Jena/Seefeld/Erfurt - Das Amtsgericht Erfurt hat den Haftbefehl gegen einen wegen Dopingverdachts festgenommenen Erfurter Sportarztes bestätigt. Der Arzt werde in die Münchner Justizvollzugsanstalt Stadelheim gebracht, sagte ein Gerichtssprecher. Mark S. soll zu einer aus Erfurt agierenden kriminellen Gruppierung gehören, die dringend verdächtig ist, seit Jahren Blutdoping an Spitzensportlern zu praktizieren. Ebenfalls Haftbefehl erging nach Angaben eines Gerichtssprechers gegen den zweiten in Erfurt festgenommenen Verdächtigen. Der sei in das Gefängnis nach Suhl gebracht worden.

Sollte dem Arzt und seinen mutmaßlichen Komplizen in dieser Sache ein gewerbs- oder bandenmäßiges Delikt nachgewiesen werden, sieht das 2015 verabschiedete Anti-Doping-Gesetz einen Freiheitsentzug von einem bis zu zehn Jahren vor. Das bestätigte die Sprecherin der Staatsanwaltschaft München, Anne Leiding.

Blutdoping

Blutdoping dient dazu, die Menge der roten Blutkörperchen im Körper zu erhöhen. Sie transportieren den Sauerstoff. Eine höhere Anzahl roter Blutkörperchen führt also zu einer besseren Sauerstoffversorgung der Muskeln und damit zu einer Leistungssteigerung, vor allem im Ausdauersport. Der Sportler erhält bei dieser Methode Transfusionen mit eigenem oder fremdem Blut. Die Ermittlungen in Erfurt laufen unter dem Verdacht des Eigenblutdopings – der im Spitzensport bevorzugten Methode, weil sie schwierig nachzuweisen ist. Beim Eigenblutdoping wird dem Sportler rund ein Liter Blut zugeführt. Dadurch steigt im Körper das Blutvolumen. Überschüssige Flüssigkeit – also das Blutplasma – scheidet der Sportler bereits nach etwa eineinhalb Stunden wieder als Urin aus. Die roten Blutkörperchen aber bleiben im Körper zurück. Untersuchungen haben gezeigt, dass die Leistung eines Sportlers durch Blutdoping um bis zu 15 Prozent gesteigert werden kann. Der Effekt kann zwei bis drei Wochen anhalten. Als weit verbreitet im Ausdauersport gilt die Methode, beim Blutdoping das verbotene Hormon Erythropoetin (EPO) zu geben. Im Körper wird es in der Niere produziert und regt die Bildung roter Blutkörperchen an. Seit Ende der 1980er Jahre kann es auch im Labor hergestellt werden. Der Einsatz von künstlichem EPO ist ebenfalls nur schwer nachzuweisen, weil es sich kaum von natürlichem unterscheidet.

Der Landessportbund Thüringen hat nach der Festnahme des Mediziners der betroffenen Arzt-Praxis mit sofortiger Wirkung die Lizenz als «Sportmedizinische Untersuchungsstelle» in Thüringen entzogen. Dabei räumte der Verband eigene Versäumnisse ein. Denn bei der Fortschreibung der ursprünglich bis 2018 laufenden Lizenz um weitere vier Jahre entging dem LSB, dass in der Zwischenzeit Mark S. in die Praxis eintrat.

«Diesen Umstand haben wir leider bei der Fortsetzung der Lizenz für die betroffene Arztpraxis nicht berücksichtigt. Wir haben an dieser Stelle nicht tiefgründig genug die bestehenden Dopingbelastungen im Prozess um die Anerkennung der Lizenzfortschreibung als sportmedizinische Untersuchungsstelle bewertet. Dies war falsch und wir müssen und wollen jetzt die Konsequenzen schnellstmöglich tragen und limitieren», sagte LSB-Präsident Stefan Hügel am Donnerstag.

Der Sportmediziner, dem in seiner früheren Rolle als Radsport-Teamarzt schon mal die Verwicklung in Doping-Praktiken vorgeworfen worden war, hatte die Vorwürfe in der Vergangenheit stets bestritten. Er und ein mutmaßlicher Komplize waren am Mittwoch in Erfurt festgenommen worden, während bei einer Razzia des österreichischen Bundeskriminalamtes bei der Nordischen Ski-WM in Seefeld sieben Menschen, darunter fünf Sportler, verhaftet wurden.

Hügel zeigte sich entsetzt. «Es ist einfach unfassbar und eine Katastrophe auch für den Thüringer Sport. Der Landessportbund setzt alles daran, die lückenlose Aufklärung zu unterstützen», sagte er. Das Lizenzierungsverfahren werde auf den Prüfstand gestellt. Die Untersuchungsstellen führen in Thüringen die Feststellung der allgemeinen Sporttauglichkeit im Bereich der Landeskader D durch, sind aber nicht in die kontinuierliche sportmedizinische Betreuung von Spitzen- und Nachwuchssportlern eingebunden.

Der Deutsche Skiverband hat nach ausführlichen Eigenrecherchen erneut jeglichen Kontakt zu dem mutmaßlich in Dopingpraktiken verwickelten Erfurter Mediziner bestritten. DSV-Angaben vom Donnerstag zufolge habe es keinerlei Zusammenarbeit, Behandlungen oder Untersuchungen von DSV-Athletinnen und -Athleten mit und bei dem Sportarzt gegeben. «Es gibt keinerlei Verbindungen, weder zwischen dem Thüringer Skiverband, noch mit dem Olympiastützpunkt Thüringen und gleich gar nicht mit dem Deutschen Skiverband», sagte DSV-Vorstandsmitglied Stefan Schwarzbach.

Darüber hinaus droht dem Erfurter Mediziner neben strafrechtlichen Konsequenzen auch ein berufsrechtliches Verfahren durch die Landesärztekammer Thüringen. «Sollten sich die Vorwürfe gegen den Arzt bestätigen, wird die Kammer mit aller Härte vorgehen», sagte eine Kammersprecherin am Donnerstag. Das könne für den Arzt den Verlust der ärztlichen Zulassung (Approbation) bedeuten. «Wir sind sehr betroffen über das, was bekannt geworden ist.»

Der berufsrechtliche Sanktionskatalog der Ärztekammer reicht von Rügen über Geldstrafen bis hin zu einem Berufsgerichtsverfahren, bei dem Mediziner in besonders schweren Fällen für berufsunwürdig erklärt werden können. Dies hätte den Entzug der Approbation zur Folge, Ärzte dürfen dann nicht mehr in ihrem Beruf tätig werden - weder als Vertragsarzt für gesetzlich Krankenversicherte noch als Privatarzt.

Schon länger im Fokus der Ermittler

Der 40 Jahre alte Arzt war schon mehrfach im Fokus der Ermittler. Laut Bild.de belastete der frühere Gerolsteiner-Fahrer Bernhard Kohl (37) den Arzt im Jahre 2009 schwer. Kohl sagte im österreichischen Kurier: „Er war eingeweiht in die Dopingvorgänge. Ich hatte zu ihm von Beginn an eine gute Gesprächsbasis. Irgendwann kamen wir auf Doping zu sprechen. Er sagte: 'Logisch, dass man es machen muss.' Er sagte einmal, dass ich nicht der Einzige im Team sei, der Blutdoping fabriziere.“

2013 belastete den Arzt auch der frühere Gerolsteiner-Fahrer Stefan Schumacher in einem Betrugsprozess vor dem Landgericht Stuttgart. Jetzt - 2019 - seien der Mediziner und sein Vater "dringend verdächtig, seit Jahren Blutdoping an Spitzensportlern durchzuführen, um deren Leistung bei nationalen und internationalen Wettkämpfen zu steigern und dadurch illegale Einkünfte zu lukrieren", wie die Süddeutsche Zeitung das österreichische Bundeskriminalamt zitiert.

«Sind auf saubere Sportler angewiesen»

«Wir sind auf saubere Sportler angewiesen», sagte der Sprecher der Zweckverband Thüringer Wintersportzentrum in Oberhof nach der Doping-Razzia in Erfurt am Donnerstag. «Insofern ist das ein Schock, aber man sollte das auch nicht überbewerten.» Es sei das falsche Signal, wenn man wegen Einzelner, die gegen die Regeln spielen, Rückschlüsse auf den gesamten Thüringer Wintersport ziehe.

Der Verband ist für die Rahmenbedingungen der Thüringer Spitzen- und Nachwuchssportler in sieben Olympischen Wintersportdisziplinen verantwortlich. «Natürlich waren wir erst einmal ungläubig», sagte der Sprecher weiter. Zwar sei man als Bereitsteller der Infrastruktur von dem aktuellen Fall nicht unmittelbar betroffen. «Doch das ist allgemein ein Imageschaden für die Disziplin als solche und den Wintersport an sich.» dpa/cob/ap

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