Schmalkalden Hohe Hygienehürden und nun noch "Astrohauben"

Birgitt Schunk

Wegen vieler Corona-Fälle sind große Schlachtbetriebe deutschlandweit in die Kritik geraten. Die Schmalkalder Fleisch- & Wurstwaren GmbH hat vorgesorgt – mit Konzept und festen Mitarbeitern.

 
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Schmalkalden - Kevin Holland-Moritz klopft auf Holz. "Wir hatten bislang noch keinen Corona-Fall unter unseren Mitarbeitern", sagt der Geschäftsführer der Fleisch- & Wurstwaren GmbH Schmalkalden. Mit dem Thema Pandemie hat der Betrieb dennoch jeden Tag intensiv zu tun. Ein Krisenmanagementplan wurde erarbeitet - für den Ernstfall ist man gerüstet, alle Aufgaben sind verteilt. Das Hygienekonzept wird seit dem Corona-Ausbruch ständig fortgeschrieben. Strenge Regeln gibt es hierbei allerdings nicht erst seit dem Virus. Der Betrieb kann mehr als ein Zertifikat aufweisen, um hohe Standards zu garantieren. Die Mitarbeiter tragen Hygienekleidung samt Kopfbedeckung und Schuhe. "Täglich wird die Arbeitskleidung gewechselt und über einen Wäschedienstleister bei hohen Temperaturen gewaschen - das ist ohnehin Standard bei uns", sagt Holland-Moritz. Wer die Produktionsräume betreten will, bekommt zunächst einen Klecks Flüssigseife auf jede Hand. Nur wer diesen Schritt auch absolviert, für den öffnet sich die Schleuse. Dann sind Händewaschen und Abtrocknen angesagt. Hände und auch das Schuhwerk werden nun desinfiziert. Das alles gehörte bislang bereits zum Tagesgeschäft.

Mit Corona ist nun aber in der Produktion noch der Mundschutz hinzugekommen. Die Mitarbeiter tragen sogenannte "Astrohauben", die den ganzen Kopf samt Nase und Mund bedecken und eigentlich nur noch im Augenbereich offen sind. "Das ist für alle Beschäftigten eine Belastung - vor allem in jenen Bereichen, in denen nicht gekühlt wird und teilweise sogar noch höhere Temperaturen vorherrschen - wie im Kesselraum oder im Schlachthof." Schulungen für die Kollegen gibt es in Sachen Hygiene mindestens einmal jährlich - seit Corona den Alltag bestimmt waren solche Unterweisungen schon viermal an der Tagesordnung.

Gerade in den Filialen ging es so u. a. beispielsweise um Abstände zwischen den Tischen und zum Kunden. Mitarbeiter durften benutztes Geschirr nur noch mit Handschuhen anfassen. Und auch im Stammbetrieb in Schmalkalden hat sich vieles verändert. Die Kantinenzeiten wurden ausgedehnt, so dass Abteilungen jeweils für sich zum Frühstück gehen können. Auch die Selbstbedienung wurde abgeschafft. Wer während der Arbeit etwaige Symptome verspürt, die auf Corona deuten könnten, muss im Fall der Fälle sofort einen separaten Raum aufsuchen, um sich zu isolieren. Danach werden alle weiteren Schritte eingeleitet. Auch ein kontaktloses Fieberthermometer ist dort vorhanden. Bislang musste davon noch kein Gebrauch gemacht werden - während in mehreren großen Schlachtbetrieben in Deutschland es hingegen in den letzten Tagen zu Corona-Ausbrüchen unter den Mitarbeitern im großen Stil kam.

Als eine der Ursachen wurde dabei ausgemacht, dass zu viele Fremdmitarbeiter in den Betrieben tätig seien, die teilweise in Gemeinschaftsunterkünften auf niedrigem Niveau untergebracht seien, und Hygieneregeln nicht beachtet würden. Kevin Holland-Moritz kennt die Schlagzeilen, die das Image der Branche nicht gerade aufbessern. Angesprochen von den Vorwürfen fühlt man sich selbst aber nicht. "Wir haben hier ganz andere Bedingungen als in einem großen Betrieb der Fleischindustrie, in dem mehrere Tausend Schweine am Tag geschlachtet und zerlegt werden, die Kollegen fast Schulter an Schulter am Band stehen und jeder beispielsweise beim Zerlegen einer Keule nur einen Schnitt vollzieht - und dann läuft das Stück Fleisch schon weiter", sagt der Schmalkalder Geschäftsführer. "Bei uns arbeitet jeder an einem separaten Tisch - wir sind im Vergleich ein kleiner, regionaler Schlacht- und Verarbeitungsbetrieb, in dem handwerklich gearbeitet wird." Und deshalb legt man Wert darauf, gutes Stammpersonal zu haben anstatt den ständigen Wechsel. "Wir arbeiten nicht mit Werksverträgen, bei denen ganze Abteilungen, wie beispielsweise die Schlachtung, von einem Dienstleister in Eigenregie besorgt wird", so Holland-Moritz. Auch auf Verträge mit Zeitarbeitsfirmen in der Schlachtung und Zerlegung verzichtet man nach eigenen Angaben. "Wir stellen lieber selber ein. So haben wir Verantwortung und Kontrolle in der Hand, wer bei uns arbeitet - aber auch die Abrechnung. Was wir den ausländischen Mitarbeitern mit dem Arbeitsvertrag zusagen, bekommen sie auch. Das sorgt auch für eine gewisse Zufriedenheit unter den Beschäftigten - das erhöht die Chance, dass sie bleiben und hier leben wollen."

Unter den rund 130 Arbeitnehmern am Hauptsitz in Schmalkalden sind 25 feste Mitarbeiter, die aus dem Ausland stammen. "Nur vier von ihnen sind noch im Wohnheim untergebracht, dabei hat jeder sein Einzelzimmer - der Rest lebt bereits in einer eigenen Wohnung oder Wohngemeinschaft." Nur unter den Saisonkräften sind auch Frauen und Männer von Zeitarbeitsfirmen. "Auch hier würden wir einstellen, doch meist bekommen wir neue Leute nur noch über Arbeitnehmerüberlassungen." Aus Rumänien konnten allerdings dieses Jahr wieder acht Leute für die Saison eingestellt werden. 14 Azubis aus Vietnam lernen zudem im Betrieb. Auch hier hat sich fast die Hälfte schon eine eigene Bleibe gesucht und ist heimisch geworden. Insgesamt gehen Mitarbeiter aus zwölf Nationen den deutschen Kollegen zur Hand.

"Wenn wir keine ordentlichen Bedingungen bieten, können wir die Qualität nicht halten, denn dafür brauchen wir gute Mitarbeiter", sagt Holland-Moritz. Das schließe auch ein, dass in Bereichen wie Schlachtung und Zerlegung mehr als Mindestlohn gezahlt werden müsse. Dabei gehe es insgesamt nicht nur um gute Facharbeiter an der Basis, sondern auch um sehr gute Abteilungs- und Schichtleiter, die ihr Handwerk verstünden. Und dieses Niveau will man halten. "Schmalkalden ist schließlich neben einzelnen Fleischereimetzgern noch der einzige Schlachtbetrieb in Thüringen, der zerlegt, Fleisch- und Wurstwaren produziert und auch noch Filialen betreibt - und das wollen wir unbedingt halten." Zudem kämen alle im Betrieb geschlachteten Schweine aus Thüringen. "Wir sind nicht Industrie, sondern regionales Handwerk", sagt Holland-Moritz.

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