Kalkhake, hauptberuflich Kriminalbeamter in Suhl, hatte 2005 selber im Südthüringer Wahlkreis für den Bundestag kandidiert, landete aber hinter SPD und Linker nur auf Platz 3. Später scheiterte Kalkhake auch als Bewerber für ein Landtagsmandat und den Suhler Oberbürgermeister-Posten, wurde schließlich Fraktionschef im Stadtrat. Mark Hauptmann stieg zunächst 2008 per Mitarbeiter-Job in Christian Hirtes Bundestagsbüro ins Berliner Polit-Geschäft ein, trat dann 2013 erstmals für das Südthüringer Direktmandat an, siegte haushoch und holte damit den Wahlkreis von der Linken zurück Dies sei nach den kummervollen Jahren der erste große Erfolg für die CDU gewesen, die damals „mit ,Nichts‘ wieder von vorn anfangen musste“ schreibt Kalkhake und betont: Er selbst sei es gewesen, der Hauptmann damals von der Kandidatur überzeugt habe.
„Ich erkannte, dass ein Bundestagsmandat überhaupt nicht zu mir passte. Du warst im Begriff dich zu verändern. Ich habe auf dich eingeredet und dir erklärt, dass du genau der Richtige dafür wärest. Was ist seither geschehen? Was ist mit dir passiert? Wir waren alle stolz auf dich, dass du in stürmischen Zeiten unerschrocken unsere Meinungen in Berlin vertreten hast. Die Politik der CDU hat sich so verändert, so weit entfernt von dem, wofür wir damals alle eintraten. Du warst einer der wenigen, der uns den Glauben erhielt.
Was ist passiert mit dir, Mark? Was? Wie konntest du aus dem Elend Kapital schlagen? Habe ich es nicht sehen wollen, dass du schon immer so warst, oder wann bist du so geworden?“
Zurück blieben nun „Menschen, die den Glauben in die Handlungsfähigkeit unseres Staates ohnehin verloren haben. Menschen, die an dich glaubten und dir bis heute die Treue hielten. Ein „Scherbenhaufen. Und dann, in der Stunde der möglichen Wahrheit, hast du uns noch belogen. Mark, meine Enttäuschung ist grenzenlos. Meine Bindung mit der CDU war bereits erodiert. Du bist mir nun noch in den Rücken gefallen.“
Hauptmann müsse nun sein Stadtratsmandat und alle kommunalpolitischen Funktionen niederlegen. „damit wir hier zumindest handlungsfähig sind“, so Kalkhake.
Auf diesen Rückzug Hauptmanns wartete die Suhler CDU auch am Freitag vergeblich. Auch nach dem Parteiaustritt, zu dem er sich am Freitag nach eindringlichen Appellen durchrang, blieb eine Antwort aus. Hauptmanns Stadtrats-Stuhl blieb bei der Sitzung am Mittwoch leer.
Aber wo befindet sich Mark Hauptmann überhaupt? Seit seinem Rücktritt als MdB vor zwei Wochen hat er sich öffentlich nicht mehr weiter zu den Vorwürfen geäußert, seit Donnerstag soll nun auch Funkstille mit den Parteifreunden herrschen. Inzwischen kümmert sich sein Anwalt um die juristische Seite.
Er wird genug zu tun haben.
So begründen die Ermittler in dem Durchsuchungsbeschluss gegen Hauptmann ihren Verdacht auf Bestechlichkeit unter anderem damit, dass er von der Frankfurter Firma TY-Capital, deren Masken er vermittelt haben soll, schon im April 2020 Geld bekommen hat. Genau 40 000 Euro soll das Unternehmen an Hauptmann damals überwiesen haben. In dieser Zeit hatte Hauptmann dringend benötigte Masken an die Landkreise Sonneberg und Hildburghausen sowie ans SRH-Zentralklinikum Suhl vermittelt im Gesamtwert von 230 000 Euro. Hauptmann hatte mehrmals betont, dafür keine Provisionen bekommen zu haben. Alle drei Abnehmer beteuern, selbst keine Provisionen beglichen zu haben.
Rund zehn Monate später, heißt es in dem Durchsuchungsbeschluss – der unserer Zeitung vorliegt – weiter, habe das Unternehmen eine noch viel, viel größere Summe an Hauptmann gezahlt. Genau genommen an die Firma „HGC Hauptmann Global Consult GmbH“ mit Sitz im brandenburgischen Zossen, die er Ende Juli 2020 gegründet hatte und die Anfang September ins Handelsregister eingetragen wurde. Im Februar 2021 habe das Unternehmen aus Frankfurt-Rödelheim insgesamt 957 000 Euro an das Unternehmen in Zossen überwiesen, heißt es in dem Dokument. Hauptmanns Firma habe diesen Betrag vorher bei dem Maskenlieferanten in Rechnung gestellt – offenbar für einen von ihm vermittelten Umsatz in Höhe von 7,5 Millionen Euro.
Nach dem vergleichsweise bescheidenen April-Geschäft mit den Südthüringer Abnehmern muss es also erheblich größere Folgeaufträge gegeben haben, die TY-Capital für Hauptmann abgewickelt hat.
Nur welche? Wo? Und mit wem?
Nicht nur diese derzeit völlig offenen Fragen werden die Ermittler in diesen Tagen beschäftigen.
Sie beziehen auch die Parteispende über 7000 Euro, die TY-Capital wenige Wochen vor der Millionen-Zahlung an Hauptmann an die Suhler CDU überwiesen hatte, in die Nachforschungen ein. Die Ermittler halten die Spende, deren Entdeckung am 12. März das Drama um Hauptmann zugespitzt hatte, für unzulässig im Sinne des Parteiengesetzes. Hierzu läuft noch ein separates Verfahren bei der Bundestagsverwaltung, die das immer noch prüft. Der Suhler CDU droht im schlimmsten fall eine Strafzahlung von 21 000 Euro.
Und schließlich: Auch in den Aktivitäten Hauptmanns für andere Staaten – genannt werden Aserbaidschan, Vietnam, Taiwan – und deren Anzeigen im vom ihm verantworteten „Südthüringen-Kurier“ stufen die Ermittler den Unterlagen zufolge als Beleg dafür ein, dass es den Verdacht der Bestechlichkeit gibt.
Entsprechend umfangreich ist das, wonach Polizei und Staatsanwaltschaft während der Durchsuchung vom Donnerstag gesucht haben: unter anderem alle Arten von Akten und Verträgen und Schriftstücken, die sich mit der Anbahnung von Masken- und Anzeigengeschäften befassen, E-Mails, Festplatten, Sticks, Handys. In Hildburghausen wurden zwei Computer beschlagnahmt. In Suhl waren mehrere bereits dem Bundestag übergeben worden, nun zogen die Kriminalbeamten eine Kopie des Rechners eines CDU-Mitarbeiters, der auch als Wahlkreismitarbeiter Hauptmanns angestellt war. Dieser war möglicherweise einer der wenigen CDUler, die schon vor der Berichterstattung über die Maskengeschäfte mit TY-Capital von der Spende hätten wissen können.
Die beiden Stellvertreter des Suhler CDU-Vorsitzenden Hauptmann wollen nichts davon geahnt haben – und stärkten auch dann noch ihrem Ex-Parteichef den Rücken, als sie vor zwei Wochen die zweifelhafte Spende einräumen und der Öffentlichkeit erläutern mussten, dass von nun an alles aufgeklärt werde. „Wir lassen Mark Hauptmann nicht darnieder gehen, nur weil er einen Fehler gemacht hat. Wir stehen zu ihm“, sagte damals einer der beiden Vizes.
Es war Martin Kummer, der einst abgewählte Oberbürgermeister, der fünfzehn Jahre nach seinem steilen Weg nach unten immer noch da ist – in dieser Suhler CDU, die jetzt wieder vor genau dem „Nichts“ steht, aus dem Mark Hauptmann sie damals erlöste.
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