Ettersburg Sparen und Sparen lassen

Der Volksmund spricht zwar vom nackten Mann, dem man nicht in die Tasche fassen kann, hier aber zeigt eine angezogene Finanzministerin Heike Taubert, dass bei ihr nichts zu holen sei. Foto: Martin Schutt/dpa Quelle: Unbekannt

Bei der Klausurtagung zum Haushalt 2021 hat sich Finanzministerin Heike Taubert weit auf ihre Kabinettskollegen zubewegt. Allerdings wird auch damit nicht jeder von ihnen glücklich werden.

 
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Ettersburg - Ein gemütliches Beisammensein im engsten Kreis ist es nicht, was sich da am Dienstag auf Schloss Ettersburg bei Weimar abspielt. Die Kabinettsklausur der Landesregierung ist nicht nur im wahrsten Sinne des Wortes ein Arbeitstreffen, das im sogenannten Gewehrsaal des Schlosses stattfindet. Sie ist vor allen Dingen eine Zusammenkunft von - für Coronazeiten - relativ vielen Menschen. Neben Ministerpräsident Bodo Ramelow (Linke) sitzen die Minister der Landesregierung in dem hohen Saal, der eine mit Stuck verzierte Decke hat. Dazu deren Staatssekretäre, dazu die Fraktionsvorsitzenden von Rot-Rot-Grün und Haushaltspolitiker von Linken, SPD und Grünen. Entsprechend lang sind die Tische geworden. Mikrofone stehen auf den Tischen, damit man sich nicht anschreien muss. Das ist jedenfalls der Vorsatz.

Die doppelte Kernfrage lautete: Wie viel Geld soll das Land im nächsten Jahr eigentlich ausgegeben und wie viel neue Schulden sollen gemacht werden? Daran hängt, wie viele Lehrer und Polizisten eingestellt werden können, wie viel Geld die Kommunen für Bauarbeiten an Schulen und Straßen erhalten, welche Mittel der Freistaat etwa in den Umweltschutz steckt. Doch in der Coronakrise ist diese Frage noch viel drängender. Denn immerhin gibt es über die Grenzen des politischen Lagers von Rot-Rot-Grün hinaus in der Landeshauptstadt den Willen, möglichst viel Staatsgeld so auszugeben, dass der Freistaat damit aus der Coronakrise kommt.

Seit Wochen wird in Erfurt deshalb gerungen. Zuletzt so heftig, dass dieser Streit das zuvor ohnehin schon angespannte Koalitionsklima noch weiter belastet hatte. Jeder Minister und jede Ministerin hatte Finanzministerin Heike Taubert (SPD) zuletzt wortreich erklärt, warum ausgerechnet im eigenen Ressort nicht gespart werden könne und warum die Coronakrise gezeigt habe, das - natürlich - im eigenen Ressort, noch mehr Geld ausgegeben werden müsse; für Polizisten, für Lehrer, für Beschäftigte im Gesundheitsdienst… Dieses Argumentationsmuster, berichten Teilnehmer der Kabinettsklausur, hätten die Minister und Ministerinnen auch im Gewehrsaal wieder hervor geholt. "Sparen? Nicht bei mir!"

Taubert ließ sich in der Klausur tatsächlich darauf ein, statt der abgerechneten Landesausgaben 2019 die Haushaltsansätze von 2020 als Grundlage für die Aufstellung des Landeshaushaltes 2021 zu verwenden. Damit hat sie zugestimmt, dass Thüringen in der Coronakrise mehrere hunderte Millionen Euro mehr ausgibt, als sie eigentlich zunächst wollte.

Die echten Haushaltsausgaben des Landes lagen nach vorläufigen Zahlen des Finanzministeriums bei etwa 10,15 Milliarden Euro, der Haushaltsansatz 2020 liegt bei 11,11 Milliarden Euro. Dass der Freistaat Geld nicht wie geplant ausgibt, liegt zum Beispiel daran, dass Gelder aus Förderprogrammen nicht so abgerufen werden wie erwartet.

Andererseits aber bleibt in den weiteren Haushaltsberatungen noch immer genug Konfliktpotenzial. Nicht nur nämlich muss die Thüringer CDU sich mit dem großen Kompromissvorschlag noch einverstanden erklären - und das, wo deren Fraktionsvorsitzender Mario Voigt in den vergangenen Tagen gebetsmühlenartig wiederholt hatte, wie skeptisch die Union bei der Aufnahme neuer Schulden sei, dass jede einzelne bisher geplante Ausgabe im Landeshaushalt kritisch hinterfragt werden müsse. "Eine Weiter-So-Politik mit neuen Schulden obendrauf kann es nicht geben", so Voigt. Die erste Reaktion der Union auf den Plan von Rot-Rot-Grün: Das sei Weiter-So-Politik mit neue Schulden.

Passend dazu mahnt der Landesrechnungshof just am gleichen Tag: Ja, Schulden könne man machen, müsse aber die Regeln einhalten. Laut Haushaltsordnung darf das Land etwa in "außergewöhnlichen Notsituationen" neue Kredite aufnehmen; aber die Tilgung muss auf fünf Jahre verbindlich festgelegt werden. Diese Tilgungsregel müsse eingehalten werden, "um den erneuten Gang in die Schuldenfalle zu verhindern", sagt Rechnungshof-Präsident Sebastian Dette. Das Jahr 2019 markiere das Ende eines zehnjährigen Konjunkturhochs. Zwar sei die Rücklage des Landes in den vergangenen Jahren auf 1,8 Milliarden Euro gewachsen. Doch was zunächst als "komfortables Finanzpolster" schien, werde aktuell für die Bewältigung der Krise kaum ausreichen.

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