Der Räuber Hotzenplotz, das ist ein - nein, kein ganz, ganz Schlimmer. Wer Hotzenplotz heißt, der kann nicht wirklich böse sein. Das weiß der Autor Otfried Preußler, und das weiß auch der Schauspieler Matthias Herold. Wenn es plötzlich rummst und nebelt, wenn die Türen des Kleiderschrankes in Kasperls Zimmer auffliegen, und der Schatten einer grimmigen, mit Messern und Pistolen bewaffneten Gestalt im Raum steht - klar, da kriegt das Kasperl erst mal einen Schrecken. Ein Räuber ist, nun ja, erst mal ein Räuber. Und doch liegt in dieser Figur ein sanfter Zug von Menschlichkeit, der sich auf der Meininger Bühne mit Ironie zu erkennen gibt. Ach, da kann der bärtige Hotzenplotz noch so böse dreinschauen, das Messer zücken, das Kasperl und seine Freundin Sepperl in die Räuberhöhle sperren - die großen und kleinen Kinder im Publikum spüren längst: Diese Geschichte wird gut ausgehen.

Das Weihnachtsmärchen ist Tradition am Theater - nicht nur in Meiningen. Und wer meint, die fluffige Unterhaltung fürs Familienpublikum sei fürs Theater angesichts meist ausverkaufter Vorstellungen eine lohnende und überdies leicht zu servierende Schauspielkunst - der irrt. Das Weihnachtsmärchen ist Magie. Es soll verzaubern. Dazu aber muss es sich aller Mitteln der Sinnes-Kunst bedienen. Genau so, wie Regisseur Thomas Helmut Heep die Geschichte vom Räuber Hotzenplotz am Meininger Theater zu einem schaurig schönen Märchen spinnt.

Und ein Märchen will erzählt werden. Das klingt zwar ganz altmodisch, aber Heep nimmt das Erzählen wortwörtlich, setzt Kasperls Großmutter (Anja Lenßen) auf die Bettkante des kleinen, zipfelbemützten Wüterich, der sein Zimmer übrigens aufräumt wie wohl so mancher im Publikum: Kiste auf, alles rein, Deckel zu, und voller Erwartung lauscht. Ein Märchen, tja, was braucht man in einem jeden Märchen? Richtig, einen Bösewicht! Und schon rummst sich der Räuber ins Kinderzimmer. Und plötzlich ist die Oma weg, und Kasperl und Sepperl, die beiden Helden, mitten in dem Abenteuer drin. Wie auch das Publikum im Saal, das gar nicht mitbekommt, mit wie viel Geschick (und Bühnenkunst) der Regisseur einen jeden im Saal hineinzieht in diese Abenteuer.

Sand statt Gold

Was macht ein Räuber? Er räubert! Eine Kiste, auf der Gold drauf steht, aber nur Sand drin steckt - so herrlich blöd ist der. Aber immerhin so kräftig, um Kasperl und Sepperl in der Räuberhöhle einzusperren. Und so listig, das Sepperl, das der Depp für den Kasperl hält, an seinem Kumpel, den Zauberer Zwackelmann als Arbeitskraft zu verhökern. Und auch hier wissen der Autor Otfried Preuß und der Schauspieler Peter Liebaug: Wer Zwackelmann heißt, der kann nicht wirklich böse sein. Seine roter, voluminöser Aufzug soll zwar jedem Angst einjagen, und auch hat der Zauberer die Gabe, einen Räuber in einen Gimpel, und eine Fee in eine Unke zu verwandeln - aber es verlangt ihn nach gepellten Pellkartoffeln zum Lunch. Vor so einem Zauberer muss man sich nun wirklich nicht fürchten.

Und so ist es die Kunst dieses Weihnachtsmärchens, vor allem zu erzählen. Zu zeigen, wie das geht: In ein Märchen verführen. Das ist anderes, als "Hänsel und Gretel" oder "Cinderella" auf der Bühne zu spielen. Diese Geschichten kennt jeder. Hier aber fügt sich Fantasie um Fantasie zu einem Märchen. Und das geht, weil die Mitspieler genau ihre Figuren treffen, die sie ganz sanft mit entwaffnender Ironie überziehen. Und das geht, weil Christian Rinke so ein zauberhaftes Bühnenbild gebaut hat: Grün und Blau die schaurige Stimmung, mit geheimnisvollen Kleiderschränken, düsterne Wäldern und rätselhaften Geheimgängen, die sich plötzlich per Drehbühne auftun. Da möchte man doch glatt selbst mal den Helden spielen!

Weitere Vorstellungen: 15./17./22. November und im Dezember. Karten unter Tel. 03693/451222