Wie fängt man eine Hexe? Noch dazu eine, die goldene Ringe stielt? Nun, Flori hat da so seine Vorstellungen. Den Kater Garfield, weiß er, kann er dazu gut gebrauchen. Und es schadet bestimmt nicht, ein cleverer Junge zu sein. Denn dann. . . Wie dieses Märchen ausgeht, steht nicht hier, sondern auf Seite 88 in einem gerade gedruckten Buch. "Das Innere der Glaskugel ODER Tröstende Umarmung des Windes" haben es die sieben jungen Autoren genannt: Robert, Michele, Marie, Julia, Xenia, Martin und Virgenia. Die vier erstgenannten sitzen am Donnerstagabend aufgeregt in der Zella-Mehliser Stadtbibliothek. Gleich sollen sie vorlesen. Zum ersten Mal vor Publikum. Und zum ersten Mal sehen sie ihre Texte nicht mit Füller geschrieben, hat sie kein Computerdrucker ausgespuckt. Eilig reißen sie die Folie der Verpackungen auf, blättern neugierig, suchen ihre Texte. Wie sich das anfühlt - ein eigenes Buch!

Ein Jahr lang Schreiben

Es ist kein alltägliches Buch, das Robert, Michele, Marie und Julia in den Händen halten. Es sind auch keine alltäglichen Geschichten, die sie schrieben. Denn die drei Kinder und eine junge Erzieherin sind im Kinderheim Benshausen Zuhause. Deswegen ereilte sie eine fabelhafte Idee: Das Bundesbildungsministerium und der Friedrich-Bödecker-Kreis organisierten unter dem Titel "Kultur macht stark" ein Jahr lang Autorenpatenschaften für Kinder und Jugendliche, die sich schwer tun mit Lesen und Literatur. Einer der Paten war der Dietzhäuser Schriftsteller Landolf Scherzer, der schon lange auch eine Art Pate für das Kinderheim ist. Er schmiedete vor knapp einem Jahr zusammen mit der Zella-Mehliser Bibliothek und dem Thüringer Bödecker-Kreis den Plan, ein Buch zu schreiben. Die Autoren: Kinder und Jugendliche aus Benshausen. Dass sie nicht nur selbst kleine Geschichten aufschreiben würden, sondern auch eine große Geschichte über sie entstanden ist, hätten sie vielleicht gar nicht gedacht. Aber weil dies so ist, taucht der Leser des Buches ein in ein Abenteuer, bei dem er von der Schwierigkeit liest, ein Buch zu schreiben. Und von der beglückenden Aufgabe eines Autorenpaten, sieben junge Menschen ein Jahr lang durch ein Meer aus Träumen, Ängsten, Kämpfen und Sehnsüchten zu begleiten. Am Anfang stand die Aufgabe, überhaupt einen Stift in die Hand zu nehmen, Wünsche an den Weihnachtsmann zu formulieren. Sich ausdrücken, sich öffnen, etwas zu Papier bringen können und wollen, vertrauen haben - all das mussten die Kinder und Jugendlichen erst lernen.

Am Ende aber schaffen sie es zu wunderbaren kleinen Texten. Von der Hexe, der Glaskugel, dem Elefanten Willy oder der Freundin Janine. Und der Autor Landolf Scherzer, der auf vielen Seiten mal amüsant, mal berührend von der Arbeit in der "Wort-Werkstatt" berichtet, schreibt manchmal so, als hätte er nicht in einer Werkstatt, sondern in einem Bergwerk geschuftet. Ein Text, der dem Leser nahe geht! Ja, sie haben es ihm alles andere als leicht gemacht, die Jungen und Mädchen. Denn immer wieder kreuzen sich ihre komplizierten Lebensgeschichten - beim Reden, beim Schreiben. Und Landolf Scherzer will immer wieder Begeisterung schüren, mit seinen Worten, und auch mit Kuchen. Die Geschichten am Ende - sie mögen ein Ziel markieren. Doch eigentlich war der Weg dahin das Ziel.

Der Autor Wolfgang Held, dem nebenstehender kleiner Beitrag gewidmet ist, notierte einmal, dass es nur zwei Gründe zum Schreiben gebe: Schmerz und Freude. Wer die Geschichten der jungen Autoren liest, der weiß, wie sehr sie genau davon bewegt wurden.

Das Buch ist unter dem Titel "Autorenpatenschaften 2" beim Mitteldeutschen Verlag Halle/Saale erschienen und kostet 9,95 Euro.