Rennsteiglauf Endorphine im Blut und den Rennsteig im Herzen

Bei der Läuferparty bleibt traditionell keiner sitzen. Auf den Bierbänken wird geschunkelt und getanzt bis nach Mitternacht. Foto: Archiv/Georg Vater

Auf dem Weg zum 50. GutsMuths-Rennsteiglauf am 13. Mai
In unserer Serie erzählten wir wöchentlich Geschichten von Menschen der Region, die der Rennsteiglauf bewegt – im wahrsten wie im übertragenen Sinne. Heute zum Abschluss: Die legendäre Läuferparty in Schmiedefeld.

 
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Wenn mehr als 2000 Kehlen voller Inbrunst das Rennsteiglied schmettern, 4000 müde Läuferbeine plötzlich putzmunter und glückselig auf den Bierbänken tanzen und sich wildfremde Menschen zum Schunkeln des Schneewalzers unterhaken – dann ist es wieder soweit: Im schönsten Ziel der Welt steigt die Rennsteiglaufparty. Es ist eine Party, die es so nur einmal im Jahr und auch nur in Schmiedefeld gibt. Die Zutaten sind denkbar einfach: Eine große Prise Endorphine, die nach 73, 42 oder 21 Kilometer Rennsteig im Blutkreislauf der Läufer zirkulieren, eine Band vom Rennsteig, die ganz genau weiß, welche Musik eben dieses endorphingeschwängerte Läuferblut richtig in Wallung bringt und sicher auch das eine oder andere Bierchen, das bei vielen nach Wochen intensiven Trainings mit Alkoholverzicht durch die durstige Kehle rinnt.

Eine große Familie

Und noch etwas macht diese Party aus und unterscheidet sie deutlich von einer Kirmes, einem Konzert oder einem Stadtfest: Das unvergleichbare Zusammengehörigkeitsgefühl der Gäste. Denn hier, in der Rennsteiglaufhalle (und bis 2019 im Festzelt) sind alle gleich. Alle sind Mitglieder der großen Läuferfamilie – egal ob sie den Supermarathon, den Marathon oder den Halbmarathon bewältigt haben. Es ist jener kleinste gemeinsame Nenner der Faszination des Laufens über den Rennsteig, der die Menschen hier für einen Tag – und eben einen ausgelassenen Partyabend – zusammenbringt. Wer das einmal erlebt hat, der kommt immer wieder. Getreu dem Motto „Einmal Rennsteiglauf, immer Rennsteiglauf.“

„Wie könnt ihr bloß nach so frühem Aufstehen, mit 73 oder 42 oder 21 Kilometern in den Beinen, abends noch auf den Bänken hüpfen, tanzen und bis weit in die Nacht hinein feiern?“, werden die Läufer – vor allem die von ihren Finishershirts ausgewiesenen Supermarathonis – immer wieder ungläubig gefragt. „Weil wir’s können“, wäre eine lapidare und auch irgendwie treffende Antwort. Oder: „Weil’s unsere Party des Jahres ist.“

Rennsteiglied und Schneewalzer sind dabei nur zwei Höhepunkte. Ein anderes Ritual, das keinesfalls fehlen darf, ist die regelrecht zelebrierte „Herkunfts-Läuferzählung“, bei der die einzelnen Bundesländer abgefragt werden. „Wo sind die Läufer aus ....?“, heißt es da herausfordernd und ein je nach Anwesenheit mehr oder weniger vielstimmiger Chor antwortet lautstark. Natürlich wird es bei Sachsen-Anhalt, Sachsen oder Thüringen besonders laut, aber auch die Berliner Fraktion ist seit jeher stark vertreten und macht reichlich Bambule. Und dann erst die Rennsteiglaufhymne: „Heiheiho der Rennsteiglauf...“. Spätestens da gibt es kein Halten mehr und die Halle wird zum Tollhaus. Über den Köpfen flattern Fahnen mit Landeswappen oder Laufgruppen.

„Ein imposantes Bild von der Bühne aus. Das zu erleben, ist auch für uns ein absolutes Highlight des Jahres, ganz klar“, sagt Oliver Hess von der Partyband Hess. Seit gut 20 Jahre sind die Musiker aus Neuhaus und Umgebung neben „Hans im Glück“ der Stimmungsgarant beim Rennsteiglauf. Am Vorabend spielen die sieben Vollblut-Musiker bei der Kloß-Party in der Neuhäuser GutsMuths-Halle, am Lauftag dann abends in Schmiedefeld – viele Jahre im Festzelt und seit 2022 in der neuen Halle. Es mache schon ein bisschen stolz, diesen besonderen Abend, diese besondere Party musikalisch gestalten zu können, bekennt Hess. „Die Begeisterung der Leute - das ist ziemlich einmalig“, sagt er. Erst recht, wenn das Rennsteiglied angestimmt wird. So an die fünf bis sieben Mal am Abend muss es gespielt werden. „Es sind vor allem die auswärtigen Läufer, die es sich immer und immer wünschen“, weiß Hess. Er hat noch eine weitere Besonderheit der Läuferparty ausgemacht: „Die durchweg, friedliche, fröhliche Stimmung. Hier gibt’s keinen Streit oder Schlägereien, die nach Alkoholgenuss anderorts leider immer mehr zunehmen“, sieht er es.

In der Stunde vor Mitternacht wandelt sich ein Teil des Publikums. Ältere Läufer machen sich auf den Weg in ihr Nachtquartier oder nach Hause, junge Leute aus dem Ort oder dem Umland kommen herein. Die Musik wird aktueller. Das Rennsteiglied hat j ausgedient. Wenn eine halbe Stunde nach Mitternacht die allerletzten Töne verklungen sind, ist die Halle noch gut gefüllt. An den Tischen wird gescherzt, gelacht, gesungen, der Lauf ausgewertet. Hier und da werden Handynummern getauscht. Manche Liaison hat hier ihren Ausgangspunkt. Und es gab sogar Heiratsanträge.

„...sind wir alle wieder da“

Geht die Party dann zu Ende, ist das für die allermeisten kein Grund für Wehmut: Denn nach dem Lauf ist vor dem Lauf und – na klar – beim 51. Rennsteiglauf sieht man sich wieder. Am 25 Mai. 2024 in Neuhaus, Oberhof oder Eisenach. Oder spätestens im schönsten Ziel der Welt. Wie heißt es doch in der Rennsteiglaufhymne: „...im nächsten Jahr, sind wir alle wieder da...!“

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