Clueso berichtet in seinem neuen Song von Erfahrungen, die hierzulande wohl jeder kennt, nicht nur Leute in seinem Alter: „Das geht weit über den Beziehungsbegriff hinaus“, sagt er, „die alte Clique ist immer mehr ausgedünnt mit der Zeit. Vor zehn Jahren hat mir das richtig zu schaffen gemacht, inzwischen geht’s, weil ich ja selbst ständig unterwegs bin.“
In „Leider Berlin“ singt Clueso nun über die Dinge, die er an Erfurt liebt und die ihn hier gehalten beziehungsweise hierher zurück gebracht haben – insofern ist es durchaus auch eine kleine Erfurt-Hymne. Der Sänger berichtet vom Trennungsschmerz, von Sehnsucht, vom Sich-aus-den-Augen-verlieren und von Distanz, die sich nicht nur in Kilometern bemisst.
Nach einem aufregenden Jahr, in dem Clueso auch stilistisch neue Wege beschritten hat, ist er mit „Leider Berlin“ wieder da. In Thüringen, in Erfurt. Gewohnt hat er dort die ganze Zeit, aber metaphorisch gesprochen war wohl kein Clueso-Song aus dieser Werkphase so nahe bei der Heimat des Musikers, wie dieser jetzt.
Das betrifft zunächst die rein technische Ebene, da riecht es nämlich schon deutlich nach seinem früheren Projekt Zughafen: Nach der Zusammenarbeit mit Produzenten und Songwritern in den unterschiedlichsten Studios überall in Deutschland, hat er „Leider Berlin“ wieder selbst produziert und in Erfurt aufgenommen. „Ich habe eine kleine Schreib-WG in Erfurt gegründet, mit der Berliner Songschreiberin Karo Schrader und meinem Mitproduzenten Daniel Flamm“, sagt er und singt: „Ich fahr auf’s Land/ Gelber Raps.“ Und erläutert: „Gelber Raps ist für mich ein ganz starkes Bild. Du bist hier in zwei Minuten mit dem Auto draußen im Grünen. Diese Eindrücke vom Erfurter Umland sind bei mir wie ein Foto, das ich immer in der Jackentasche mit mir trage. Und wenn ich zum Beispiel in Berlin bin, habe ich öfters mal sehr schnell die Faxen wieder dicke.“
Das Video zum Song kreischt wie die angeblich wilden Achtziger, die vor allem durch den Abstand Schönheit gewinnen. In einem DeLorean – jenem Automobil, das 1985 im Streifen „Zurück in die Zukunft“ für Furore sorgte, fährt er durch eine in Neonlichtern gestaltete Stadt. Ein bisschen zu bunt, ein bisschen zu brav, ein bisschen zu kitschig passt es am Ende dann doch irgendwie wieder.
Im Song „Leider Berlin“ scheinen die Bässe für die ferne Großstadt zu stehen, während sphärisch-verträumte Keyboard-Tupfer in der Strophe das Ländliche symbolisieren. So bereitet bereits das Instrumental das ideale Bett für den mit Wehmut und dieser ganz bestimmten Spur Clueso-Melancholie aufgeladenen Gesang. Und zum Ende hin übernimmt dann eine von Cluesos altem Freund Christoph Bernewitz gespielte Gitarre die Führung und macht noch mal ganz andere Räume auf. Da hat man die Science-fiction-Autofahrt schon fast vergessen.
Zum Video gibt es übrigens einen kleinen Gag am Rande: Clueso erzählt in Interviews immer mal wieder, dass er weder Auto noch Führerschein besitze, entsprechend saß er für den Videodreh auch ausschließlich in den Studiokulissen hinter dem Lenkrad.