Sportreporter-Legende Heinz Florian Oertel ist tot

Heinz Florian Oertel 2014 im Stadion von Einheit Pankow in Berlin. Von diesem Sportplatz hattte er 1950 seinen ersten Radiobericht über ein Fußballspiel gesendet. Foto: dpa/Bernd von Jutrczenka

Heinz Florian Oertel ist tot. Der legendäre Sportreporter starb schon Ende März in Berlin.

 
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Es ist eine traurige Nachricht für jeden Sportfan: Heinz Florian Oertel ist tot. Der bekannteste Sportjournalist der DDR war von 1949 bis 1991 beim Rundfunk und prägte die Sportberichterstattung im Land wie kaum ein Zweiter. Wie am Mittwoch bekannt wurde, ist er Alter von 95 Jahren in seinem Haus in Berlin-Schönholz bereits am 27. März gestorben. Vor allem aufgrund seines Detailwissens und seiner emotionalen Berichterstattung war der gebürtige Lausitzer zu einer Legende am Mikrofon aufgestiegen.

Oertel war stets da, wo der große Sport war und wo die DDR-Stars auf Erfolge hoffen durften. Deshalb erlebte er 17 Olympische Spiele, die erste 1952 in Helsinki. Unter den acht Fußball-Weltmeisterschaften war auch die 1974, für die sich die DDR erst- und einmalig qualifiziert hatte. Den legendären 1:0-Sieg über den späteren Weltmeister BRD in Hamburg kommentierte natürlich auch der am 11. Dezember 1927 in Cottbus geborene Journalist. Anders als in anderen Reportagen, in denen er seinen Gefühlen freien Sprachlauf ließ, wirkte er sowohl beim Tor durch Jürgen Sparwasser als auch beim Schlusspfiff ziemlich nüchtern.

Doch alle wussten: Oertel konnte auch anders. Natürlich bleibt die euphorische Reportage vom 1. August 1980 bei den Olympischen Spielen in Moskau unvergessen. Mit drei Sätzen in neun Sekunden setzte sich Oertel ungewollt selbst ein Denkmal. „Liebe junge Väter oder angehende - haben Sie Mut! Nennen Sie Ihre Neuankömmlinge des heutigen Tages ruhig Waldemar! Waldemar ist da!“ Zum zweiten Mal nach 1976 kommentierte er da ein olympisches Goldrennen von Marathonläufer Waldemar Cierpinski.

Fußball, Leichtathletik, Radsport, Boxen, Eiskunstlauf – Oertel kannte sich überall aus, verfügte über ein unglaubliches Fach- und Allgemeinwissen. Und dieses ließ er stets in seine Reportagen einfließen, die dadurch lebendig und besonders hörenswert wurden. Er hielt Distanz, war aber immer nah dran, wenn es im Stadion rund ging. Finnlands viermaligen Langstreckenlauf-Olympiasieger Lasse Virén nannte Wortakrobat Oertel im Überschwang „Tartan-Elch“. Die Radsport-Entscheidungen mit Täve Schur oder Olaf Ludwig, die Eiskunstlauf-Höhepunkte mit Katarina Witt – Oertel fand stets die richtigen Worte, um seine Zuhörer mit seiner eigenen Begeisterung anzustecken. Er war sich zugleich nicht zu schade, auch kleinere Sportveranstaltungen zu begleiten.

Dass er 17 Mal DDR-Fernsehliebling wurde, so häufig wie kein anderer Promi, unterstreicht diese Tatsache. In seinen 50 Berufsjahren reiste der kahlköpfige Reporter auf alle Kontinente – und wurde so zum Weltbürger der kleinen DDR. In seiner Geburtsstadt Cottbus spielte der junge Oertel von 1946 bis 1948 Theater, wurde zunächst Lehrer für Deutsch und Geschichte. 1949 ging er zum DDR-Radio. Ab 1955 arbeitete er dann parallel beim Fernsehen.

Oertels Markenzeichen waren Stimme, Stil und Sprache. Er galt als Multitalent des Sprechens, war nicht nur auf den Sport fixiert. Er führte als Entertainer durch Sendungen „Ein Kessel Buntes“, „He, he, he – Sport an der Spree“ und „Schlager einer großen Stadt“. Von 1969 bis 1990 interviewte er in 245 Folgen von „Porträt per Telefon“ Prominente aus Kultur, Politik, Wirtschaft und natürlich Sport.

Das Ministerium für Staatssicherheit wurde auf ihn aufmerksam, führte ihn als „Gesellschaftlichen Mitarbeiter“ (GMS, Deckname: „Heinz“). Eine Stasi-Verpflichtung aber unterschrieb er nie.

1981 promovierte er an der Karl-Marx-Universität Leipzig. Danach dozierte Oertel auch an diversen Hochschulen, nach der Wende auch in der Bundesrepublik. Im Dezember 1989 kommentierte Oertel für den Südwestfunk das Bundesligaspiel zwischen dem VfB Stuttgart und dem 1. FC Köln, in den Jahren danach war er für den ORB und den NDR tätig, leider nur in der zweiten TV-Liga.

Als Autor setzte sich der Herausgeber diverser Olympia-Bücher mit gesellschaftlichen Themen kritisch auseinander – auch schon zu DDR-Zeiten. Nach der Jahrtausendwende zog mit seinen Büchern zu Lesungen durch die ostdeutschen Lande, war 2002 in Suhl und 2008 in Steinbach-Hallenberg.

Gesundheitlich ging es seit Anfang des Jahres abrupt bergab. Nach einem Klinikaufenthalt kehrte er in seine Wohnung zu Ehefrau Hannelore zurück, wo er nun friedlich einschlief. Eine Grabstelle auf dem Friedhof an der Hermann-Hesse-Straße in Pankow soll er sich rechtzeitig ausgesucht haben.

Sein bekanntestes Markenzeichen hat Oertel wohl bis zuletzt erhalten. „Also, wenn alles so gut in Schwung wäre wie meine Stimme, dann ginge es mir echt gut“, witzelte er noch kurz vor seinem 95. Geburtstag am 11. Dezember, zu dem er bereits keine Gäste mehr empfangen konnte.

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