Manchmal sind Bücher auch zu etwas nutze", scherzt Landolf Scherzer. Samstagnachmittag sitzt er in seinem blaugrauem Kult-Pullover - ein Markenzeichen seiner Buchlesungen - im ARD-Forum, einer Art Fernsehstudio, das der Sender in Halle 3 der Messe eingerichtet hat. Wo immer er in Leipzig liest, wird er umringt von Zuhörern. Scherzer erzählt, wie sein China-Buch entstanden ist. Es ist die Geschichte eines Deutschen, der mit nur einem Buch im Gepäck ein halbes Jahr in tschetschenischer Geiselhaft verbracht hat. Und dieses Buch war ausgerechnet eines von Landolf Scherzer. Sie haben sich kennen lernen wollen. So kam es zur Einladung nach China, wo der Deutsche heute lebt und arbeitet. Das eine Buch hat gewissermaßen das andere initiiert.

Man könnte meinen, dass die leisen Geschichten von "Madame Zhou" oder dem "Fahrradfriseur" irgendwie untergehen im Anbetracht tausender Lesungen, die während der vier bunten, lauten Messetage überall in Leipzig abgehalten werden. Doch das Publikum weiß auszuwählen aus dem dicken Katalog von "Leipzig liest". Auch im "Zeitgeschichtlichen Forum" in der Innenstadt wollen am Freitagabend über hundert Menschen zuhören. So viele kann der Raum nicht fassen. An der Eingangstüre klebt schon eine halbe Stunde vor der Lesung ein Zettel: "Veranstaltung überfüllt". Scherzer lässt noch Stühle rund ums Podium aufstellen. Trotzdem sind einfach nicht alle unterzubringen.

"Euer Held, Euer Verräter"

Natürlich ist Landolf Scherzer nicht der einzige Südthüringer, der in Leipzig Gehör findet. Auch Skispringer Hans-Georg Aschenbach, der in Brotterode geboren wurde und heute in Freiburg lebt, liest und erzählt vor vollen Podien. Gleich vier Mal stellt er auf der Messe sein Erstlingswerk "Euer Held, Euer Verräter" vor. Erzählt vom schwierigen Umgang mit seiner Biografie. Warum seine Lebensgeschichte auch hier, fern von Suhl und dem Thüringer Wald auf großes Interesse stößt, erklärt sich der 60-Jährige so: "Nur wenige haben sich bislang die Mühe gemacht, ihre Sportkarriere in der DDR kritisch zu hinterfragen." Da gebe es noch immer Tabus, über die einfach nicht geredet werde.

Ein anderer Südthüringer Skispringer, der heute in Berlin lebt, erinnert sich am Sonntagnachmittag nur eine halbe Hallenlänge von Hans-Georg Aschenbach zurück an sein Sportlerleben: Helmut Recknagel stellt zwei Tage vor seinem 75. Geburtstag, den er morgen feiert, die erweiterte Neuauflage seines Buches "Eine Frage der Haltung" vor. Auch zu seiner Lesung im Messeforum von Halle 5 kommen alte Fans und viele Sportbegeisterte. Neben ihm sitzt sein Freund Manfred Witter, ein weiterer Südthüringer, der ein Buch zum 40-jährigen Jubiläum des Rennsteiglaufs geschrieben hat. Im Mai wird gefeiert auf dem Kammweg des Thüringer Waldes. Im April werden beide ihre Bücher auch in Suhl vorstellen.

Ein Österreicher mit Sommer-Wahlwohnsitz bei Elgersburg im Ilmkreis feiert auf der Messe dreijähriges Jubiläum: Herbert Schida, eigentlich Kraftwerksingenieur, hat gerade seine Romantrilogie über das Thüringer Königreich beendet. Der dritte Band "Die Spur der weißen Pferde" ist im Zella-Mehliser Heinrich-Jung-Verlag erschienen. Am kleinen Messestand des Verlags hat Schida seine Bücher stolz nebeneinander gereiht. Mittlerweile ist er zum regelrechten Experten für die frühmittelalterliche Geschichte Thüringens geworden, hat sorgsam recherchiert, ehe er seine Romane schrieb. Mit Lesungen und Vorträgen will er das Buch ab April vor allem in Schulen vorstellen.

Gespräche über Bücher

Der Ilmenauer Verleger Lutz Gebhardt feierte gestern sogar seinen Geburtstag auf der Buchmesse. 60 Jahre ist er geworden - zum 18. Mal ist er mit seinem 20 Jahre alten Verlag in Leipzig dabei. Natürlich hätte er auch Zuhause feiern können. Aber ein richtiger Verleger, der lässt natürlich selbst wegen eines runden Geburtstages keinen Messetag ausfallen. Und so steht Gebhardt selbst am Sonntagnachmittag noch am Stand und beantwortet Fragen der Messebesucher. Die Bücher - sie sind längst nur ein Teil der Messe. Genauso wichtig sind mittlerweile die Gespräche über sie, die Selbstvergewisserung der Autoren, wenn sie ihrem Publikum begegnen. Dass Thüringer Autoren dabei überall Gehör finden, mag überraschen. Doch die Antwort ist einfach: Sie haben eben etwas zu sagen.