Feuilleton Chor-Treffen der Generationen

Yvonne Unger mit ihren Kindern Julia und Armin - an beide hat sie Ihre Leidenschaft für den Chorgesang weitergegeben. Foto: ari

Zum großen Chorfestival am 30. September im CCS haben wir den renommierten Rundfunkjugendchor Wernigerode eingeladen. Viele ehemalige Sängerinnen und Sänger leben in Südthüringen - sie alle wollen an diesem Tag in Suhl zusammen kommen.

 
Schließen

Diesen Artikel teilen

Wernigerode - das ist jetzt fast 30 Jahre her. Aber für Yvonne Unger doch so alltäglich, dass sie einen kurzen Moment überlegen muss, um die Jahreszahl richtig zusammenzubekommen. "Von 1984 bis 1988 war ich dort", sagt sie. "Für mich waren das vier Jahre, die mein ganzes Leben geprägt haben." Wernigerode - das ist ihr Synonym für den "Rundfunk-Jugendchor". Ein 1951 gegründetes Ensemble, das sich schon zu DDR-Zeiten in die internationale Spitze der gemischten Jugendchöre gesungen hat. Dass Wernigerode für die in Hirschendorf (Kreis Hildburghausen) lebende Kreischorleiterin und Standesbeamtin ziemlich gegenwärtig ist, liegt an Tochter Julia: Sie singt aktuell im Rundfunkjugendchor mit - und wird auch am 30. September in Suhl auf der Bühne stehen.

Dazu gedrängt habe sie Julia nicht, bekennt Yvonne Unger. "Das war ihre eigene Entscheidung". Sie habe dem Wunsch Ihrer Tochter zwar aufgeschlossen gegenüber gestanden, sie aber nicht ermuntert. Vermutlich, weil Wernigerode eben nicht nur Chorsingen bedeutet, sondern auch Landesmusikschule. Und die ist logischerweise mit einem Internat verbunden - heute wie damals. Für keine Mutter ist es leicht, ihren Sprössling für viele Tage des Jahres außer Haus zu wissen: "Julia wollte es unbedingt", sagt sie. Dieser Wunsch hat sie dann doch fasziniert.

Hochsaison im Advent

Wernigerode im Süden Sachsen-Anhalts - das bedeutet aus Südthüringen betrachtet 230 Kilometer und locker dreieinhalb Stunden Autofahrt. Dabei ist die Welt durch die Autobahn schon ein bisschen kleiner geworden. Zu DDR-Zeiten war das noch eine richtige Weltreise. Yvonne Unger erinnert sich an schöne Zeiten im Internat, an der Schule, und natürlich an die Gastspiele, die sie als Chorsängerin in das Leipziger Gewandhaus, den Berliner Republik-Palast und im Vorfeld des Honecker-Staatsbesuches 1987 sogar ins Saarland führten. "Es gab aber auch schlimme Zeiten", erinnert sie sich. Im Advent - traditionell Hochsaison für Chorsänger - sei sie manchmal auch ziemlich einsam und traurig im stimmungsvoll geschmückten Wernigerode herumgeschlichen. "Da hat mir das Zuhause schon gefehlt", sagt sie. Das Gefühl kennen wohl auch die Jungen und Mädchen, die heute im Rundfunkchor singen. Nur war es damals fast unmöglich, mit dem Elternhaus Kontakt aufzunehmen - es sei denn per Post. Heute kann sich jeder via Skype das heimische Wohnzimmer quasi ins Internat holen.

Die Aufnahmeprüfungen allerdings sind ähnlich streng als in den Achtzigerjahren. 40 bis 50 Kinder und Jugendliche werden pro Jahrgang an der Landesmusikschule aufgenommen. Nicht alle singen natürlich im sogenannten Auftritts-Chor mit. Dafür muss man sich erst qualifizieren. Die musikalische Ausbildung ist damals wie heute breit gefächert und reicht von Gesang, über Instrumental-Unterricht, Musikgeschichte, Dirigieren und Chorleitung bis hin zu Stimmbildung. Auch das begründet das hohe Niveau der Wernigeröder. Für diese umfängliche musische Ausbildung ist Yvonne Unger noch heute dankbar.

Nach ihrer Chor-Zeit ist sie an die Weimarer Musikhochschule gewechselt. Von dort hat sie auch den betagten Blüthner-Flügel, der in den Wendetagen ausrangiert wurde. Er steht noch heute in ihrem Wohnzimmer - und ist unverzichtbares Instrument, wenn sich allsonntäglich Chorsängerinnen und Sänger von "Cocktail a cappella" bei ihr Zuhause zur Probe treffen. Als Kreischorleiterin betreut sie gleich mehrere Chöre: Den Gemischten Chor und den Männerchor Schönbrunn, den Projektchor "Sängerkreis Hildburghausen" und eben ihren 2004 gegründeten kleineren Singekreis "Cocktail a cappella". Dieser Chor, in dem Sängerinnen und Sänger aus Thüringen und dem benachbarten Franken mitsingen, schaffte es auch in die Auswahl für die Chor-CD unserer Zeitung - und er wird am 30. September auch beim Ersten Thüringer Chorfestival in Suhl zu hören sein.

Ehemalige gesucht

Yvonne Unger ist aber nicht die einzige "Ehemalige" aus Wernigerode, die im Süden Thüringens Zuhause ist. Die Idee, beim Chorfestival zu einem kleinen Treffen der Absolventen des Landesmusikgymnasiums einzuladen, stammt von ihr. Wir wollen gerne dabei mithelfen, und hoffen dass sich möglichst viele ehemalige Chorsängerinnen und Chorsänger auf der CCS-Bühne versammeln werden. Und vielleicht davon erzählen, wo und wie sie sich heute musikalisch betätigen. Die Initiatoren des Festivals - unsere Zeitung, die Rhön-Rennsteig-Sparkasse und der Verein Provinzkultur - sind überzeugt: Die Wurzeln, die einst in Wernigerode gelegt wurden, wirken heute erfolgreich in der Thüringer Chormusik-Szene.

Erstes Südthüringer Chorfestival am 30. September im CCS. Karten in den Geschäftsstellen unserer Zeitung oder unter Tel. 03681/792413. Die Doppel-CD wird an diesem Tag zum ersten Mal verkauft.

Autor

Bilder