Geschwitzt hat Heinrich Jung am Donnerstagvormittag. Nicht wegen der vielen eiligen Schritte durch die langen Gänge des gläsernen Messepalastes vor den Toren der Stadt. Und nicht wegen der Anstrengung, die es kostet, sich dabei durch all die vielen Menschen eine Schneise zu bahnen. In Halle 5, der am weitesten vom Eingang entfernten, hat der Zella-Mehliser traditionell seinen Stand. Immer an einer Ecke, wo sich Menschenströme kreuzen und die Bücher leichter ins Auge fallen.

Und immer zusammen mit zwei anderen Thüringer Kleinverlagen. Das spart Kosten, sagt Heinrich Jung. Gut zwei mal zwei Meter, ein Tischchen, vier hellgrün bezogene Stühle, zwei Regalwände für die Bücher und eine Kaffeemaschine - hier "leben" Heinrich und Ursula Jung bis Sonntag. Sie haben gelbe Tulpen mitgebracht und eine riesige Keksschachtel. Gemütlich soll es ja auch sein - zwischen all den Büchern.

Geschwitzt hat Heinrich Jung, weil Donnerstagvormittag, zehn Uhr, sein neuestes Buch noch immer nicht am Messestand war. Eine halbe Stunde später aber brachte ein Kurier die ersehnten Kartons. Druckfrisch im wahrsten Wortsinn räumten er und seine Frau die Bücher ins Regal. Da schlichen die ersten Neugierigen bereits um den Stand. Der Verleger beschäftigt sich immer wieder mit den Hinterlassenschaften der Nazi-Zeit - vor allem in Thüringen. Geheimnisse, Mythen, Technik und Historie finden einen treuen Leserkreis. Der Autor des neuesten Buches, Gert Dieter Schmidt, hat sich an die Fährten diverser Schatzsucher geheftet und dokumentiert die unendliche Suche nach dem Bernsteinzimmer.

Stolz ist Heinrich Jung vor allem auf einige Foto-Raritäten, die er in dem Buch abdrucken konnte. Das eigentlich nur Broschüre werden sollte. Aber, wie das eben so ist: Das Manuskript wuchs und wuchs, nun sind knapp 180 Seiten daraus geworden, auf denen Schmidt diverse Versuche, das Bernsteinzimmer zu finden, auflistet: Von der "Mär um Schloss Reinhardsbrunn, über - natürlich - die Bernsteinzimmer-Euphorie im Jonastal, die fieberhafte Suche in Sachsen und das "Geheim-Depot" in Böhmen bis hin zur heißen Spur, die angeblich zu den Schären führt. Am 7. April ist eine erste Buchlesung in Zella-Mehlis geplant.

Gespräche mit den Lesern

Die Jungs sind wohl die treuesten (Süd-)Thüringer Aussteller auf der Leipziger Buchmesse. Das 22. Mal, rechnet Ursula Jung, sind sie jetzt mit dabei. "Ein Auto hätten wir uns dafür kaufen können", lacht sie. Doch die jährliche Fahrt in die Messehallen ist mehr als nur die Aussicht, mit den Lesern ins Gespräch zu kommen. Hier können gerade kleine Verlage Optimismus schöpfen in Zeiten, in denen es nicht so gut läuft. Und es ist ja doch die Liebe zum Buch, für die es sich gerne vier Tage auf unbequemen Plastikstühlen zwischen Tulpen, Keksen und eben Büchern aushalten lässt.

So ähnlich sieht das auch Lutz Gebhardt. Zum 21. Mal breitet er seine Landkarten vor Leipziger Messebesuchern aus. Immer in Halle 3 und auch er immer an einer Ecke, wo alle entlang müssen. Anfangs war der gelernte Elektrotechniker Einzelkämpfer. Inzwischen betreut er mit seinen beiden Söhnen die "Verlagsgruppe Grünes Herz", zu der neben dem Landkartenverlag auch der Rhino-Verlag und der Demmler-Verlag gehören. Mit Spürsinn für das richtige Produkt hat er den Stammsitz Ilmenau mit den Jahren erweitert.

Niederlassungen gibt es inzwischen an seiner geliebten Ostsee - in Wustrow und in Ribnitz-Damgarten. "Die Messe", sagt er, "ist für mich noch immer das Schaufenster für das Publikum. Geschäfte mache ich vor Ort." In den Buchhandlungen oder Tourist-Infos entlang der Ostseeküste. Oder in Thüringen. Nur wenige Händler kommen an seinen Stand. Für Gebhardt ist das kein Problem: "Wir müssen beim Kunden präsent sein", sagt er. Mit seinem Messestand pflegt er verlegerisches Selbstbewusstsein, die Liebe zum Beruf. In Zeiten, in denen alle vom Niedergang des gedruckten Buches reden, ist das besonders wichtig.

"Die Bäume wachsen sicher nicht in den Himmel, aber ich kann auch nicht sagen, dass ich unzufrieden wäre", kommentiert er den Gang der Geschäfte. Sein Optimismus fußt auch auf eine Groß-Investition in Erfurt: Der Neubau eines Buchhandels-Logistikzentrums. "Hier", sagt Gebhardt, manifestiere sich doch gerade eine Bekenntnis zum Buch in haptischer Form.

Neben den Landkarten und Radfahrerkarten - die er zumeist selbst auf zwei Rädern austestet - sind für seine drei Verlage natürlich die Bücher das Kerngeschäft. Acht weitere Miniaturen seiner Westentaschen-Bibliothek sind pünktlich zur Messe erschienen - darunter das "Bratwurst-Buch" und ein ABC der Thüringer Schlösser oder der Wanderführer "Thüringer Wald", den er gerade in stark überarbeiteter Auflage herausgebracht hat. "Zum Nachwandern", wie er betont. Alle beschriebenen Strecken zwischen Eisenach und Neuhaus sind selbstverständlich von Profis getestet.

Ein Wiederholungstäter auf der Messe ist auch Bastian Salier. Nach fünf Jahren Pause ist der Leipziger Verleger, dessen Vater Hans-Jürgen Salier einst in Hildburghausen den Verlag "Frankenschwelle" gründete, wieder dabei. "Als optimistischer Einzelkämpfer", wie er betont. Mit einem befreundeten Hörbuchverlag, der E-Books seiner gedruckten Bücher herausbringt, teilt er sich einen Stand. "Thüringen - ein Panoptikum" von Tobias Prüwer heißt eines der Bücher, die er ins Messe-Regal geräumt hat. Sein Verlag kennt viele Themen - von der Geschichte der Dunkelgräfin bis hin zu den Thüringen-Krimis mit dem Kommissar Fest, von denen Karl-Heinz Großmann aus Sonneberg bereits einige Abenteuer zu Papier gebracht hat.

Der Krimi ist auch ein wichtiges Thema für den Erfurter Sutton-Verlag. Gerade hat er seinem Autoren Klaus Paffrath aus Riechheim im Ilm-Kreis den Thüringer Krimi-Preis 2014 verliehen. Einen rätselhaften Mord gilt es in geheimer Vorbereitung auf ein mögliches G8-Gipfeltreffen auf der Wachsenburg bei Arnstadt zu klären. Dennoch seien die Krimis nur ein kleiner Teil des Verlagsprogramms, sagt Marketingleiter Andreas Ströbel. Insgesamt rund 1100 Titel hat Sutton mittlerweile produziert - die allermeisten davon sind regionale Ortsporträts. Auch fast allen Städten Südthüringens hat der Verlag bereits regionalhistorische Schilderungen gewidmet. Einigen, etwa Hildburghausen, sogar mehrmals. "Wir wollen nicht nur Architektur, sondern auch Alltagsleben zeigen", beschreibt Ströbel die Absicht.

Architektur und Alltag

Ein Ortsporträt rund um den Inselsberg ist in Vorbereitung, ein Buch zum 100-jährigen Jubiläum der Saalfelder Feengrotten erscheint im April. Auch auf das buchhändlerisch gesehen glatte Parkett der Insider-Bücher traut sich der Verlag. Im April soll ein Buch über die Einsatzfahrzeuge der Thüringer Feuerwehr erscheinen. Doch Ströbel ist zuversichtlich, dass sich Käufer finden werden. Optimismus ist auch bei Sutton eine Tugend. Und die Liebe zum Buch. Die sieht man zum Beispiel dann, wenn Autor Klaus Paffrath stolz um das Regal schleicht, in dem die Exemplare seines Krimis aneinander gereiht sind.