Steinbach-Hallenberg Kämpfer für Selbstbestimmung

Als Redner im Thüringer Landtag. Foto: Die Linke

Der Kreisverband der Partei Die Linke trauert um Maik Nothnagel. Er wurde 56 Jahre alt.

 
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„Tief betroffen erfuhren wir in der vergangenen Woche, dass unser Genosse, Weggefährte und Freund Maik Nothnagel am 29. Juni 2023 im Alter von 56 Jahren verstorben ist“, teilt Mario Volgmann, Kreisgeschäftsführer Die Linke, Kreisverband Schmalkalden-Meiningen, am Donnerstag mit.

Maik Nothnagel hatte die Region von 1999 bis 2009 und von 2012 bis 2014 im Thüringer Landtag als Abgeordneter vertreten und war von 1999 bis 2019 Mitglied des Kreistags Schmalkalden-Meiningen.

Darüber hinaus war er in vielen Initiativen der selbstbestimmten Behindertenpolitik federführend beteiligt und als Mitglied der Fraktion Die Linke im Thüringer Landtag bundesweit der erste inklusionspolitische Sprecher einer Fraktion. In diesen Funktionen prägte Maik Nothnagel nachhaltig und grundlegend das Themenfeld der Inklusionspolitik. Sein politisches Hauptaugenmerk habe stets auf der sozialen Gerechtigkeit gelegen. „Der Kampf um soziale Gerechtigkeit hieß für ihn, der Kampf für ein selbstbestimmtes Leben für Menschen mit Behinderung. Damit gab Maik Nothnagel vielen Menschen bundesweit eine Stimme, die sonst oftmals nicht im direkten Blickfeld der Politik liegen“, würdigte Volgmann die Leistung des Steinbach-Hallenbergers.

Der Kreisverband trauere nicht nur um einen engagierten Genossen, „wir trauern um einen Freund, der auch stets persönlich zur Stelle war, wenn Menschen ihn brauchten. Denken wir an Maik Nothnagel, denken wir an einen engagierten und durchsetzungsstarken Menschen, aber auch an einen Menschen voller Humor und Lebensfreude“. Die Anteilnahme gelte seiner Familie, seinen Freundinnen und Freunden und den vielen Weggefährten. „Wir werden unseren Genossen Maik Nothnagel in ehrender Erinnerung behalten und ganz in seinem Sinne weiter für eine inklusive Gesellschaft eintreten.“

Der Steinbach-Hallenberger lebte seit seiner Geburt mit einer Behinderung. Nach seiner Ausbildung zum Wirtschaftskaufmann absolvierte er ein Studium zum Wirtschaftsingenieur, später erwarb er noch ein Diplom als Sozialpädagoge.

Nachruf von Annett Recknagel

Ich sehe mich noch in seinem Büro in Steinbach-Hallenberg sitzen. Zugegeben, das ist mehr als 20 Jahre her. Ich habe gerne mit ihm geredet. Ihm zugehört. Privat und beruflich. Er wusste sehr viel. Ich konnte ihm manchmal gar nicht folgen.

In Sachen UN-Behindertenrechtskonvention kannte er sich aus wie kaum ein Zweiter. Unermüdlich hat er die Gleichstellung von behinderten Menschen gefordert und sich für ein selbstbestimmtes Leben dieser Gruppe eingesetzt. In Steinbach-Hallenberg, in Schmalkalden, in Meiningen, in Jena, in Erfurt, in Berlin. Maik Nothnagel war stets unterwegs, um das Leben für Menschen mit Handicap etwas angenehmer zu gestalten. Er hatte einen ausgeprägten Gerechtigkeitssinn. Aufgeben kam für ihn nicht in Frage. Manch einer bezeichnete ihn als privilegiert – schließlich konnte er Auto fahren, sich bewegen – seine Behinderung ließ das zu. Er gönnte sich kaum Auszeiten, war Hans Dampf in allen Gassen. Ich weiß noch ganz genau, wie stolz er nach der Gründung von „mobile“, dem Jenaer Zentrum für selbstbestimmtes Leben behinderter Menschen e.V. war. Schließlich war das die erste mobile Beratungsstelle für behinderte Menschen im ländlichen Bereich bundesweit. Von 1996 bis 1998 war Nothnagel Projektleiter. Damals haben wir viel darüber berichtet.

Später sahen wir uns immer mal wieder beim Sozialverband Deutschland (SovD). Hier war Maik Nothnagel seit März 2000 Kreisvorsitzender und seit Mai 2011 Landesvorsitzender. Eines der vielen Ehrenämter, die er innehatte. Weiter gehörte er zum Berufsverband Peer Counseling (Behindertenberatung) , war Vorstandsmitglied im Verein zur Förderung der beruflichen Integration Behinderter. Seit 2003 arbeitete er im Forum selbstbestimmter Assistenz behinderter Menschen mit. Dazu kam seine vielfältige politische Tätigkeit. Während seiner Zeit als Vorsitzender des Landesverbandes „Interessenverband selbstbestimmt Leben“ hat Maik Nothnagel durch Öffentlichkeitsarbeit versucht, die Landespolitik im Freistaat Thüringen zu beeinflussen und die Gleichstellung von behinderten Menschen voranzubringen. Seit Juni 1999 war er Mitglied der Fraktion Die Linke im Kreistag Schmalkalden-Meiningen. Die Funktion endete im September 2011 durch Neuwahl. Seit Juni 2004 war er Fraktionsvorsitzender der Linken im Stadtrat Steinbach-Hallenberg. Im März 2012 agierte er als Sprecher der Bundesarbeitsgemeinschaft der „Selbstbestimmten Behindertenpolitik“ seiner Partei. Im Juli 2012 zog er für die Linke in den Thüringer Landtag ein.

Und selbstverständlich arbeitete er auch im Behindertenbeirat des Landkreises mit – war jahrelang dessen Vorsitzender. Spontan fällt mir die Landesgartenschau 2015 in Schmalkalden ein. Hier bot Nothnagel spezielle Führungen für behinderte Menschen an und wurde nicht müde, mit allen möglichen Verantwortlichen über Gleichstellung zu diskutieren. Die Barrierefreiheit im Landkreis lag ihm ebenso am Herzen. In der jüngeren Vergangenheit rief er die Ergänzende unabhängige Teilhabeberatung im Eichelbach in Schmalkalden ins Leben, eine Stelle, die Menschen mit Behinderung und deren Angehörigen hilft.

Ende Juni ist Maik Nothnagel nach langer, schwerer Krankheit verstorben. Mit nur 56 Jahren. Er war ein Kämpfer, in jeder Beziehung. Wer ihn kannte, wird ihn so in Erinnerung behalten, wie er war – freundlich, klug, fordernd, kämpfend und nie aufgebend. Mein Beileid gilt seiner Familie.

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