Jena – Was sind das eigentlich für Leute – Helden? Aus welchen Holz werden sie geschnitzt? Wer hebt sie wann und warum auf einen Sockel? Und vor allem: Wer stößt sie wann und warum wieder herunter? Wie also sehen gute und wie schlechte Zeiten für Helden aus? Wer auf solche Fragen sofort eine Antwort weiß, den werden die Initiatoren eines ehrgeizigen Vier-Städte-Projektes zum Schillerjahr wohl mit Kusshand als Experten engagieren wollen. Um Helden soll sich nämlich alles drehen bei einem Kunstprojekt junger Leute aus Jena, Rudolstadt, Weimar und Meiningen zum Schillerjahr, das spannend werden könnte.

Vielseitiges Instrumentarium

Bemerkenswert daran: Die Kulturverantwortlichen der vier Schiller-Städte wollen unter der Schirmherrschaft des Schauspielers Thomas Thieme erstmals gemeinsam etwas zu Ehren des 250. Geburtstages des berühmten Dichterrebellen auf die Beine stellen. Ein Thüringer Modellversuch, der auch dem Kultusministerium gefiel. Es unterstützt die vier Städte finanziell. Schiller verstehen, so die Idee, kann nur, wer auch Schillers literarische Helden kapiert. Also wäre es doch schön, solchen Helden-Idealen mittels mehrmonatiger Projektarbeit einmal auf den Grund zu gehen. Und Antworten zu finden zum Beispiel auf die eingangs gestellten Fragen.

Das dazu erdachte Instrumentarium ist vielseitig. So plant die Stadt Jena eine „Heldenagentur“ in einem leer stehenden Laden in der Innenstadt. Sie soll die Heldenbilder Jenaer Bürger sammeln und herausfinden, was diese unter einer Heldentat verstehen. Die Stadt Meiningen plant unter der Ägide von Kulturamtsleiterin Dana Kern und der Theaterpädagogin Elke Büchner ein soziokulturelles Jugendprojekt mit dem Titel „Helden 009“. Junge Menschen zwischen 16 und 21 mit und ohne Handicap können sich mit der Frage beschäftigen, wo der Held in ihnen steckt. Fest vorgegeben ist dabei nichts, wer mitmacht, kann nach Lust, Laune und eigener Fähigkeit Tanz, Musik, Film, Performance, Theater oder Installation als künstlerische Ausdrucksform wählen.

Rudolstadt hat sich das Projekt „Räuber 2.0“ ausgedacht. Per Internetblog können Jugendliche gemeinsam eine Geschichte schreiben. Die zentrale Frage dabei: Welche Wertsysteme verkörpern Helden wie zum Beispiel Schillers Karl Moor? Am Ende soll daraus entweder ein Film oder ein Theaterstück entstehen. Die Stadt Weimar schließlich will gemeinsam mit dem Verein „DAS Jugendtheater“ unter dem Titel „Schiller ist er des Wahnsinns oder die wilden Jahre“ ein Schauspiel als biografische Annäherung an den jungen Dichter zur Bühnenreife bringen.

Bei aller Unterschiedlichkeit der Herangehensweise ist klar: Die Herausforderung des Projekts besteht darin, Helden von heute zu finden – und mit ihnen umzugehen. Dabei kann man es sich einfach machen und sagen: Den finde ich gut, das ist mein Held. Unzählige solcher Helden tummeln sich zu allen Zeiten in der Jugend- und Popkultur – und nicht nur da. Doch sind mit dem Begriff, wie ihn auch Schiller in seinen Werken vorgeführt hat, keine Figuren gemeint, die sich anhimmeln lassen, sondern menschliche Symbole, die eine bestimmte Haltung transportieren. Weil aber Symbole von der jeweiligen Gesellschaft abhängen, sind Helden wie kaum ein anderes kulturgeschichtliches Ideal im Licht der jeweiligen Zeit gebraucht und missbraucht worden. Man denke nur an die vielen sozialistischen Helden und an die, die von der nationalsozialistischen Ideologie zu Helden auserkoren waren.

„Heldenfest“ in Jena

Friedrich Schiller hat in seinen Werken vorgeführt, wie man mit solchen und mit solchen Helden umgeht. Zu den einen zählt zum Beispiel Fiesco, ein Intrigant der sich durch Macht korrumpieren lässt. Posa, ein Idealist, der für seine Idee die ganze Welt zu opfern bereit ist. Oder Philipp II., ein mächtiger, ein schwacher Mensch, wie gerade in „Dom Karlos“ auf der Meininger Theaterbühne zu besichtigen ist. Die anderen, das sind Carlos, Johanna von Orleans oder Wilhelm Tell. Beide Sorten Menschen finden sich auch hier und heute.

Nicht alle Ideen für das Helden-Projekt der vier Schillerstädte werden sich umsetzen lassen. Das Projekt ist letztendlich ein Experiment, das vom Mitmachen lebt. Inwieweit junge Thüringer dazu bereit sind, wird sich zeigen, wenn vom 25. bis 27 Juni das „Helden-Camp“ am Jenaer Volksbad aufgeschlagen wird. Alle Projekte werden beim großen „Heldenfest“ präsentiert, das dem Heldendenker Schiller und den Helden von heute gewidmet ist.