Weimar Corona: Starker Anstieg von Intensiv-Patienten erwartet

Eike Kellermann
Fiebermessen bei AfD-Fraktionschef Björn Höcke. Foto: Martin Schutt/dpa Quelle: Unbekannt

Das Thüringer Verfassungsgericht prüft derzeit die Rechtmäßigkeit der Corona-Beschränkungen. Deutlich wird dabei, dass auf die Krankenhäuser ein harter Winter zukommen könnte.

 
Schließen

Diesen Artikel teilen

Weimar - Michael Bauer ist Direktor der Klinik für Anästhesiologie und Intensivmedizin am Universitätsklinikum Jena. Er berät die Landesregierung in der Corona-Krise. Am Mittwoch begleitete er Gesundheitsministerin Heike Werner (Linke) zum Verfassungsgericht nach Weimar. Das Gericht prüft auf Antrag der AfD-Fraktion die Verfassungsmäßigkeit von drei Corona-Verordnungen der Landesregierung.

Bei der mündlichen Verhandlung ließ sich nicht erkennen, in welche Richtung die Richter tendieren: Ob sie der Landesregierung zugestehen, in der Ausnahmesituation der Corona-Pandemie Grundrechte zu beschneiden - durch Kontaktverbot, Beschränkung bei Versammlungen, Schließung von Gaststätten, Fitnessstudios und Museen. Oder ob sie - wie die AfD es sieht - die Maßnahmen für verfassungswidrig halten. "Es ist ehrenwert zu versuchen, jedes Leben zu retten. Aber der Preis ist deutlich zu hoch", formulierte es AfD-Rechtsvertreter Ralf Hornemann.

Deutlich wurde bei der Verhandlung, zu der nur wenige Zuschauer zugelassen und der Sitzungssaal alle 20 Minuten stoßgelüftet wurde, dass auf das Thüringer Gesundheitswesen ein harter Winter zukommen könnte. Nicht verfassungsrechtliche, sondern medizinische und epidemiologische Fragen bestimmten die Verhandlung über weite Strecken.

Im Mittelpunkt der Jenaer Medizin-Professor Bauer. Er erläuterte, dass die Belegung der Intensivstationen mit Corona-Patienten derzeit auf dem Niveau der ersten Corona-Welle vom Frühjahr ist. Allerdings erwartet er bis Dezember eine Verdopplung bis Vervierfachung - trotz des aktuellen Lockdowns. Corona-Patienten würden dann rund 20 Prozent aller Intensiv-Betten belegen. Damit werde es für Patienten mit anderen Krankheiten Einschränkungen geben, so Bauer.

Die Ursache für den Anstieg liegt in der aktuell sehr viel höheren Zahl an Corona-Infizierten als im Frühjahr. Viele von ihnen werden keine oder nur milde Symptome haben, Halsschmerzen vielleicht, etwas Fieber. Doch sie können, weil die Symptome erst Tage nach der Ansteckung auftreten, das Virus zunächst unbemerkt weitergeben.

"Das ist das Gefährliche", sagte der Jenaer Mediziner. An der furchtbaren Krankheit Ebola stirbt nahezu jeder Infizierte. Dadurch aber wird das Virus kaum verbreitet, der Ausbruch bleibt lokal. Bei Corona ist das anders. Ohne Beschränkungen verbreitet sich das Virus aufgrund der nicht oder spät auftretenden Symptome massenhaft und erwischt damit auch viele Personen aus den Risikogruppen. Laut Bauer gehört rund ein Drittel der Deutschen dazu - Übergewichtige, Bluthochdruck-Patienten, Raucher. "Das macht das Virus zu einer großen Bedrohung für das Gesundheitswesen", so der Jenaer Mediziner. Es sei ähnlich gefährlich wie die Spanische Grippe vor 100 Jahren. Die kostete in Europa Millionen Menschenleben.

"Eine für mich wichtige Erkenntnis lautet: Corona ist viel cleverer und tückischer als Ebola", sagte Gerichtspräsident Stefan Kaufmann. Gesundheitsministerin Werner stellte den Unterschied zur Virus-Grippe heraus, die oft herangezogen wird, um die Corona-Beschränkungen als übertrieben zu brandmarken. Gegen Corona gebe es bisher keinen Impfstoff, unklar sei zudem, ob nach einer durchgemachten Infektion Immunität bestehe. Daher müsse man weiter "sehr vorsichtig" sein, so die Ministerin.

AfD-Fraktionschef Björn Höcke hielt dagegen, dass die rund 190 Thüringer Covid-Toten im Durchschnitt 82 Jahre alt waren. Nahezu alle hätten Vorerkrankungen gehabt. Die Wirtschaft werde die Beschränkungen nicht durchhalten. Das führe zu sinkendem Lebensstandard und das zu höherer Sterblichkeit. Die Einschränkungen sorgten zudem für Bewegungsmangel, Depressionen, unterbliebene Operationen. "Das wird schlimmere Auswirkungen haben als das Corona-Virus", so Höcke.

Allerdings könnte die Krise dank eines Impfstoffs bald überstanden sein. Wohl darauf zielte der Jenaer Medizin-Professor Bauer, als er sagte: "Ich hoffe als Arzt und Bürger, dass dieser Winter, der sicher eine schwere Belastung sein wird, der letzte mit schweren Krankheitsverläufen sein wird." Das Verfassungsgericht will sein Urteil am 10. Februar 2021 verkünden.

Bilder