Regiomed-Zerschlagung „Die Guten“ fordern Landrat zum Rücktritt auf

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Das Regiomed-Klinikum in Hildburghausen. Foto: /Bastian Frank

Nachdem die Gesellschaftsversammlung des thüringisch-bayerischen Klinik-Verbundes Regiomed dessen wirtschaftliche Aufspaltung beschlossen hat, fehlt nun noch die Zustimmung der Gesellschafter. Im Landkreis werden empörte Stimmen laut.

 
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Es war eine unruhige Nacht für Sven Gregor, den Fraktionsvorsitzenden der Freien Wähler im Kreistag Hildburghausen. „Ich habe die ganze Zeit über dem Thema Krankenhaus gebrütet“, gibt er am Donnerstag auf Anfrage der Redaktion Auskunft. Schockiert sei er gewesen von der Nachricht. Sein erstes Fazit: Im Fokus müsse die Sicherung der Arbeitsplätze und damit die Versorgung der Patienten stehen. Er wünsche sich für die nun dringend notwendige Debatte „sachliche Ruhe, damit das Ganze nicht im Versorgungskollaps endet“. Bedauerlich nur, dass Landrat Thomas Müller im Urlaub weile. Denn die Zeitschiene sei extrem kurz. „In der Regiomed-Videokonferenz mit allen Kreisräten ist am Mittwoch gesagt worden, dass die nun notwendigen Beschlüsse bis Ende des Monats gefasst werden müssen. Uns Kreisräten wird dann wohl wieder die Pistole auf die Brust gesetzt werden.“ Wie wohl viele andere auch plagen Sven Gregor „tausend Fragen“. Deshalb habe er den stellvertretenden Landrat Dirk Lindner gebeten, die Fraktionsvorsitzenden zusammenzurufen. Fest steht für die Freie-Wähler-Fraktion, in der nächsten Kreistagssitzung zu beantragen, umgehend einen Krankenhausausschuss zu installieren, der sich intensiv mit der Thematik befasst. Das A und O: Der Klinikbetrieb müsse weiterhin reibungslos funktionieren. „Meine Fraktion trifft sich am Montag zur Sitzung – und dort werden wir alles im Detail besprechen.“

Doch der Schock über die derzeitige missliche Lage, sitze tief. Denn die Botschaft, die Landrat Thomas Müller und Geschäftsführer Michael Musick noch im Frühjahr in den Kreistag getragen hatten, sei eine andere gewesen. „Uns ist vermittelt worden, Regiomed sei auf einem guten Weg.“ Und auch in den vergangenen Jahren sei immer wieder versichert worden, dass der einzige Weg, der funktioniere, ein gemeinsamer sei, die Spezialisierung der einzelnen Häuser das Erfolgsrezept. „Das ist nun alles über Nacht über den Haufen geworfen worden? Jeder soll für sich selber wirtschaften? Wie soll das denn künftig laufen? Ich kann es mir nicht vorstellen! Genauso wie ich mir nicht vorstellen kann, dass die Gesellschafterversammlung das innerhalb einer Woche entschieden hat. Warum ist zur Kreistagssitzung am 28. September nichts gesagt worden?“ Fragen über Fragen bleiben.

Schnellstmöglich müsse miteinander geredet werden – darüber, wie es weitergehen könnte – und alle Mitarbeiter müssen auf dem künftigen Weg mitgenommen werden – von der Krankenschwester über den Rettungsdienst und die Raumpflegerin bis hin zum Arzt, fordert Sven Gregor.

„Die Guten“ mehr als beunruhigt

Auch die Fraktion „Die Guten“ lässt die Mitteilung mit der zunächst hoffnungsvoll anmutenden Überschrift „Kliniken sollen künftig von kommunalen Trägern wieder selbst getragen werden“ mehr als beunruhigt aufhorchen. „Zu viele Versprechungen wurden seitens des Regiomed Konzerns und seiner Aufsichtsräte bereits gegeben. Zu viel Vertrauen wurde bereits verspielt“, heißt es in einer Erklärung der Fraktion. In der Vergangenheit sei in Hildburghausen unter anderem die krankenhauseigene Küche nach Lichtenfels ausgelagert, die Sterilisation verlegt und die Entbindungsstation geschlossen worden. Der ehemalige Geschäftsführer Alexander Schmidtke habe bereits im vergangenen Jahr das „sinkende Schiff“ verlassen. „Mit kritischem Blick haben wir die Geschäftsabschlüsse beäugt und konnten den positiven Berichten nie Glauben schenken – geschweige denn zustimmen. Unsere Bedenken wurden von den Aufsichtsräten Landrat Thomas Müller und Kreisrat Klaus Brodführer fast schon aggressiv abgewiesen: Mit unserem Misstrauen tragen wir schließlich zum schlechten Image bei. Und nun das!“ Glauben, dass nun alles besser werde, können „Die Guten“ nicht. Versprechungen vertrauen sie längst nicht mehr. Sie fordern vielmehr, für den Erhalt und das Bestehen des Hildburghäuser Krankenhauses endlich die richtigen Schlüsse zu ziehen. „Die Mitglieder des bestehenden Aufsichtsrates Müller und Brodführer müssen ihren Platz räumen!“ Sie fordern weitere Konsequenzen. Landrat Thomas Müller sei in dieser Frage nicht mehr tragbar. „Zu oft wurden wir über den aktuellen Zustand von Regiomed belogen. Wir fordern daher seinen Rücktritt.“ Die Fraktion drängt darauf, Gespräche mit anderen Trägern zu führen. An diesen ergebnisoffenen Runden sollten sich alle „Menschen mit Sinn und Verstand für die Belange dieses Kreises“ beteiligen. Gemeinsam müsse eine Strategie entwickelt werden, wie der Standort Hildburghausen „ohne die Machenschaften von Regiomed“ gehalten werden könne.

Bauchgefühl bestätigt sich

Christopher Other, Bürgermeister in Heldburg und CDU-Kreisrat, steht der gegenwärtigen Situation fassungslos gegenüber. Am Mittwoch hat er zum ersten Mal von den Plänen der Regiomed-Zerschlagung gehört und dabei feststellen müssen, dass sein Bauchgefühl Ende 2022 ihn nicht betrogen hatte. „Damals habe ich gegen die finanzielle Unterstützung des Konzerns gestimmt, weil es mir nicht richtig vorkam. Gerne hätte ich hier Unrecht gehabt, aber meine Vorahnung hat sich nun bitter bestätigt“, sagt er – fühlbar aufgewühlt – auf Anfrage der Redaktion.

Er trägt große Sorge, weil er sich absolut nicht vorstellen kann, dass in den nächsten zwölf Wochen eine Abwicklung erfolgen könnte, die eine reibungslose Anschlussarbeit des Landkreises ermöglichen würde, zumal es keine Transparenz darüber gibt, was diese Situation herbeigeführt hat. „Die künftig angedachte Konstellation ist ebenfalls verwirrend. Wir würden von Coburg aus verwaltet werden wie bisher, müssten jedoch das Krankenhaus unternehmerisch selbst führen. Wir soll so etwas funktionieren“, fragt er sich. Für Christopher Other tut sich hier ein Fass ohne Boden auf, das den Landkreis finanziell noch stärker als bislang belasten könnte. Er wünscht sich zeitnah Antworten. Darauf, wie es zur aktuellen Situation kommen konnte und warum niemand von den betroffenen Landkreisen davon Kenntnis hatte. Diese Art des scheinbar intransparenten Umgangs miteinander könne er „absolut nicht nachvollziehen“. Das Argument des Regiomed-Konzerns, andere Krankenhäuser in Deutschland stünden ebenfalls schlecht da, zähle für ihn nicht. „Bislang wurde uns gesagt, Regiomed ist auf einem guten Weg. Das wollte ich gerne glauben, bis mich eben im vergangenen Jahr der geforderte finanzielle Zuschuss der Landkreise hellhörig gemacht hat und ich nicht mehr zustimmen konnte“, sagt der CDU-Politiker.

Zerschlagung für Linke keine Option

Kreisrat Tilo Kummer von den Linken kann sich bei aktueller Ausgangslage nicht vorstellen, dass seine Fraktion für den vorgeschlagenen Weg – also für die Zerschlagung des Regiomed-Verbundes – stimmt. Er würde es als sinnvoll erachten, die angekündigten neuen Krankenhausgesetze und die damit einhergehende künftige Finanzierung von Krankenhäusern abzuwarten, um auf dieser Basis einen Weg für die Regiomed-Kliniken zu finden. „Wir sind erschrocken über die Nachrichten der drohenden Insolvenz von Regiomed, zumal uns noch vor einem halben Jahr etwas ganz anderes erzählt wurde. Aus aktueller Sicht ist die Auflösung des Verbundes für uns keine Option, weil wir denken, das Krankenhaus in Hildburghausen kann alleine nicht existieren. Elementar wichtige Bestandteile wie Küche oder Sterilisation wurden geschlossen, dazu bedeutsame Stationen wie die Entbindungsstation. Wir denken, die Klinik ist alleine nicht funktionsfähig“, sagte Tilo Kummer.

Seine Fraktion wolle zunächst Einsicht in bestehende Verträge nehmen, sich einen Überblick über vertragliche Verbindlichkeiten beispielsweise gegenüber der Großküche in Lichtenfels schaffen. Die Linke-Fraktion verlangt außerdem eine Erklärung für den plötzlichen Kurswandel des Konzerns und eine strategische Prognose für die Kliniken des Verbundes.

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