Warum gibt es heftige Kritik an den polnischen Behörden?
Seit Bekanntwerden der Katastrophe auf deutscher Seite wächst der Unmut gegenüber den polnischen Behörden. Das Bundesumweltministerium beklagt, dass die für solche Ereignisse übliche Meldekette nicht funktioniert habe. Die deutschen Behörden hätten sich von der polnischen Seite „nicht gut informiert“ gefühlt. Dass Informationen über das Fischsterben aus Polen die deutsche Seite erst sehr spät erreicht hätten, erschwere jetzt das Identifizieren der Schadensursache, erklärte Bundesumweltministerin Steffi Lemke (Grüne) am Montag.
Warum die Informationen so spät ankamen und sogar den polnischen Regierungschef Mateusz Morawiecki erst in der vergangenen Woche erreichten, blieb zunächst unklar. Am Sonntag waren die zuständigen Regierungsvertreter aus Deutschland und Polen zu Beratungen zusammengekommen, um die Koordination zu verbessern.
Könnten in Polen Giftstoffe in die Oder gekippt worden sein?
Polens Regierung vermutet, dass der Fluss mit Chemie-Abfällen vergiftet wurde. „Es ist wahrscheinlich, dass eine riesige Menge an chemischen Abfällen in den Fluss gekippt wurde, und das in voller Kenntnis der Risiken und Folgen“, sagte Regierungschef Morawiecki am Freitag. Die polnische Polizei hat eine Belohnung von umgerechnet 210 000 Euro für die Aufklärung ausgesetzt. Die Staatsanwaltschaft ermittelt. In polnischen sozialen Medien wurde zeitweise spekuliert, eine Papierfabrik in der Nähe des Ortes Olawa habe den Fluss verseucht. Das Unternehmen hat dies dementiert und erklärt, dass es weder Mesitylen noch Quecksilber für seine Produktion verwende. Beide Stoffe hatten zunächst im Verdacht gestanden, die Katastrophe verursacht zu haben.
Wie schätzen die deutschen Behörden das Ausmaß der Katastrophe ein?
Das Bundesumweltministerium spricht von einer „fürchterlichen Umweltkatastrophe“ mit länderübergreifenden Auswirkungen. „Das, was wir jetzt beobachten in der Oder, also das Fischsterben auf polnischer und auf deutscher Seite, ist aus unserer Sicht ein großes Ereignis. Also, es ist ein großer Schadensfall, der unbedingt aufgeklärt werden muss“, sagte Ministeriumssprecher Ulrich Schulte am Montag in Berlin.
Der BUND-Gewässerexperte Sascha Maier schätzt die Menge der in den vergangenen Tagen verendeten Fische in der Oder auf bis zu 100 Tonnen. Das sei eine Hochrechnung auf Grundlage der Meldungen über einzelne Sammelaktionen, sagte der Experte der Umweltorganisation am Montag der dpa. Die Umweltkatastrophe betreffe die Oder auf etwa 500 Kilometer Länge.
Könnte sich das Fischsterben ausweiten?
Das wird derzeit befürchtet. In Mecklenburg-Vorpommern sind die zuständigen Behörden in Alarmbereitschaft. Im Fokus steht dabei vor allem das Stettiner Haff, ein inneres Küstengewässer, in das die Oder mündet und das mit der Ostsee verbunden ist. Derzeit würden Proben aus dem Haff zur Analyse entnommen, erklärte Till Backhaus (SPD), Umweltminister von Mecklenburg-Vorpommern, am Montag. Indes wurden im Stettiner Haff auch Ölsperren eingerichtet, um eine größere Ausbreitung von möglichen Fischkadavern zu verhindern.