Thüringer helfen "Bei so etwas muss man einfach helfen"

Gigantisch. Anders lässt sich die Welle an Unterstützung für die Familie Rehberg nach dem tragischen Geisterfahrer-Unfall auf der A73 nicht beschreiben. Und es geht weiter.

 
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Das Hilfswerk

Dass Berichte über schlimme Schicksale die Z eitungsleser berühren und sie zu großzügigen Spenden bewegen: So kennen es die Vorstandsmitglieder von "Freies Wort hilft" seit vielen Jahren von ihren Südthüringern. Das Ausmaß von Mitgefühl und Solidarität aber, dass sich nach dem tragischen Tod der dreifachen Familienmutter Verena Rehberg nach einem Geisterfahrer-Unfall auf der A73 Ende März ausbreitete: So etwas hatte Barbara Gerhardt noch nie zuvor erlebt. "Ich wollte nach dem Spendenaufruf die ersten Kontoauszüge bei der Sparkasse abholen. Doch dann streikte der Drucker. Papier alle - es waren einfach zu viele Auszüge", berichtet die Suhlerin, die für die Finanzen des Zeitungs-Hilfswerks zuständig ist.

Bis heute hat Barbara Gerhardt fast täglich die angenehme Arbeit, die Spendeneingänge unter dem Stichwort "Rehberg" zu registrieren. Auf mehr als 90 000 Euro ist die Summe inzwischen angewachsen. Es ist der größte Betrag, der jemals für eine individuelle Hilfsaktion zusammen gekommen ist - nur bei den großen Erdbeben- und Flutkatastrophen in Sachsen, Ostthüringen, Sri Lanka Haiti und kam mehr zusammen.

Das Geld kann Christoph Rehberg und den drei Kindern in Waffenrod bei Eisfeld nicht die Mama ersetzen - aber der bescheidenen Familie doch helfen, den Schicksalsschlag wenigstens einigermaßen frei von finanziellen Sorgen zu meistern - mit dem Gefühl, dass die Mitmenschen die Rehbergs nicht alleine lassen.

Die ersten Spender

"Einfach ein Hammer, was dieser Familie passiert ist." Dieser Satz des Schleusinger Transport-Unternehmers Olaf Dobberkau spiegelt die Emotionen vieler Menschen aus der Region wieder, die sie ergriffen, als sie in der Zeitung von den so gebeutelten und doch so wackeren Rehbergs lasen. Das Todesopfer, die Mutter, so plötzlich, mitten aus dem Leben gerissen, völlig unverschuldet auf einer Autobahn, die so viele Südthüringer kennen. Dobberkau und seine Frau Alexandra gehörten zu den ersten, die es nicht beim bloßen Mitgefühl beließen: Sie bliesen eine Investition in die Firmen-Heizung ab und spendeten die 4000 Euro den Rehbergs. "Sehr gut angelegtes Geld ist das", sagt der Unternehmer.

Auch beim Arbeitgeber des Witwers saß der Schock tief. Glatte 10 000 Euro überwies die Kölner Firmenzentrale der Eisfelder DSD-Recyclingfirma an "Freies Wort hilft" Betriebsrat und Kollegen sammelten zusätzlich mehr als tausend.

"Ich war genau zur Unfallzeit auf der Autobahn", berichtete Kristin Bock mit stockender Stimme wenige Tage danach am Telefon. Die Suhlerin mit Arbeitsort Coburg organisiert das Sommer-Event "Suhl leuchtet" - und will dort Geld sammeln.

Genau das haben viele Südthüringer bei etlichen Veranstaltungen bereits gemacht. Die Schleusinger Feuerwehr - deren Männern und Frauen die Autobahn 73 von vielen Einsätzen bekannt ist - stellte bei ihrem traditionellen Tag der offenen Tür am 1. Mai eine große Spendenbox auf. Die Lehrer und Eltern der Grundschule Suhl-Heinrichs widmeten den Schul-Flohmarkt den Rehbergs - 1100 Euro wurden eingenommen.

Auch die "Rennsteig-Helden" - eine Gruppe autoverrückter ehemaliger Oberhofer Leistungssportler - ließen sich nicht lumpen: Sie spendeten 1000 Euro aus dem Erlös einer 9000-Kilometer-Benefiz-Rallye, auf der sie voriges Jahr die Ostsee umkurvt hatten.

Weniger abenteuerlich, doch ebenso beherzt zeigten sich die Sängerinnen und Sänger des Frühlingskonzerts in der Kirche von Hinternah, die den Erlös ihres Auftritts (350 Euro) ans Hilfswerk weiterleiteten. Aus der gleichen Gegend und in ähnlicher Größenordnung spendeten mit dem SV Engertal und dem SV Nahetal zwei Sportvereine.

Aus dem fernen Sauerland meldete sich Ulf Schneider, der als Jagdpächter öfter in der Region weilt und so von dem Geschehen erfahren hatte. Er erzählte seinen Jägerfreunden davon und versteigerte kurzerhand für 1000 Euro ein Pfingst-Jagdwochenende in seinem Revier bei Eisfeld. "Das Feedback war überwältigend", berichtet Schneider. Ihn beeindruckten die vielen Rückmeldungen und spontanen zusätzlichen Einzelspenden seiner - zumeist westfälischen - Freunde so, dass er jetzt für eine weitere Jagd trommelt.

Die stillen Geldgeber

So wichtig diese öffentlichen, ansteckenden Spenden-Aktionen sind, so beeindruckend ist die hohe Zahl derjenigen, die ohne viel Aufhebens schlicht und einfach Geld überwiesen haben. So viel, wie sie entsprechend ihren finanziellen Verhältnissen halt erübrigen können.

Mehr als tausend (tausend!) Namen stehen auf diese ganz normalen Spenderliste: Fünf Euro, zehn, 20, 50 Euro haben sehr viele Leser gegeben, auch 100, 250 Euro sind keineswegs seltene Beträge. "Bei so etwas muss man einfach helfen", so haben einige gesagt und viele gedacht: Mitmenschlichkeit, die in der Summe eine unglaubliche Kraft entfaltet.

Auch höhere Einzelbeträge sind aufs Konto eingelaufen: Mehrmals 500 oder 1000 Euro, einmal gar 2000 Euro.Unter Spendernamen, die dem Hilfswerk unbekannt waren und aus Städten, die oft erstaunlich weit entfernt sind vom Ort des schrecklichen Geschehens. "Freies Wort hilft" kennt das aus andern Aktionen: Die stillen Spender, die einfach Gutes tun, ohne es an die große Glocke zu hängen oder irgend eine Gegenleistung zu erwarten. "Wir danken ausdrücklich auch diesen vielen großzügigen Unterstützern", sagt Hilfswerks-Vorsitzender Kersten Mey.

Die zupackenden Helfer

Und auch der dritten Gruppe von Helfern kann gar nicht genug gedankt werden: Firmen und Handwerker, die nicht einfach Geld springen lassen, sondern bei denen Chefs und Mitarbeiter ihre Kenntnisse und ihre Arbeitskraft gratis in den Dienst der guten Sache stellen.

Wie etwa die beiden Installateure der Firma Heiko Malter aus Neustadt bei Coburg. Sie kümmern sich um den neue Öl-Heizkessel, den die Rehbergs in ihrem sanierungsbedürftigen Haus in Waffenrod dringend nötig haben. Alle Arbeitsleistungen wurden gespendet, die Materialkosten einfach durchgereicht. Timo Schübel vom Heizungs-Großhändler Brötje bei Weimar machte einen Super-Niedrigpreis. "Freies Wort hilft"musste so nur 3000 Euro drauflegen, damit es die Rehbergs im nächsten Winter warm haben.

Auf die gleiche Weise sorgt der Fensterbauer Christoph Hengelhaupt aus Zella-Mehlis dafür, dass das Wohnhaus 14 neue Fenster, Rolläden und eine Haustür bekommt - für gerade einmal 4300 Euro.

Die Familie

So viel Selbstlosigkeit auf einmal: Da bleibt ein hilfreicher Betrag übrig, der Christoph Rehberg und den drei Kindern ihren Weg etwas erleichtert. Ein solides Auto ist gekauft, ein alter Kredit abgelöst. Die dringendsten Arbeiten am Haus können gemacht werden, der monatliche Familien-Etat ist erstmal gesichert. Wie die Familie dank der Hilfe wieder auf die Beine kommt - darüber berichten wir demnächst ausführlicher.

Lesen Sie hierzu auch: Riesige Spendenbereitschaft für die Rehbergs aus Waffenrod  und

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