EM-Orakel Loskriechen und schon haben sie den Salat?

Anpfiff – Frankreich hat sich wenigstens ein bisschen bewegt. Foto:  

Wie das erste Vorrunden-Spiel für die Jogi-Elf bei der Fußball-EM wohl ausgeht? Wir haben das Orakel befragt. Eine zähe Angelegenheit, die sich nicht in 90 Spiel-Minuten erledigen lässt.

 
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Suhl - Warum müssen ausgerechnet Schnecken das Orakel geben? Nun, als freundliche Geste an die Franzosen, die Schnecken gern als Delikatesse auf dem Teller haben, kann man das durchgehen lassen. Das war’s dann aber auch. Ansonsten sind diese Orakel nicht nur schleimig, sondern bescheren auch eine unglaublich zähe Angelegenheit. Mit zwei Flaggen, zwei Schnecken, einem Salatblatt und einer durchaus kriechfreundlichen glatten Unterlage ist es eben nicht getan. Es braucht auch auch noch Zeit. Viel Zeit.

Dass sich die Orakel erst mal in ihr Schneckenhaus zurückziehen, um sich vielleicht eine Strategie zu überlegen, sei ihnen zugestanden. Aber wenn sie selbst dann nicht rauskommen, wenn der Schiri das Spiel anpfeifen will, das ist schon ein bisschen unsportlich. Was gibt es denn da lange zu überlegen? Loskriechen und als erster am Salatblatt sein – mehr ist nicht gefordert. So wie beim Fußball eben. Das Runde muss ins Eckige – und fertig.

Schnecken sind halt nicht die Schnellsten. Und dabei haben wir den Orakel-Rasen schön feucht gehalten, um optimale Bedingungen bieten zu können. Wahrscheinlich ist ihnen Wasser zu schnöde. Hätte es möglicherweise Champagner sein müssen? Nichts da, der bleibt im Kühlschrank.

Der Abend wird kühl. Vielleicht ist es doch besser, wenn die beiden Schleimer in der Umkleidekabine bleiben? So lange könnte man ja nach Ersatzorakeln Ausschau halten. Keine da. Es ist noch kühler geworden. Und dunkler. Die Nerven fangen an, blank zu liegen. Geben wir den Auserwählten noch eine Nacht. Eine geht noch. Dann aber heißt es, noch früher aufstehen als sonst – wir brauchen das Ergebnis ja heute noch und nicht erst, wenn die Vorrundenspiele vorbei sind.

Morgens halb sieben im Garten. Wieder wird alles präpariert für das Schneckenrennen. Der Salat hat sich über Nacht frisch gehalten. Anpfiff. Die Schnecke „Frankreich“ bewegt sich wenigstens ein klitzekleines Bisschen, als Schnecke „Deutschland“ gerade Mal mit einem ihrer vier Hörnchen aus dem Häuschen lugt. Der Fanblock in der Südkurve steht und will helfen, Tempo in das Spiel zu bringen. Auch mit lieblichen Gesängen wie „Wir woll’n die Hörnchen seh’n, die Hörnchen seh’n ...“ Die Nachbarn sind etwas verstört. Aber die Orakel scheinen den Weckruf gehört zu haben. Sie sind aus dem Häuschen und kriechen los. Aber eben nicht schnurstracks. Angst vor der Abseitsfalle? Unbegründet. Schleimen? Bringt auch nichts – jedenfalls nicht bei dem Schiri.

Aber das eine oder andere Foul ist schon noch drin. Oder ist das Liebe, wenn Schnecke „Frankreich“ über Schnecke „Deutschland“ herfällt? Das dauert. So lange jedenfalls bis der Schiri eingreift, die Umklammerung löst. Eigentlich wäre ja eine Gelbe Karte fällig. Aber die würden die Orakel eh nicht sehen mit ihren staubkornkleinen Augen, die auf ihre zarten Fühler passen, die wir Hörnchen aussehen. Weiter als ein paar Zentimeter ist ihre Seh-Strecke nicht. Ihr Weg zum Ziel ist da schon eine andere Hausnummer. Hier hat Schnecke „Frankreich“ einen (Sonne sei dank) sichtbaren Geistesblitz und sorgt in der Abwehr dafür, dass ihre Kontrahentin nicht zu viel Oberwasser bekommt und von der rechten Flanke her ins Ziel kriecht. Wieder ein Umweg.

Wieder verrinnt Zeit, in der selbst Schnecken locker Richtung Fresserchen spurten könnten. Das Schneckentempo soll ja sieben Zentimeter in der Minute betragen. Da hätten sie die Renndistanz zum Salatblatt in vier, fünf Minuten erledigen können. Aber nein – ein bisschen Posen hier, ein bisschen aus der Reihe tanzen dort, ein bisschen ratlos schauen, sich in den Rückraum verkriechen ... Ah, sie richten die Köpfe wieder zum imaginären Tor und setzen ihre muskulösen Kriechfüße in Bewegung. Jetzt wird es nicht doch noch spannend werden. Ein schwindelerregendes Fühler-an-Fühler-Rennen in 4,2 Metern pro Stunde bahnt sich an. Das sieht nach einem Unentschieden aus. Kurz vorm Salatblatt die Entscheidung: Deutschland ist mit einer Hörnchenlänge vorne.

Das Orakel hat gesprochen: Deutschland gewinnt das Vorrundenspiel gegen Frankreich knapp. Ansonsten wird das Spiel kaum rasant, eher langatmig – von einigen Fouls und seltenen Geistesblitzen für kluge Spielzüge abgesehen. Na, dann schauen wir mal ...

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