Rat traf Entscheidung Keine ukrainischen Flüchtlinge im Schloss

Mädchen und Jungen vom Kindergarten im Wasunger Ortsteil Hümpfershausen schauen zum Schloss Sinnershausen hinauf, in der künftig der Nachwuchs betreut werden soll. Der Ausbau des ersten Obergeschosses in eine Kita ist in Planung. Allein dafür hat die Stadt Wasungen bislang 50 000 Euro investiert. Kurzzeitig war jetzt auch eine Zwischennutzung als Flüchtlingsunterkunft im Gespräch. Foto:  

Eine gute Absicht kann manchmal böse Folgen haben: Einen Shitstorm zu bewältigen hat gerade Wasungens Bürgermeister Thomas Kästner. Mit seinem Hilfsangebot, ukrainische Kriegsflüchtlinge übergangsweise in Schloss Sinnershausen aufzunehmen, wollte er Schutzsuchenden, seiner Stadt und auch der Nachbargemeinde Schwallungen helfen. Jetzt ist er für einige Bürger aber so etwas wie der Stadtfeind Nr. 1.

 
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Vor einer Woche lobten die fünf Ortsteilbürgermeister zu Beginn der neuen Amtsperiode von Wasungens Bürgermeister Thomas Kästner noch sein kluges, weitsichtiges und einvernehmliche Handeln im Stadtrat. Möchte man Fred Nitschke glauben schenken, dann ist er jetzt bei allen unten durch. Nitschke ist der Ortsteilbürgermeister von Hümpfershausen, in dem das kommunale Schloss Sinnershausen steht. Das historische Gebäude hat die Stadt Wasungen vor ein paar Monaten vom Land Thüringen erworben und plant seither unter anderem im ersten Obergeschoss den neuen Kindergarten des Dorfes zu etablieren. Die bestehende Einrichtung im Ortsteil platzt aus allen Nähten und soll so ersetzt werden. Der Ausbau im Schloss könnte vielleicht im Sommer anlaufen. Er ist von der Erteilung erforderliche Genehmigungen abhängig. Die der Denkmalpflege liegt unterdessen vor.

Stadt nutzen auch Schwallunger Halle

Nun hat das Wasunger Stadtoberhaupt zur kreislichen Bürgermeisterberatung am vergangenen Donnerstag eine Idee eingebracht, die sich in Windeseile herumsprach und ihm herbe Protestnoten einbrachte. Zentrales Thema der Sitzung war die Unterbringung von Flüchtlingen im Landkreis. Debattiert habe man über die Schwallunger Berufsschulturnhalle, die der Kreis als Eigentümer als Flüchtlingsunterkunft nutzen will. Mit der Konsequenz, dass dadurch viele Vereine, die außerhalb der Schulzeiten darin trainieren, voraussichtlich über den Winter gar nichts mehr machen können. Hier wollte Kästner helfend eingreifen und brachte das aktuell weitgehend ungenutzte Schloss Sinnershausen ins Spiel. Als Gründe zählte er auf, dass Schwallungen der Nachbarort von Wasungen sei und man in einer Verwaltungsgemeinschaft zusammenarbeiten würde und sich auch untereinander helfen sollte. Dann, dass in der dortigen Turnhalle mit der Tanzgarde des Wasunger Carneval Club sowie mit den Volleyballern und Fußballern zugleich zwei Wasunger Vereine trainieren, die Stadt also von einer Nutzungsaussetzung mit betroffen sei.

Mit dem Schloss Sinnershausen, welches aktuell ohnehin fast leer steht und nicht im ersten und voraussichtlich auch nicht gleich im zweiten Quartal 2023 umgebaut werden kann, hätte man einen Ort zur Überbrückung, der als ehemalige Jugendherberge den bestehenden Anforderungen wahrscheinlich ohne große Eingriffe genügen würde. Mögliche Schäden im Zuge einer begrenzten Nutzung würden kaum ins Gewicht fallen, weil anschließend ohnehin ein kompletter Umbau folgen würde. Zu guter Letzt hätte die Stadt durch die Vermietung auch eine Einnahme erzielt. Geld, welches die kommunale Gesamtinvestition etwas geschmälert hätte. „Dahinter stand die Idee, einen Ausweichort für die Schwallunger Turnhalle zu finden und so eine Lösung für eine Übergangszeit bis zum Frühjahr hinzubekommen, wenn die Vereine wieder im Freien trainieren können“, erklärt Kästner. Er wollte Gutes säen und erntete stattdessen Kritik und Hass. „So einen Shitstorm habe ich noch nicht erlebt. Aber ich habe den Job selbst gewählt“, zeigt er Nehmerqualitäten.

Was Ortsteilbürgermeister Nitschke an der ganzen Sache nicht schmeckt, ist das Vorpreschen von Kästner. Er habe ihn zwar am Donnerstagabend noch das Ergebnis der kreislichen Beratung und seinen Vorschlag mitgeteilt, aber das wirklich wahre Leben holte ihn ein, als am nächsten Morgen eine Delegation des Landratsamtes vor der Schlosstür stand, um Gebäude und Räumlichkeiten auf ihre Eignung als Flüchtlingsunterkunft zu überprüfen. „Das hätte er mit uns besprechen müssen, noch bevor er im Alleingang im Kreis damit auftritt“, betont Nitschke, dass seines Wissens nach auch eine ganze Reihe der Stadträte diesen Vorstoß nicht gut fanden. Seine Befürchtung: „Das hätte einen Brennpunkt gegeben. Wir können in so einem kleinen Ort doch kein Getto schaffen.“

Im Brennpunkt steht unterdessen weiterhin der Wasunger Bürgermeister, der sich gerade nach allen Seiten rechtfertigen muss. Es sei ein Vorschlag gewesen, keine Entscheidung, betont er im Gespräch mit dem Meininger Tageblatt und verweist auf den Ortsteilbürgermeister und seinen Rat, denen er zum Wochenende das Thema zur Diskussion gegeben hätte. Nach einem Konsens musste das Gremium nicht lange suchen. „Der Vorschlag wurde von den fünf Anwesenden geschlossen abgelehnt“, sagt Nitschke. Damit sei dann auch für Kästner das Thema erledigt gewesen. Die nichtöffentliche Stadtratssitzung, die kurzfristig für den gestrigen Abend anberaumt war, sagte er noch am Sonntag ab. Wie ein Lauffeuer hatte sich da sein unverbindlicher Vorschlag von einer Flüchtlingsunterkunft schon herumgesprochen. Nicht nur in den sozialen Netzwerken wurde gehetzt und geschimpft, diffamiert und beleidigt. Eine Hatz, an der sich selbst einige Stadträte und auch indirekt für die Stadt tätige Personen beteiligten. Es gibt auch schon eine Petition, von Josi Döring gestartet, die „Keine Flüchtlinge im Schloss Sinnershausen!“ fordert und unterschrieben werden kann.

Der Hümpfershäuser Ortsteilbürgermeister sieht in alledem ein Versagen der großen Politik, die das Problem auf die Kreise und Kommunen abschiebe. „Keiner würde eine Familie im Schnee stehen lassen. Aber man muss auch nicht gleich hier schreien.“ Zum Schluss unterbreitet er den Wasunger Vereinen den Vorschlag: „Die Hahnberghalle am Sportplatz stellen wir ihnen gerne zur Verfügung. Die ist beheizbar.“

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