Suhl/Zella-Mehlis Die Turmuhr schlägt nach drei Jahren wieder

Jedes einzelne Teil hat Matthias Knipping in seiner Werkstatt in Oepfershausen in mühevoller Kleinarbeit gereinigt und aufbereitet. Der Aufwand hat sich gelohnt. Foto: frankphoto.de

Die Turmuhr der Heinrichser Kirche hat 111 Jahre auf dem Buckel. Turmuhrbauer Matthias Knipping hat der alten Dame wieder neues Leben eingehaucht. Am Mittwochnachmittag hat sie nach drei Jahren Pause, pünktlich vor Weihnachten, erstmals wieder geschlagen.

 
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Heinrichs - Dass ihre alte Kirchturmuhr noch einmal schlagen würde, das haben viele Heinrichser schon gar nicht mehr zu hoffen gewagt. Als die Glockenschläge am Mittwochnachmittag, Punkt 16 Uhr, endlich wieder im Ort zu hören waren, war die Aufregung umso größer. Noch am gleichen Abend liefen bei Gerald Uhlworm, dem Kirchenvorstand von Heinrichs und Mäbendorf, die Telefone heiß. „Wenn wir Weihnachten schon keinen Gottesdienst abhalten können, dann soll wenigstens die Uhr fertig werden“, freut sich Uhlworm mit den glücklichen Anrufern.

Alle Viertel Stunde ertönt nun die kleine Glocke. Zur vollen Stunde schlagen die mittlere und die große Glocke an. Übrigens auch nachts. Zwar haben sich auch bisher die Zeiger am Ziffernblatt immer gedreht, aber das war nur über ein Provisorium möglich. Dieses hat nun also ausgedient.

Rund 500 Einzelteile, so schätzt Turmuhrbauer Matthias Knipping, hat die Kirchenuhr von Heinrichs. Jedes einzelne davon hat er in den Händen gehabt, poliert, gereinigt und gebürstet. Rund eine Woche lang war er nun mit Gerald Uhlworm im Heinrichser Kirchturm zu Gange, um die einzelnen Teile wieder zu einem Stück zusammen zu bauen. Gar nicht so einfach, denn jede Uhrenkonstruktion hat ihre Besonderheiten. Gefertigt wurde das gute Stücke im Jahr 1909 von der Turmuhrenfabrik Saam aus Themar.

Nach ihrer Sanierung hat die Uhr sogar einen elektrischen Aufzug bekommen. Nun muss also niemand mehr die steilen hölzernen Treppenstufen nach oben steigen, um mit einer Kurbel die Uhr aufzuziehen. Bis vor drei Jahren hatte diesen Ehrenamts-Job Angelika Grießel mit ihrem Mann übernommen. „In der heutigen Zeit wäre es sicherlich schwierig, jemanden zu finden, der regelmäßig hier hoch auf den Turm kommt und das Uhrwerk aufzieht“, sagt Gerald Uhlworm.

Um dieses wieder zum Laufen zu bringen, hat Matthias Knipping rund einhundert Stunden an der guten alten Dame gearbeitet. „Aber was sind schon hundert Stunden im Vergleich zu 111 Jahren“, sagt er augenzwinkernd. Erstaunlicherweise sei die Uhr in einem hervorragenden technischen Zustand gewesen. Aber eben sehr verdreckt. „Ich bin mir sicher, dass die in den letzten 60 Jahren nicht ein Mal auseinander gelegt war“, sagt der Turmuhrbauer.

Der 65-Jährige hatte die Reparatur schon so gut wie abgesagt. Einfach weil die Uhr so schwer ist. Mit Unterbau und Gestell kommt schon einiges zusammen. Allein die Gewichte wiegen mehr als 200 Kilogramm. Ohne die Unterstützung der Mitarbeiter des Bestattungsinstituts am Friedhof, wäre der Transport über die engen Treppen für Matthias Knipping und Gerald Uhlworm gar nicht möglich gewesen.

Für den Turmuhrbauer wird diese Uhr eine der letzten sein, die er mit seinen Händen wieder zu neuem Leben erweckt hat. Noch bestenfalls zwei Jahre will er weiterarbeiten. Dann ist Schluss mit Uhren und mit seinem kleinen Unternehmen. Weitermachen heißt es hingegen für Gerald Uhlworm. Er weiß, dass die Glocken der Heinrichser Kirche in absehbarer Zeit ersetzt werden müssen. 100 Jahre Lebensdauer rechnet man für Eisenglocken. Die Vorhandenen wurden im Jahr 1919 von Pfarrer Schneider in Auftrag gegeben. Seither tun sie ihren Dienst. Um alle drei Glocken zu ersetzen, braucht es jedoch rund 100 000 Euro, gibt der Kirchenvorstand zu bedenken.

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