Pur beim HUK-Open-Air-Sommer Applaus im Lichtermeer

Yannick Seiler
Sänger Hartmut Engler spielte sich zusammen mit seinen Bandkollegen durch 40 Jahre Pur-Geschichte Foto: Frank Wunderatsch

Von jung bis alt jubelten am Sonntag rund 12. 000 Menschen der Band Pur zu. Die Musiker nahmen die Menge mit auf ihre eigene Reise.

 
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Ohne Umschweife stellte Hartmut Engler eine entscheidende Frage der vergangenen zwei Jahre schon wenige Minuten, nachdem er die Bühne betreten hatte: „Wie halten wir den Abstand ein?“, sang er. Die Wörter, eine Zeile aus dem Lied „Keiner will alleine sein“ seiner Band Pur, hat er während des ersten Pandemiejahrs erdacht – sechs Wörter aus mehr als 40 Pur-Jahren. Am Sonntagabend traten die Musiker aus Baden-Württemberg auf der Bühne des HUK-Coburg Open-Air-Sommers auf dem Schlossplatz in Coburg zwischen Landestheater und Ehrenburg auf. Rund 12 000 Zuschauer drängten sich zwischen die Spielstätte und das Denkmal von Herzog Ernst I., um den Musikern möglichst nah zu kommen.

Engler reiste während des Abends zusammen mit den Besuchern durch vier Jahrzehnte deutschsprachige Popmusikgeschichte, rund zwei Stunden nahm sich die Band dafür Zeit. „Wir wollen heute 40 Jahre Pur abfeiern“, rief er den Anhängern entgegen. Das hatten die Musiker um Engler und Keyboarder Ingo Reidl, Gründungsmitglied, bereits für 2020 geplant. Doch die Folgen der Corona-Pandemie zwangen die Band zu zwei Jahren „Komplettpause“. Nun also Jubiläum auf dem Schlossplatz: „Das macht Spaß“ und „das Geilste an euch ist, dass ihr wieder so feiern könnt“ in Englers Worten.

Traurig aktuell

Die Zeitreise begann kurz nach dem Mauerfall und einem ihrer bekanntesten Lieder: „Lena. Der Song spricht eigentlich für sich“, sagte der Sänger über den im Juni 1991 erschienenen Titel. Damals waren aus zwei deutschen Staaten gerade ein Land und der Kalte Krieg für beendet erklärt worden. Die Mitglieder von Pur begannen ihre Reise über die größten Bühnen der Republik und veröffentlichten eines ihrer erfolgreichsten Alben: „Nichts ohne Grund“, ausgezeichnet mit der Goldenen Schallplatte für mehr als 250 000 Verkäufe. Auch das Lied „Kein Krieg“ findet sich darauf. Das Stück war an diesem Abend eines der wenigen, das den Zuhörer mit einer bedrückten Stimmung zurückließ. „In den letzten sechs Monaten ist viel Unschönes passiert“, schickte Engler dem Lied voraus, das trotz seines Alters wieder traurig aktuell klingt.

Eine, die das Lied im Publikum hörte, war Simone Wechsler. Sie wartete bereits Stunden vor Englers ersten Worten auf dem Schlossplatz. „Ich erhoffe mir eine super Stimmung“, sagte die Frau, die für den Auftritt eine Stunde aus Zirndorf im Landkreis Fürth in die Vestestadt gereist war. Vor der Show in Coburg hat sie bereits zwei Pur-Konzerte in Nürnberg und Fürth besucht, jeweils in einer Halle. Das Gastspiel im Zentrum der Vestestadt war nun ihr erstes Konzert der Band unter freiem Himmel und „etwas Besonderes“.

Sehr majestätisch

Unweit der Arkaden verkaufte Leo Dehlog in einem Zelt vor der Ehrenburg Fanartikel der Band. „Der Schlossplatz wirkt sehr majestätisch“, meinte er. Vor dem Zelt des Händlers aus Süddeutschland reihten sich die Pur-Anhänger auf der Suche nach einem Erinnerungsstück des Abends auf. Am häufigsten verkaufte er zwei T-Shirts, bedruckt mit Pur-Logo und, passend für den Abend, mit dem Wort „Coburg“.

Währenddessen schlürfte zwischen den Flügeln der Ehrenburg eine Frau ihre Weinschorle. „Die Stimmung hier ist mega“, sagte die Rothaarige, die das Konzert genießen wollte, ohne ihren Namen für diesen Artikel zu nennen. Zwei Stunden war sie von Gera aus in die Vestestadt gefahren, um die Musiker spielen zu hören. Mit dem Lied „Lena“ könnten sie ihr eine Freude machen, meinte sie vor dem Konzert.

Henrik Büttner hingegen ist eigenem Bekunden nach „nicht der größte Pur-Fan“. Er habe vielmehr die Mikrofone und Lautsprecher an der Bühne im Blick, sagte er. „Der Klang muss passen“, fügte der gelernte Tontechniker an. Er hatte sich zusammen mit einigen Freunden aus Gemeinfeld, ein Ortsteil der Gemeinde Burgpreppach in Unterfranken, auf den Weg zum Schlossplatz gemacht. Die Anlage, die an diesem Abend die Musik von Pur verbreitete, sei „sehr professionell“.

Nur vom Applaus unterbrochen

Hörte man sich unter den Anhängern der Kultband um, erhofften sich viele Fans, dass die Musiker Lieder ihrer älteren Alben spielen, wie eben „Lena“ oder „Abenteuerland“ und „das Lieblingslied seiner Tochter“, wie Engler erzählte. Es heißt „Wenn sie diesen Tango hört“. Dabei wurde er durch die Akustikgitarre des jüngsten und neuesten Bandmitglieds Severin von Sydow begleitet. Nach den ersten Akkorden blickten beide plötzlich in ein Lichtermeer. Hunderte Feuerzeuge und Handytaschenlampen schienen ihnen während der Halbballade entgegen. Überhaupt erzählte Engler wenig an diesem Abend, ließ 120 Minuten lang die Musik seiner Band sprechen, lediglich vom Applaus der Zuschauer unterbrochen.

Das konnte er, weil die Liedzeilen, die die Musiker den Zuschauern zum Ergänzen überließen, fast jeder im Publikum mitsingen konnte, von Kindern bis hin zu Senioren. So zeitlos wie die Männer an Instrumenten und Mikrofonen erschienen, war es ihre Musik während der vergangenen vier Jahrzehnte ebenfalls geblieben.

Ein Meilenstein

Doch weil auch während des längsten Konzerts nicht ausreichend Zeit blieb, um die Geschichte der mit erfolgreichsten deutschsprachigen Musiker bis zum letzten Ton hin auszuspielen, boten Pur den Besuchern auf dem Schlossplatz eine Neuschöpfung: ein Medley ihres Albums „Seiltänzertraum“, einen „Meilenstein“. Abseits eingespielter Songstrukturen merkte man den Musikern an, dass mehr als 40 Jahre Bühnenleben und die erzwungene Pandemiepause ihre Spielfreude nicht gehemmt hatten.

Es habe ihn traurig gemacht, als sie fehlten, sang Engler – der Applaus und das Lichtermeer. Seit dem Abend auf dem Schlossplatz sind sie wieder da.

Mehr Bilder vom Auftritt gibt es in unserer Bildergalerie. >>>

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