Ukraine-Krieg „50 Jahre Städtepartnerschaft sind kein Fähnchen im Wind“

Die Stadt Suhl will an ihrer langjährigen Städtepartnerschaft mit dem russischen Kaluga festhalten. Dafür sprechen sich Oberbürgermeister André Knapp und die Fraktionen des Stadtrates unisono aus.

 
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Teilnehmer der Bürgerreise aus Suhl zum Kalugaer Stadtjubiläum im August 2019 am Eingang zum Park der Kultur und Erholung. Foto: Archiv/Kummer

Suhl - Seit mehr als 50 Jahren gilt die Städtepartnerschaft zwischen Suhl und dem russischen Kaluga thüringen- , wenn nicht sogar deutschlandweit, als Vorzeigepartnerschaft zwischen beiden Ländern. Angefangen mit Begegnungen bei Freundschaftszügen über viele Austausche auf Verwaltungsebene und Schülertreffen bis hin zu gemeinsamen Projekten zur Aufarbeitung der Vergangenheit, etwa zum Tag der Befreiung am 8. Mai oder dem Schülerprojekt zu sowjetischen Zwangsarbeitern in Suhl.

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Soll der jetzt von Russland vom Zaun gebrochene Krieg gegen die Ukraine all das mit einem Federstrich beenden? Diese Frage steht nach einer Empfehlung des Chefs der Thüringer Staatskanzlei, Benjamin Immanuel Hoff, angesichts des Krieges, russisch-deutsche Städtepartnerschaften in Thüringen zumindest auf Eis zu legen, im Raum.

Entschließungsantrag

In Suhl lehnen Verwaltungsspitze und Stadtrat dieses Ansinnen unisono ab. Die 1969 begründete Partnerschaft soll fortgeführt werden. „Wir halten es für wichtig, auf unserer niedrigen, kommunalen Ebene den Dialog aufrechtzuerhalten“, sagt Oberbürgermeister André Knapp. Freilich könne man dabei nicht einfach zur Tagesordnung übergehen. Es sei keine Frage, dass der Überfall Russlands auf die souveräne und unabhängige Ukraine verurteilt und der Krieg unverzüglich eingestellt werden müsse. „Aber wenn wir einen neuen, ehrlichen Dialog der Verständigung und des Vertrauens mit einer friedlichen Zukunft für uns, unsere Kinder und Enkel in Kaluga und in Suhl wollen, ist es wichtig, die Zusammenarbeit mit der Zivilgesellschaft nachhaltig zu fördern“, sieht es Knapp. Das will die Stadt so auch in einem Entschließungsantrag formulieren, der als Dringlichkeitsantrag auf die Tagesordnung der Stadtratssitzung am Mittwoch gesetzt werden soll. Zugleich werden mit der Entscheidung die politischen Verantwortungsträger in Kaluga dringen gebeten, Putin zur Beendigung des Überfalls aufzufordern. In einem ersten Kontakt zwischen Knapp und dem Stellvertretenden der Stadtduma, Iwanow, hatten beide Seiten am Wochenende ihren Willen zur Fortsetzung und Festigung der Städtepartnerschaft bekundet, wenngleich die Meinungen zur Ursache des Krieges zwischen beiden Kommunalpolitikern deutlich auseinandergehen. „Ein Abbruch der belasteten Beziehungen zwischen den Menschen unserer beiden Städte ist keine geeignete Reaktion auf die gegenwärtigen kriegerischen Handlungen“, sagt die Fraktionschefin der Freien Wähler/Grünen-Fraktion, Ingrid Ehrhardt. So sieht es auch SPD-Frontfrau Karin Müller: „Die zivilgesellschaftlichen Kontakte zwischen unseren Städten dürfen wegen Putins Machenschaften nicht abgebrochen werden!“

„Brücken offenhalten“

„Putin will den Krieg – nicht die Menschen in Russland oder in Kaluga“, sieht es Linken-Fraktionschef Philipp Weltzien. Es sei wichtig, Probleme und Positionen gegenüber Russland deutlich zu machen, die Brücken der Zivilgesellschaft aber offenzuhalten. Staatskanzlei-Chef Hoff sieht Weltzien missverstanden. „Ihm ging es darum, den Krieg und die deutsche Position dazu in den Städtepartnerschaften zu thematisieren.“

Auch Tobias Uske, Fraktionsvize der CDU, spricht sich für eine Fortsetzung der Partnerschaft aus. „Man sollte das russische Volk nicht für die Kriegstreiber in Moskau in Geiselhaft nehmen, sondern im Gegenteil die zivilgesellschaftliche Zusammenarbeit stärken.“ Die Kontakte auf kommunaler Ebene sollten den Menschen in den Partnerstädten dienen und nicht zum Spielball aktueller Konflikte mutieren“, stellt AfD-Fraktionschef Bernhard Meinungen fest. 50 Jahre Städtepartnerschaft seien kein Fähnchen im Wind und sollten weiter gepflegt werden, meint er.

Auch wenn es gerade utopisch klinge, müssten Städtepartnerschaften nicht nur fortgesetzt, sondern intensiviert werden, macht Martin Kummer deutlich. Dabei dürfen Probleme nicht unter den Tisch gekehrt werden, meint der Vorsitzende der Deutsch-Russischen Freundschaftsgesellschaft in Thüringen, der seit Jahrzehnten die zivilgesellschaftliche Zusammenarbeit mit Russland vorantreibt.

„Wir sollten mit allen Seiten im Dialog bleiben, uns alle Meinungen anhören – aber auch unsere Meinung deutlich machen.“