Thüringen Ramelow ruft zur Einhaltung der Corona-Regeln auf

Ministerpräsident Bodo Ramelow (Die Linke): Die Wirkung des Lockdowns wird davon abhängen, dass wir alle dazu beitragen. Foto: Martin Schutt/dpa

Während das Thüringer Landesparlament am Dienstag zu einer Sondersitzung zusammenkam, gab es Demonstrationen wegen des teilweisen Lockdowns. Unterdessen steigen die Infektionszahlen weiter. Landtagsabgeordnete pochen auf ein Mitwirkungsrecht bei künftigen Corona-Entscheidungen der Regierung.

 
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Erfurt - Angesichts weiter steigender Zahlen von Corona-Infektionen in Thüringen hat Ministerpräsident Bodo Ramelow (Linke) die Thüringer aufgerufen, die neuen Regeln zur Eindämmung der Corona-Pandemie einzuhalten. «Die Wirkung des Wellenbrechers, der seit Montag in Kraft ist, wird davon abhängen, dass wir alle dazu beitragen», sagte Ramelow am Dienstag in Erfurt in einer Sondersitzung des Parlaments zur Corona-Pandemie. Die Zahl der täglichen Neuinfektionen sei in Thüringen von einigen Dutzend pro Tag im März auf jetzt täglich 196 gestiegen.

Thüringens Landtagsabgeordnete pochen auf ein Mitwirkungsrecht bei künftigen Corona-Entscheidungen der Regierung, die tief in Bürgerrechte eingreifen. Ministerpräsident Bodo Ramelow (Linke) und sein Kabinett wurden von mehreren Fraktionen aufgefordert, regelmäßig über die Entwicklung der Pandemie und ihre Auswirkungen zu informieren. Vor dem Erlass neuer Verordnungen sei das Parlament zu beteiligen, heißt es in einem Antrag, der in den Ausschüssen weiter beraten wird.

Beantragt wurde das Sonderplenum von der oppositionellen CDU-Fraktion, die seit Wochen mehr Parlamentsbeteiligung verlangt. Änderungen an der Corona-Verordnung, die seit Montag gilt, nahm der Landtag nicht vor. Über einzelne Korrekturvorschläge, wie die schnelle Öffnung des Vereins- und Breitensports oder von Teilen der Gastronomie, soll zunächst weiter beraten werden.

Ramelow nannte das Herunterfahren großer Bereiche des öffentlichen Lebens in einer Regierungserklärung eine Notbremsung, um die schnelle Ausbreitung des Virus zu stoppen. «Glauben Sie mir, ich hätte gern andere Möglichkeiten genutzt, als diese Notbremsung», sagte er. Wirksame Maßnahmen müssten in erster Linie lokal oder regional eingesetzt werden.

Ramelow machte deutlich, dass der Landtag an Entscheidungen beteiligt werden müsse. Je länger eine Krise anhalte, «umso wichtiger ist es, die verfassungsmäßigen Wirkungsprozesse zwischen der Regierung und dem Parlament wieder in den Normalzustand zurückzuführen», sagte Thüringens Regierungschef. Er begrüßte Pläne im Bund, die gesetzliche Grundlage für Corona-Maßnahmen zu präzisieren. «Darum habe ich seit Monaten gekämpft.» Der Impuls, die Parlamente zu beteiligen, sei von Thüringen ausgegangen.
Der Linke-Politiker kritisierte Menschen, die offenbar ihren demokratischen Kompass verloren hätten. Das gelte für diejenigen, die ohne jede Einschränkung ihres Demonstrationsrechts und der Meinungsfreiheit «davon faseln, wir würden in einer Diktatur leben oder in unserem Land würden vermeintliche Kriegskabinette regieren», so Ramelow.

CDU-Fraktionschef Mario Voigt verlangte von der Landesregierung einen Winterfahrplan für Bürger und Wirtschaft durch die Corona-Krise. Es müsse jetzt mit den Bürgern, aber auch im Parlament darüber geredet werden, wie es nach dem Teil-Lockdown im November weitergehen solle. Dazu gehörten aus Sicht seiner Fraktion kurzfristige Verbesserungen im Gesundheitswesen, eine solide Finanzierung der Gesundheitsämter und die Frage, wie die Wirtschaft und die Gastronomie bei hohen Sicherheitsvorkehrungen weiterlaufen könnten.

Es gelte, die Regeln zur Eindämmung der Pandemie einzuhalten, aber auch Perspektiven zu eröffnen, sagte Voigt. Dazu gehörten auch wirkungsvollere finanzielle Hilfen für die Betroffenen. Dafür plädierte auch SPD-Fraktionschef Matthias Hey. Auch die Fraktionsvorsitzende der Grünen, Astrid Rothe-Beinlich, sprach sich dafür aus, jetzt eine Strategie zum Hochfahren des öffentlichen Lebens unter Pandemie-Bedingungen zu erarbeiten.

FDP-Fraktionschef Thomas Kemmerich sagte, «wir sind nicht für den pauschalen Lockdown». AfD-Fraktionschef Björn Höcke kündigte Widerstand seiner Fraktion an, notfalls auch rechtlich. Für Äußerungen, dass mit Tests eine «künstliche Pandemie» erzeugt würde, erntete Höcke Widerspruch der anderen fünf Fraktionen. Um die Abstandsregeln einhalten zu können, tagte das Parlament in der Steigerwald-Arena als Ausweichquartier.

Am Rande der Sondersitzung des Thüringer Landtages demonstrierten laut Polizei Hunderte Menschen gegen den neuerlichen Teil-Lockdown mit Schließung von Gastronomie sowie großer Teile des Kultur-, Freizeit- und Sportbetriebs. «Ich halte diese pauschalen Corona-Maßnahmen für unangemessen», sagte Ute Bergner, Landesvorsitzende des Vereins «Bürger für Thüringen», der zu einer der beiden angemeldeten Demonstrationen in Erfurt aufgerufen hatte. Bergner ist auch FDP-Mitglied und sitzt für die FDP-Fraktion im Thüringer Parlament.

Nach Angaben der Erfurter Polizei versammelten sich bei der Demo der «Bürger für Thüringen» vor dem Steigerwaldstadion etwa 150 Menschen. Bei der Demonstration der AfD, die wenige Meter entfernt stattfand, kamen laut Polizei ebenfalls rund 150 Menschen zusammen.

Das Gesundheitsministerium meldete am Dienstag eine Gesamtzahl von 7404 Infektionen mit dem Sars-CoV-2-Virus. Dies seien 168 mehr als am Montag (Stand jeweils 0.00 Uhr). Innerhalb der vergangenen sieben Tage hätten sich 1383 Thüringer neu infiziert. Auf 100.000 Einwohner des Landes kamen danach 64,8 Neuinfektionen innerhalb einer Woche.

Da die Gesundheitsämter der Kommunen und Landkreise ihre Zahlen zu unterschiedlichen Zeiten melden, ist die Gesamtlage jedoch unübersichtlich. So berichtete das Gesundheitsministerium für die Stadt Erfurt von drei Neuinfektionen seit Montag. Die Kommune selbst meldete dagegen 43 neue Fälle (Stand jeweils 8.00 Uhr).

Laut Gesundheitsministerium gelten 5260 der Infizierten nach Schätzungen als genesen. 210 Menschen seien an oder mit einer Covid-19-Erkrankung gestorben. Derzeit würden 35 Patienten auf Intensivstationen behandelt.

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