Autor, Clown, Schauspieler und Regisseur" - so sieht sich Steffen Mensching gerne selbst. Seit zwei Jahren leitet er das Rudolstädter Landestheater. "Intendant" wäre also der kleinen, selbstironischen Aufzählung ausgeübter Berufe noch hinzuzufügen. Schwer zu sagen, welcher Profession dem gebürtigen Ostberliner am besten gefällt. Seine erfolgreichste jedenfalls dürfte der Chefposten in Rudolstadt sein. Denn innerhalb dieser zwei Jahre hat Mensching - nach Vorarbeit von Axel Vornam, der das Haus auch einigermaßen unbeschadet durch die Irrungen der Althaus'schen Kulturpolitik steuerte - sein Theater zu einer Bühne gemacht, über die man gerne spricht.

Wie das geht? Vermutlich würde Mensching mit den Achseln zucken. Alles keine Zauberei. Er gibt seinen Schauspielern und Regisseuren einfach Raum, sich ihren Reim auf die Zustände im Land zu machen. Etwa mit einer zum Wendeherbstjubiläum im letzten Oktober geschriebenen "Antidepressionsrevue", die den schönen Titel "Drunter und Drüber" trägt - selbstverständlich aus des Intendanten Feder. Das Stück hat es sogar ans Berliner Gorki-Theater geschafft. Oder mit der erst vor wenigen Wochen inszenierten "Grönholm-Methode" von Jordi Galcerans. Auf der Hinterbühne nimmt das Publikum an einem Psychokrimi aus der modernen Arbeitswelt teil, der gnadenlos in seinen Bann zieht. Oder mit einer geradezu komischen Familientragödie des Pulitzer-Preisträgers Tracy Letts - von Regisseur Herbert Olschok mit so viel Ironie und Melancholie versehen, dass "Eine Familie" zu den besten Thüringer Inszenierungen der laufenden Spielzeit gehört.

Von der These zur Synthese

Wenn bei den Vorstellungen der Rudolstädter mittlerweile im Schnitt 80 Prozent aller Sitze belegt sind und wenn in der zurückliegenden Spielzeit 2008/2009 52 000 Besucher gezählt wurden - 4 000 mehr als in den Jahren zuvor - dann hat dieser Erfolg natürlich etwas mit der Künstlerperson Steffen Mensching zu tun. Sein Programm, den (ostdeutschen) Alltag mit engagierter, auch politisch motivierter Kunst zu spiegeln und zu brechen, kommt an. Es sind seine ironischen Reflexionen, ist sein Gespür für das rechte Maß von Komödie und Tragödie, die er seinem Publikum zumuten kann, ist sein Faible für Überraschungen und der stete Drang des Künstlers nach Kommentierung der Wirklichkeit, die sein Theater interessant machen. Aus den vielen Thesen und Antithesen der letzten beiden Jahre nun zur Synthese zu kommen, bezeichnet Mensching bei der Vorstellung des neuen Spielplans als Ziel für seine dritte Rudolstädter Amtszeit.

Ein anderer Wahl-Rudolstädter, hat es einmal so formuliert: "Ich möchte gern in dieser holperichten Welt einige Sprünge machen, von denen man erzählen soll." Dieses Schiller-Zitat fand Mensching so treffend, dass er es zum Spielzeitmotto machte. Natürlich nicht, ohne es für sein Theater anzupassen: "Wir möchten künstlerische Sprünge wagen, bei denen der Funke zu unseren Zuschauern so oft wie möglich überspringt", sagt Mensching. Viel spricht dafür, dass ihm das mit dem neuen Programm gelingt - auch wenn es vornehmlich keine Klassiker, sondern eher selten gespielte Stücke bietet, die Einfühlungsvermögen vom Zuschauer verlangen.

Schon die Eröffnungspremiere am 18. September beschäftigt sich mit einem schwierigen Thema. Darf ein Mensch selbst entscheiden, wann er von dieser Erde gehen will? Im Schauspiel "Der gute Tod" des Niederländers Wannie de Wijn wird die Frage nach Sterbehilfe gestellt. Mit Humor und Melancholie soll es in Rudolstadt inszeniert werden - als deutsche Erstaufführung. Das Kontrastprogramm folgt im Oktober. Pünktlich zum 20. Tag der Deutschen Einheit gibt es die Komödie "Biografie" von Max Frisch, in der es um die Brüche in den Lebensläufen der Menschen geht. Nicht von ungefähr bringt Mensching gerade dieses Stück in Rudolstadt auf die Bühne. Vor und nach Weihnachten darf sich das Publikum dann bei der Komödie "Der Held der westlichen Welt" des irischen Autors John Millington Synge und beim Schwank der Schwänke schlechthin, bei "Pension Schöller" entspannen.

Wieder geht's ums Geld

Insgesamt 13 Premieren im Großen Haus, fünf in der kleinen Spielstätte "Schminkkasten" und zwei weitere im Jugendtheater "Tumult" plant der Intendant. Neben den genannten verspricht "Lenz, Leonce & Lena" einen spannenden Theaterabend, eine Georg-Büchner-Collage, die der Dresdner Regisseur Matthias Reichwald in Szene setzen wird. Mit dem Schauspiel "Freunde, das Leben ist lebenswert" des Schweizer Autors Charles Lewinsky widmet sich das Theater dem Schicksal von Franz Lehárs Librettisten Fritz Beda-Löhner, der 1934 auf dem Ettersberg bei Weimar in Haft saß. Ein Gemeinschaftsprojekt von Schauspiel und Orchester. Und schließlich wollen Steffen Mensching und Michael Kliefert nach "Drunter und Drüber" wieder eine eigene Revue auf die Bühne bringen. In "Falschgeld" wollen sie sich als erfahrene Anlagenberater betätigen und verunsicherten Bürgern Tipps rund ums Geld geben.

Ob in der kommenden Rudolstädter Spielzeit Theater nicht nur vor, sondern auch hinter den Kulissen und gegebenenfalls auf öffentlichen Straßen und Plätzen gespielt wird, hängt vom Verlauf der Gespräche mit dem Kultusministerium ab. Im Herbst will Minister Christoph Matschie mit den einzelnen Trägern über die Finanzierung der Thüringer Theater und Orchester nach 2012 reden. Steffen Mensching verkündete gestern schon mal selbstbewusst seine Position: "Wir erwarten, dass das Land dem Theater die 700 000 Euro, die es ihm seinerzeit gekürzt hat, zurückgibt und noch 300 000 Euro drauflegt." So viel sei nötig, um das Haus in seiner jetzigen Form fortzuführen. Eine klare Botschaft - und eine mehr als angemessene. Kulturarbeit mit Herz, Witz und Verstand, die so viele Menschen bewegt, ist ihr Geld wert.