Suhl/Meiningen "Wir können nicht weniger, als genau diesen Lebensweg gehen"

Anja Hüttner und Stefan Ulrich-Hüttner gehen mit ihrem Mut und einem Kulturkonzept, das vielen vieles bietet in die zweite Runde. Diesmal im Meininger Kulturhaus der Eisenbahner. Foto: Hüttner Quelle: Unbekannt

Die beiden haben Energie, Ideen und Mut. Und einen Lebenstraum. Die Rede ist von Anja Hüttner und ihrem Mann Stefan Ulrich-Hüttner. Sie sind markante Suhler Gesichter und leben in Meiningen.

 
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Suhl/Meiningen - "Wir geben unseren Lebenstraum nicht auf", sagt Anja Hüttner, die Profi-Fotografin, die man nie ohne Hut sieht. Nicht in Suhl. Auch nicht in Meiningen. Dorthin ist sie mit ihrem Mann Stefan Ulrich-Hüttner gezogen. Gemeinsam mit ihrem Lebenstraum, in dem Kulturhaus der Eisenbahner ein für die Region einzigartiges Kulturkonzept umzusetzen.

Eisenbahner-Kulturhaus

Erbaut ab 1950 in der Saarbrückener Straße in Meiningen.

Für kulturelle Ereignisse des RAW genutzt - auf drei Etagen.

Im Jahr 2000 hatte das Gebäude Familie Otto nach zehn Jahren Leerstand erworben.

Umfrangreiche Restaurierung und Kulturbetrieb 2014/2015.

Bis heute wurde es gepflegt und instand gehalten.

Sie sind gegangen, ohne hinter sich alle Türe zuzuschlagen und Brücken abzubrechen. Und schon gar nicht, um das Straßentheaterfestival, das vor Kurzem in Suhl seine sechste Auflage erlebte, mit nach Meiningen zu nehmen. Dieses Baby der beiden bleibt in Suhl. Genauso wie sie Suhler bleiben, auch wenn sie nun Meininger sind. Für sie macht das kaum einen Unterschied, auch wenn das Pflaster in Meiningen für die Kultur gangbarer scheint. "Wir sind Südthüringer und wenn man hört, wie oft, wie lange und wie ergebnislos über die Einkreisung der Stadt Suhl in den Landkreis Schmalkalden-Meiningen diskutiert wird, da kommt gerade unsere Generation echt nicht mehr mit. Also leben wir die Fusion quasi vor - und zwar auf der kulturellen Strecke", sagt Stefan Ulrich-Hüttner, der landläufig als der Uller bekannt ist.

Erster Anlauf: Feinmess

Ganz ohne handfesten Hintergrund ist die Entscheidung für den Umzug freilich nicht gefallen. Mit einem ähnlichen Konzept wie es die beiden für das Kulturhaus in Meiningen in der Tasche haben, sind sie auch schon in Suhl angetreten - 2017. Sie wollten Kultur und Leben in den alten Feinmess-Komplex in der Rimbachstraße bringen. Auf dem Gelände - so ihre Pläne - sollte es unter anderem Ateliers, Werkstätten und Ausstellungsräume für Kunsthandwerker und Künstler genauso geben wie Geschäfte, Vereins- und Probenräume, Tattoo- und Fotostudio, Unterrichts- und Workshop-Zimmer und einen Kindergarten. Und: Der Verein Kulttraum Suhl hätte eine Möglichkeit, beispielsweise Varietés anzubieten und eine ganzjährig nutzbare Werkstatt für das Straßentheaterfestival. Was wie Tagträumerei oder Wolkenkuckucksheim klingt, war gut überlegt. Letztendlich aber scheiterte das Ganze an der Finanzierung, die für Investoren, die dort jetzt Wohnungen bauen, kein Problem war.

Crowdfunding startet

Damit seien die Optionen für solch ein Projekt in Suhl erschöpft gewesen, sagt Uller. Eine neue hat sich in Meiningen aufgetan. Hier steht das Kulturhaus der Eisenbahner zum Verkauf. Möglich, dass dann damit die Ära als Kulturhaus zu Ende ist und ein weiteres Wohnhaus entsteht. Das wollen die beiden nicht hinnehmen, ohne alles versucht zu haben, das Kulturhaus zu retten. Und auch ihren Lebenstraum. "Wir können nicht weniger, als genau diesen Lebensweg gehen."

Einen roten Teppich brauchen die beiden nicht, aber Unterstützung. Denn auch hier brauchen sie genügend Eigenkapital. Viel zusammen sparen konnten sie in der Vergangenheit nicht. Sie mussten investieren - vor allem in das Straßentheaterfestival, dass den Suhlern längst lieb gewordenes Stadtfest ist.

Deshalb gehen Anja Hüttner und Stefan Ulrich-Hüttner jetzt einen Weg, den schon viele gegangen sind, um durchstarten zu können - Crowdfunding. Das meint nichts anderes als eine alternative Finanzierung, die darauf basiert, dass Geldgebern auch Gegenleistungen geboten werden. Seien es Workshops, Freikarten für Cabaréts, Foto-Shootings oder auch die Organisation einer Feier mit Showprogramm. Allein die Gegenleistungen zeigen Konturen von dem, was in dem Kulturhaus passieren soll, wenn die Rechnung der beiden aufgeht.

Hier können Feste gefeiert werden. Hier kann und soll es vor allem aber eine Plattform für Künstler geben. Und Raum. Für Ateliers beispielsweise, für Werkstätten, für Seminare, für Proben, für Ausstellungen. Für konzeptionelle Lebenshilfe. Kino mit Filmen fernab des Mainstreams wäre möglich und die angrenzende, etwa 3000 Quadratmeter große Fläche bietet Platz für den Anbau von Lebensmitteln, für die Arbeit mit Kindern, für Sport und Spiel, für Kreativ-Märkte.

"Wir haben viel Energie und so viele Ideen, die auf Nachhaltigkeit setzen und darauf, für uns und die nächsten Generationen ein gesundes Umfeld zu schaffen", sagt Anja Hüttner. Sie sieht nicht zuletzt in der Kultur ein wichtiges Pfund für die Attraktivität einer Stadt, die für vieles maßgeblich ist. Vor allem für den Wohlfühlfaktor, der wiederum über den Zuzug von Familien und auch von Unternehmen entscheide.

Freilich sei Meiningen kleiner als Suhl. "Aber hier ist alles möglich, was wir können", so Uller, der auf Kompetenzen in Sachen Organisation auch internationaler Festivals, Cabaréts, Varietés sowohl in Berlin als auch in Suhl zurückgreifen kann. Erfahrungen damit, selbstständig und wirtschaftlich zu arbeiten, haben sie beide. "Wir haben Potenzial, das wir nutzen wollen. Für unsere Heimat und für unsere Zukunft. Und die ist nunmal das, was wir draus machen." Der Eigentümerin des Kulturhauses wäre es mehr als recht, wenn die beiden es schaffen und das Haus als das erhalten könnten, als das es saniert wurde. Damit hatte sie sich einen Lebenstraum erfüllt. Jetzt lässt ihr Alter die viele Arbeit nicht mehr zu. Christine Otto will verkaufen.

Unterstützung macht Mut

Dass der Anlauf für dieses Projekt wieder ein Kraftakt wird, dessen ist sich das Paar bewusst. "Mut macht, dass uns der Meininger Bürgermeister Fabian Giesder mit offenen Armen empfangen und Unterstützung zugesagt hat." Er sagt, dass so etwas in Meiningen gebraucht werde und dass er hoffe, dass das Projekt auch umgesetzt werden kann. Er hat bereits einen Beitrag geleistet über das Crowdfunding, das kürzlich gestartet ist. Förderungen sind avisiert. Aber erst, wenn die beiden das Haus erworben haben. Ungefähr 35.000 Euro müssen eingespielt werden, um die Eigenkapital-Decke sichern zu können. Eine Menge Holz.

"Als wir das erste Straßentheaterfestival mit dem Verein Kulttraum Suhl geträumt haben, war es auch nur eine Idee. Jetzt ist es seit sechs Jahren Realität. Warum also soll nicht auch dieser Lebenstraum Wirklichkeit werden?", so Anja Hüttner.

Informationen über das Projekt und das Crowdfunding unter

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www.visionbakery.com .

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