Hauptmanns Werke sind - um beim Theater zu bleiben - keine einfache Kost. Und sie gehören leider auch nicht (mehr) zum Standart-Repertoire hiesiger Bühnen. Obwohl es das Vermächtnis des schlesischen Dichters ist, als bedeutender Vertreter des Naturalismus die deutschsprachige Dramatik des ausgehenden 19. Jahrhunderts an die europäische Moderne herangeführt zu haben. So jedenfalls sieht es Franziska Ploetz, die Leiterin des Gerhart-Hauptmann-Museums auf der Insel Hiddensee - der Sommerfrische des Künstlers.

Aber wenn sie einmal auf dem Spielplan stehen, wie etwa 2014 das 1903 geschriebene Drama "Rose Bernd" am Meininger Theater, und wenn es dann eine Theatertruppe wie die Meininger auch noch versteht, das Werk zu knacken, kann daraus sehr viel mehr werden als nur ein Theaterabend. Denn Hauptmann berührt noch immer - vor allem mit seinen sozialkritischen Werken. "Rose Bernd" wurde 2014 als "Inszenierung des Jahres vom Meininger Theaterförderverein ausgezeichnet - und "Rose"-Darstellerin Anne Rieckhoff erhielt nicht zuletzt wegen dieser Rolle den renommierten Ulrich-Burkhardt-Preis.

Furore um "Die Weber"

Gerhart Hauptmann wird am 15. November 1862 als jüngstes von vier Kindern im schlesischen Badeort Ober-Salzbrunn geboren. Seine Eltern sind Hoteliers. 23 Jahre später heiratet er Marie Thienemann, zieht nach Erkner im Osten Berlins und schreibt seine ersten Werke, die umgehend Beachtung finden. Die Hochzeitsreise führt das Ehepaar nach Rügen und Hiddensee - hier wird Hauptmann seine letzte Ruhestätte finden. Das Sozialdrama "Vor Sonnenaufgang" bringt ihm 1889 in der preußischen Hauptstadt den Durchbruch. Nebenbei werden drei Söhne geboren.

Doch ihn zieht es zurück nach Schlesien. 1891 lässt er sich in Schreiberhau nieder, reist in die Gegend des berühmten Weber-Aufstandes von 1844 - sein Großvater war selbst ein armer, schlesischer Weber gewesen. Sein wohl berühmtestes Drama, "Die Weber" sorgt kurze Zeit später für Furore in Berlin. Kaiser Wilhelm II. kündigt nach der Aufführung seine Hofloge im Deutschen Theater.

Auch privat geht es für Hauptmann drunter und drüber. Im Alter von 42 Jahren lässt er sich 1904 von seiner Frau scheiden und heiratet erneut - die Schauspielerin und Friedensaktivistin Margarete Marschalk. Sechs Jahre später erscheint mit "Der Narr von Christo Emanuel Quint" sein erstes großes, episches Werk. Bereits zwei Jahre später findet sich Hauptmann im Zenit seiner schriftstellerischen Laufbahn wieder. "Vor allem als Anerkennung für sein fruchtbares und vielseitiges Wirken im Bereich der dramatischen Dichtung" erhält er 1912 den Literatur-Nobelpreis. In seiner Dankesrede spricht Gerhart Hauptmann am 10. Dezember in Stockholm über "das Ideal des Weltfriedens, das ja die letzten ideale der Wissenschaft und der Kunst in sich einschließt." Er muss es bereits geahnt haben: Nur eineinhalb Jahre später beginnt der Erste Weltkrieg, der am Ende über zehn Millionen Tote zeitigen wird.

Gerhart Hauptmann ist einer der wenigen großen Schriftsteller des späten 19. und frühen 20. Jahrhunderts, die sich explizit politisch einmischen. Bereits 1918 sucht er persönlichen Kontakt zum Reichspräsidenten Friedrich Ebert und bekennt sich zur Republik. Durch sein Wirken wurde er, wie Thomas Mann später schreibt, zum "König der Republik".

Von 1924 bis 1927 besucht Gerhart Hauptmann gemeinsam mit seiner Frau mehrfach den Kurort Bad Liebenstein und steigt im "Kaiserhof" ab. Seine Frau Margarete hat ein schweres Augenleiden und die Hauptmanns hoffen auf Hilfe beim berühmten Liebensteiner Augenarzt Maximilian Graf von Wiser. Während der längeren Behandlungen unternimmt der Schriftsteller ausgedehnte Spaziergänge über den Schlossberg zur Burgruine Liebenstein und zum Altenstein und stimmt sich auf neue Werke wie "Ulrich von Lichtenstein", "Dorothea Angermann" oder "Das Buch der Leidenschaft" ein. Bei einem seiner Spaziergänge vom "Kaiserhof" aus entsteht eines seiner lyrischsten Werke: "Der alte Birnbaum". Diesen Baum, von den Liebensteinern als "breiten Birnbaum" bezeichnet, hat es tatsächlich gegeben. Sein Standort war so markant, dass er bei Streitigkeiten zwischen den Gemeinden Schweina und Steinbach vor Gericht als Ortsbezeichnung verwendet wurde. Seit Anfang des 20. Jahrhunderts markierte der Baum den Weg zum Schloss Altenstein.

Besuche in Liebenstein

Wie zu erwarten, berichten viele Thüringer Tageszeitungen über den Aufenthalt Hauptmanns in Bad Liebenstein. Überraschend ist allerdings die Resonanz in den großen überregionalen Blättern. So schreibt die Königsberger Allgemeine Zeitung im Mai 1927: "Hauptmanns wohnen regelmäßig in dem schönen Kurhotel, sie wurden nicht müde zu rühmen, wie gut sie dort untergebracht sind." Im Kleinen Journal Berlin ist im August 1926 zu lesen: "Vor dem 'Kaiserhof' lösen sich die Autos der internationalen Gesellschaft in unaufhörlichem Reigen ab. Dort pflegt auch Gerhart Hauptmann zu wohnen, der Dichter der Republik." Und die Tilsiter Zeitung vermerkt im Juni 1925: "Das Hotel 'Kaiserhof' ist das Kurhaus. Ein hoch feudales Haus. Von außen wie ein Lustschloss anzusehen. Und innen - eine stimmungsvolle weiche Eleganz ..."

Gerhart Hauptmann arbeitet hier an verschiedenen Werken und pflegt die Geselligkeit. Der Schriftsteller Harry Graf Kessel hält in einer Tagebuchnotiz im Juni 1927 fest: "In einer Runde im Hotel zu Bad Liebenstein liest Hauptmann aus dem 'Till', ein Jahr vor Erscheinen des Buches. Das Urbild des Till ist Krafft Christian Tesdorph, der im Ersten Weltkrieg als Flieger kämpft, verwundet wird und nach Hiddensee kommt." Wieder lässt Hauptmann die Insel nicht los. In Hauptmanns Epos "Till Eulenspiegel" fährt Till mit seinem Gauklerkarren durch das Land und spricht mit des "Volkes Stimme" über "die unselige Zerrüttung unseres Reiches, über Armut, Hunger und Not nach dem großen Krieg."

Auf dem Aschenberg erfreut sich der Dichter am Panorama des Thüringer Waldes mit dem Altenstein und der Rhön. 2007 besucht seine in Wiesbaden lebende Enkelin Ingeborg Hauptmann diesen Platz und enthüllt mit einer Erinnerungstafel den "Gerhart-Hauptmann-Blick".

1932 unternimmt Gerhart Hauptmann auf Einladung der New Yorker Columbia University eine Amerikareise, um aus Anlass des 100. Todestages von Goethe an den deutschen Nationaldichter zu erinnern. Seine erste große Goethe-Rede, die über Rundfunksender der USA, Kanada und auch in Deutschland verbreitet wird, hält er im Theater dieser Universität. Diese Rede wiederholt er auch in Cambridge und Washington, wo ihn Präsident Hoover im Weißen Haus empfängt. Von einem Reporter der Detroit Sunday Times nach Hitler befragt, erklärt er: "Hitler ist ein Experiment. Deutschland kann sich solche Experimente nicht leisten. Ich sehe schwere Wolken am Horizont." In seinem Tagebuch schreibt Hauptmann am 1. März 1933: "Mit dem Brande des Reichstagsgebäudes in der Nacht vom 26. zum 27. Februar schließt das Deutschland ab, in dem ich seit 1862 gelebt habe."

Während der sogenannten Machtergreifung der Nazis befindet sich Hauptmann in Italien und kommt erst Mitte Mai 1933 nach Deutschland zurück. Er spürt die unangenehmen Veränderungen im Land, die beginnende Hetze gegen die Juden und persönlich erlebt er, dass Schulen und Straßen, die seinen Namen tragen, umbenannt werden. Viele seiner Freunde, die emigrieren, wenden sich von dem 71 Jahre alten Dichter ab - weil er in Deutschland und sein Verhältnis zu den Nationalsozialisten ambivalent bleibt. Besonders beschimpft wird er von Alfred Kerr. Manche sehen Hauptmanns Bleiben heute als "innere Emigration", wobei die Fehleinschätzung des Dichters hinsichtlich des Nationalsozialismus unbestritten ist. Er nimmt auch die Ehrungen zu seinem 75. und 80. Geburtstag 1937 und 1942 dankend an. Für Goebbels ist er - wie viele andere Künstler auch - "für die kulturelle Legitimation des Nationalsozialismus in der Welt" unverzichtbar, wenn er auch Hauptmanns Werke als "weinerliche Mitleidsdichtung" mit "passiven" Helden ablehnt.

Gerhart Hauptmann erlebt den Untergang Hitler-Deutschlands am Beispiel der Vernichtung Dresdens am 13./14. Februar 1945 persönlich. Zu Kriegsende ist er in seinem Wohnort Agnetendorf, wo er am 6. Juni 1946 stirbt - kurz bevor er wie alle anderen Deutschen auch von dort hätte vertrieben werden sollen. Sein Leichnam kann dank des energischen Engagements der Sowjetadministration - Hauptmann wird in der Sowjetunion hoch geschätzt - und gegen polnische Widerstände in einem Sonderzug nach Stralsund überführt werden. Am 28. Juli 1946 wird er auf den Inselfriedhof in Kloster/Hiddensee beigesetzt.