Erfurt - Die Abgeordneten der rot-rot-grünen Koalitionsfraktionen haben sich nicht auf eine einheitliche Linie im Streit um die Parlamentsunwürdigkeit einigen können. Nach Informationen unserer Zeitung wird deshalb während der Landtagssitzung am Mittwoch der Paragraf nicht aus dem Abgeordnetenüberprüfungsgesetz gestrichen werden, der es derzeit noch ermöglicht, einen Parlamentarier als „parlamentsunwürdig“ zu kategorisieren. Für eine Verabschiedung der entsprechenden Anträge aus dem Lager von Rot-Rot-Grün gibt es keine ausreichende Mehrheit unter den Parlamentariern von Rot-Rot-Grün. Vor allem innerhalb der SPD-Fraktion hatte es zuletzt massiven Widerstand gegen das Vorhaben der Koalitionsspitzen gegeben, die Parlamentsunwürdigkeit abzuschaffen.

Ein Sprecher der Linke-Fraktion bestätigte unserer Zeitung am Mittwochmittag, dass Rot-Rot-Grün das Thema nun vertagt, statt es in dieser Plenarsitzung abschließend zu beraten. „Die Koalitionsfraktionen haben sich geeinigt, nach Abschluss des Gesetzgebungsverfahrens des Bundes das Thema erneut anzupacken“, sagte er. Das Thüringer Abgeordnetenüberprüfungsgesetz macht nur im Zusammenhang mit bundesrechtlichen Regelungen Sinn, die derzeit überarbeitet werden. Wann diese Überarbeitung abgeschlossen sein wird, ist derzeit unklar.

Hintergrund des Streits ist die Frage, ob es in Thüringen weiterhin möglich sein soll, einen Abgeordneten als „parlamentsunwürdig“ einzustufen, wenn er eng mit den Sicherheitsbehörden der DDR zusammengearbeitet hat. In der Vergangenheit waren die Linke-Abgeordneten Ina Leukefeld und Frank Kuschel wegen ihrer jeweiligen IM-Vergangenheit mit dieser Bezeichnung belegt worden. Die Gegner der Parlamentsunwürdigkeit argumentieren, das Grundgesetz verbiete es, einem Menschen seine Würde abzusprechen. Die Befürworter der Parlamentsunwürdigkeit – und anderem die CDU-Abgeordneten – halten dagegen, werde einem betroffenen Abgeordneten abgesprochen nicht seine Menschenwürde abgesprochen, sondern seine moralische Berechtigung, im Landtag in Frage gestellt. Sein Mandat verliert ein Abgeordneter auch dann nicht, wenn er als parlamentsunwürdig eingestuft worden ist. Der Vorsitzende der CDU-Fraktion im Landtag, Mike Mohring, hatte erst in der vergangenen Woche erklärt, er setze darauf, dass die Argumente der CDU auch einzelne Abgeordnete von Rot-Rot-Grün in ihrer Haltung bestärken dürften.

Der Vorgang ist auch im formalen Landtagsverfahren eine Niederlage für Rot-Rot-Grün: Im Justizausschuss hatte die Koalition die Abschaffung der Parlamentsunwürdigkeit erst vor wenigen Tagen mit ihrer Mehrheit durchgesetzt. Zur Durchsetzung des gleichen Vorhabens im Landtag fehlen ihr nun aber die eigenen Stimmen. sh