Thüringer helfen "Plötzlich war da überall Rauch"

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Flammen und Wasser haben dem Streufdorfer Hans Paasch am 8. September nahezu alles genommen: Seine Frau Hedi, sein Haus, sein Hab und Gut. Hündchen Robby ist ihm geblieben und gibt ihm Halt. Den findet er auch im Kreise seiner Familie.

 
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Streufdorf - Er kann sich an jedes Detail erinnern. "Wissen Sie, meine Frau schlief immer lange. Bis 11 Uhr. Sie ist krank gewesen", erzählt er. Er hingegen sei zeitig aufgestanden und habe sich dann im Laufe des Vormittags ums Mittagessen gekümmert. "Sie hat mir geholfen bei dem, was sie noch konnte. Mit Vorliebe hat sie Gemüse geschnippelt." Hans Paasch, der als Grenzer nach Streufdorf kam, lächelt, wird aber sofort wieder ernst. An jenem Dienstagmorgen war sie auch noch im Bett. Die 86-Jährige schlief und er war in der Küche zugange. Pflaumenmus wollte er kochen - nach dem Rezept seiner Frau. Die Margarine war schon in der Pfanne, der Herd angeschaltet. Und da klingelte es an der Haustür. "Ich bin rausgegangen - und habe mich unterhalten", erzählt Hans Paasch weiter. Plötzlich war da Rauch. Er habe sofort gewusst, was passiert war und stürmte ins Haus. Hans Paasch wollte in die Küche, um den Topf vom Herd zu nehmen. Doch das war zu diesem Zeitpunkt schon unmöglich. Noch einmal versuchte er es. Keine Chance. Eine Leiter holten er und sein Besucher in Windeseile. Das Fenster vom Kinderzimmer im Obergeschoss wollten sie einschlagen, damit der Rauch abzieht. Schließlich lag ja seine Frau noch im Bett . . . "Mir ging's um meine Frau. Sachwerte waren mir völlig egal. Die sind ersetzbar." Inzwischen hatte die Nachbarin die Feuerwehr alarmiert. "Es kam mir ewig vor, bis sie eintraf", erinnert er sich. Sekunden sind da so lang wie Minuten, Minuten wie Stunden.

53 Jahre verheiratet

53 Jahre waren Hans und Hedwig Paasch verheiratet. "Sie fehlt mir", sagt er mit bebendem Kinn. Was ihm geblieben ist, ist sein Hund Robby, ein Zwergschnauzer. Den rettete die Neugier, denn er sei beim Klingeln mit dem Herrchen vor die Tür gelaufen. "Er ist mein Ein und Alles. Nach meiner Frau nahm er Rang zwei ein", gibt Hans Paasch zu.

Robby ist nun mit umgezogen. Zu Sohn Bernd (einem von vier Söhnen) und dessen Frau Elke. Beide kümmern sich um den 77-Jährigen, helfen bei dem, was zu regeln ist. Und da gibt es einiges. Die Beerdigung von Hedi beispielsweise. Die ist in einer Woche, am 26. September, um 13.30 Uhr. Das werde ein harter Tag, sind sie sich sicher. Doch danach wird Hans Paasch erst einmal für ein paar Tage zu seinem Bruder Wolfgang nach Eisenhüttenstadt fahren. Um Abstand zu bekommen von dem, was passiert ist. Wenn er dann wieder zurück ist, steht ein Umzug an. "Der Sohn eines guten Freundes hat angeboten, dass ich ins Haus seines Vaters ziehen kann. Das ist möbliert", erzählt der 77-Jährige. In der Ortsmitte liegt es - ideal für den Mann, der nicht mehr so gut zu Fuß ist. Neue Möbel, die brauche er nicht, sei nicht anspruchsvoll, möchte nur wieder etwas Eigenes haben. Selbstständigkeit ist ihm enorm wichtig. Die möchte er sich so lange wie es irgend geht erhalten.

Er scheint sehr gefasst. Doch in ihm sieht es anders aus. "Ich trauere auf meine Art, möchte nicht behätschelt und betätschelt werden", sagt er. Und doch ringt er immer wieder mit den Tränen. "Mir ist bewusst, dass meine Frau nicht in den Flammen gestorben ist, sondern an Rauchvergiftung." Und wahrscheinlich, so vermutet er, sei sie nicht einmal mehr aufgewacht. Diese Erkenntnis ist ihm wichtig, hofft, dass sie nicht leiden musste. Eine kurze Pause. Es muss weiter gehen, er müsse nach vorne schauen, sagt er immer wieder. "Ich bin dankbar für jede Spende."

Als er an jenem Dienstag aus dem Haus trat, hatte er nur Latschen an und eben das, was er am Morgen angezogen hatte. Und wenig später war von all seinen restlichen Sachen nichts mehr übrig. Verbrannt waren seine Kleidung, die Dia-Sammlungen und Tonaufnahmen des Hobbyfotografen, alle technischen Geräte des Technikfreaks. Mittlerweile hat die Familie Kleidung zusammengetragen und er ist ausgestattet worden. Auch seine Nachbarn Conny und Thomas haben sich rührend gekümmert. "Sie haben ihn sofort zu sich reingeholt und er kann dort auch jederzeit hingehen", freut sich Schwiegertochter Elke. "Dafür Dankeschön!"

Haus ist abrissreif

Jeden Tag besucht er sein Haus, das er - gemeinsam mit seiner Frau - um- und ausgebaut hat. Viel Arbeit haben die beiden investiert, um es heimelig zu machen. Nun ist alles verbrannt. Nur der Garten am Haus, die Garage, die Werkstatt und der Hühnerstall sind übrig. Dort beschäftigt sich Hans Paasch jeden Tag. Und dorthin möchte er auch irgendwann einmal zurück. Nicht ins abgebrannte Haus. Dass das unmöglich ist, ist ihm klar. "Mein Haus ist abrissreif."

Wenn die Versicherung grünes Licht gibt, dann wird's abgerissen. Doch vielleicht gibt es eine Möglichkeit, dass auf seinem Grund und Boden wieder etwas entsteht? Etwas kleines. Darauf hofft er. Doch was letztendlich wird, das steht heute noch in den Sternen . . . Die Zeit wird's zeigen.

Spendenaktion

Wenn Sie, liebe Leser, helfen möchten, dann können Sie das mit einer Spende auf das Konto des Vereins Freies Wort hilft e.V. tun (IBAN DE39840500001705017017 bei der Rhön-Rennsteig-Sparkasse). Überweisungen sollten mit dem Zusatz "Streufdorf" versehen sein. Jeder von Ihnen gespendete Cent kommt bei Hans Paasch in Streufdorf an. Auf Wunsch erhalten Sie eine Spendenquittung.

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