Es ist mühsam, von und mit der Kunst zu (über)leben" schreibt Hendrik Neukirchner. Ein knapper Satz, den der Suhler Autor neben einigen anderen einem ungewöhnlichen Reiseführer vorangestellt hat, und der doch sehr viel aussagt. "Kunstpfade - Entdeckungen in der Thüringer Kulturlandschaft" heißt das Buch, und man ahnt beim Lesen schon an dieser Stelle, dass die Kunst den hiesigen Künstler wohl nicht unbedingt zum reichen Mann macht. Und doch ist es gerade dieser Satz, der Neugierde weckt: Was ist es, das die Künstler - egal ob in der Rhön, im Werratal oder im Thüringer Wald - diesen mühsamen Weg gehen lässt?

Eine Frage, die auch Hendrik Neukirchner umtrieb. Zweieinhalb Jahre lang hat er nach Antworten gesucht - und auch welche gefunden. Bei einer im Grunde genommen sehr privaten Reise durch die Thüringer Kunstlandschaft. 13 000 Kilometer legte er zurück. Begleitet vom Geraer Fotografen Ulrich Fischer fuhr er kreuz und quer durchs Land. Über 70 Mal stand er bei Künstlerinnen und Künstlern vor der Haustür, hat sich ihre Werke und ihre Ateliers angesehen, mit ihnen Tee getrunken, Kuchen gegessen, über die Arbeit geredet, über die Landschaft als Quelle für so manche Inspiration, aber auch über die Schwierigkeit, sich mit Kunst seine Brötchen verdienen zu müssen.

Bergauf oder bergab

Nun hat Hendrik Neukirchner, um im Bild zu bleiben, ein Porträt der Thüringer Kunstlandschaft gemalt. Lauter kleine Geschichten sind es, die wie Farbtupfer zu einem Werk zusammenfließen. Mit jeder weiteren Episode nimmt es beim Lesen Gestalt an und lässt dabei vor allem die Erkenntnis reifen, dass Kunst in Thüringen ohne die Natur nicht sein kann. Da sind zum Beispiel Susanne und Ulrich Precht aus Lauscha - beide Glaskünstler von Beruf. Steil bergauf und bergab geht es in der Stadt seit Menschengedenken. Je nachdem, in welche Richtung man eine Straße geht. Das Bild lässt sich übertragen: Auch mit Lauscha ging es immer wieder bergauf und bergab. In den letzten Jahren wies der Weg nach unten: Die Stadtkasse ist leer, jeder öffentliche Handschlag wird zur Mühe. So etwas färbt ab auf das Gemüt der Leute und die Arbeit der Künstler.

Hendrik Neukirchner beschreibt das Leben der Prechts, blickt zurück in ihren Lebensläufen, kramt nach dem Selbstverständnis einer Stadt, auf die die Künstler von ihrem Haus aus einen schönen Rundblick haben, über "schiefergedeckte Häuser und enge Straßen, die sich wie Bindfäden durch Schluchten und Hänge schlängeln". Irgendwann erklärt er auch, warum sie dennoch mit ihrem Künstlerdasein in Lauscha glücklich sind: "Da sind die Ruhe, die Stille, die spürbare Lautlosigkeit, die Schönheit des Waldes und der Wiesen, der Schluchten und der Gipfel." Zu ihrem Schieferhaus am Rande des alten Weges, der einmal nach Steinheid führte, sehnen sie sich zurück, wenn sie einmal ein paar Tage nicht Zuhause sind.

So wie die Prechts leben die meisten Thüringer Künstler abseits der großen Städte. Für den Thüringer Künstlerverband sind die "Kunstpfade" deshalb ein Buch über das Selbstverständnis und ein Reiseführer zugleich. "Unser Ziel war es, eine Kunstlandschaft vorzustellen", sagt Verbandssprecher Klaus Nerlich. So wird nicht nur Vielfalt aufgezeigt, sondern auch zum Wandern entlang der Kunstpfade eingeladen - ein Besuch im Ateliers inklusive. In Südthüringen zum Beispiel beginnt die Reise in Dermbach bei Beate Debus, führt über Wolfgang Nickel (Georgenzell) und Gudrun Dittmar (Aschenhausen) zu Udo Eisenacher nach Meiningen, von dort bis Georg Renner nach Sonneberg und zurück zu Jorge Villalba nach Friedrichroda - Zwischenstationen nicht einbegriffen.

Überfälliges Buch

"Was macht die Kunst? - Sie geht nach Brot", heißt es bei "Emilia Galotti". Mit dem, was man bieten kann, zu klappern, das tut die Thüringer Kunstszene noch viel zu selten. So gesehen waren die "Kunstpfade" eigentlich überfällig. Dem sehr persönlichen Blick des Autors Hendrik Neukirchner ist es zu verdanken, dass sie fürwahr eine Entdeckungsreise sind.

Das Buch ist zum Preis von 9,80 in den Geschäftsstellen unserer Zeitung oder unter 036 81/79 24 13 erhältlich.