobt denn auch, Schipanski habe „nicht nur die TU Ilmenau als hervorragenden Standort für Forschung und Lehre über Grenzen geprägt, ihr war es auch ein Anliegen, menschliche Brücken zu bauen“.

Als Kandidatin instrumentalisiert?

Der politische Paukenschlag kam dann Ende Januar 1999, als bekannt wurde, dass CDU und CSU die parteilose Wissenschaftlerin als ihre Kandidatin für die Bundespräsidentenwahl am 23. Mai des gleichen Jahres nominieren wollen. Es sollte ein Gegenpol gesetzt werden zum SPD-Kandidaten Johannes Rau, dessen Wahl angesichts der Mehrheiten in der Bundesversammlung da schon als sicher galt. Deshalb wurde der Vorwurf laut, Schipanski lasse sich von der Union instrumentalisieren.

Nachdem die Wahl des Staatsoberhauptes wie erwartet ausgegangen war, holte sie Regierungschef Bernhard Vogel in sein Wahlkampfteam für die Landtagswahl im gleichen Jahr – mit der Aussicht auf ein Ministeramt im Fall eines Sieges. Noch am Wahlabend, als noch kein endgültiges Ergebnis vorlag, aber die absolute Mehrheit der CDU klar war, kündigte Vogel an, Schipanski zur Ministerin für Wissenschaft, Forschung und Kunst zu machen.

Damit war der Schritt von der Wissenschaft in die Politik endgültig getan. So trat die Neu-Politikerin dann auch im Jahr 2000 der CDU bei, wo sie in das Präsidium und 2006 in den Bundesvorstand aufrückte. Vor allem auch bei der Aufarbeitung des CDU-Spendenskandals von Helmut Kohl waren hier unbelastete Stimmen aus dem Osten gefragt.

Für Vollendung der Einheit

Nach der Landtagswahl 2004, bei der Schipanski über die Landesliste in das Parlament gewählt und Vogel-Nachfolger Dieter Althaus wieder zum Ministerpräsidenten gewählt wurde, wechselte sie vom Ministeramt in das der Landtagspräsidentin – bis zur Wahl 2009, bei der sie den Wiedereinzug in den Landtag verpasste. Auch im Parlamentsamt erwarb sie sich über Parteigrenzen hinweg viel Anerkennung, wie die Statements aller politischen zu ihrem Tod zeigen. „Mit ihr verliert Thüringen, verliert die gesamte Bundesrepublik nicht nur eine energische Streiterin für die Vollendung der Deutschen Einheit, sondern ebenso eine echte Pionierin“, erklärte etwa Ministerpräsident Bodo Ramelow (Linke).

Vor allem natürlich trauert die CDU. „Sie war nicht nur eine großartige Wissenschaftlerin, sondern auch eine engagierte Politikerin, die zu den bekanntesten Thüringern gehörte“, erklärte CDU-Fraktionschef Mario Voigt. Und Parteichef Christian Hirte ergänzt: „Dagmar Schipanski hat Thüringen geprägt. Wir sind dankbar für ihren wichtigen Dienst. Sie war von ausgesprochenem Mut und Willen, hat sich von ihrem Weg nie abbringen lassen und wurde als Verfechterin der Werte der CDU bis heute zu einem Vorbild für viele in unserer Partei.“

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