Nachruf Nachruf – Zum Tod von Hans-Jürgen Salier

Lehrer, Verleger, Autor und Heimatforscher: Hans-Jürgen Salier Foto: /privat

Leicht hat er anderen nie gemacht: Er forderte Haltung von ihnen – und hat sich Haltung selbst abverlangt. So wurde er zu einer wichtigen Stimme: Als Verleger, Autor und Politiker. Nun ist Hans-Jürgen Salier mit 77 Jahren gestorben.

 
Schließen

Diesen Artikel teilen

Hildburghausen, die Stadt der Schulen, ausgerechnet. Ob es Fügung war, dass Hans-Jürgen Salier – ein Ureinwohner, der in diese Stadt, wie sein Sohn Bastian erzählt, vernarrt gewesen ist – auch Lehrer wurde? Deutsche Sprache, Literatur, Geschichte, Philatelie – dazu jedenfalls fühlte er sich Zeit seines Lebens berufen. Als Lehrer, noch dazu an der berühmten Meyerschule, bis Mitte der Achtzigerjahre. Später als Lektor eines großen Berliner Verlages. Schließlich als Autor und Heimatforscher – was ihm möglich wurde, als die Wende mit der Freiheit des geschriebenen Wortes auch die Freiheit des Bücherdruckens mit sich brachte.

Er wählte im Juni 1990, mit 46 Jahren, das Glück eines selbstständigen Verlegers, das ihm in den Untiefen der freien Wirtschaft nicht immer hold sein sollte. Aber sein Verlag „Frankenschwelle“ wurde im Süden Thüringens nicht nur zur trotzigen Behauptung regionaler Identität – die SED-Geschichtsschreibung einst auszulöschen trachtete. Sondern alsbald auch zum Markenzeichen für gute Bücher, und vor allem für Bücher, in denen sich das lange Jahre verpönte Regionale ebenso wiederfand, wie Politisches und Kulturelles.

Ob die „Dunkelgrafen“-Bände oder „Billmuthausen“, ob Sagen oder ein berühmtes Kochbuch von Margarete Braungart – Salier verlegte in den Neunzigern, wonach dem Landstrich und seinen Menschen dürstete. Vor allem aber lektorierte er mit Profession und unglaublichem Hintergrundwissen. Diesen Anspruch an ein Buch, den sich Hans-Jürgen Salier selbst stellte und den er unbeirrt zu erfüllen gewillt war, merkt man den Drucken aus der „Frankenschwelle“ noch heute an. Den Verlag hatte er schon vor vielen Jahren seinem Sohn Bastian übergeben, der das Werk seines Vaters unter gemeinsamen Familiennamen weiterführt. So manches Buch des einstigen Lehrers wirkt noch immer im Südthüringischen – angesichts der Bücherflut ist das beeindruckend.

Vielleicht 400 Bücher seien durch die Hände des Vaters gegangen, schätzt Bastian Salier – als Autor, Co-Autor, Lektor und Verleger. Schon in den Siebzigern lektorierte Hans-Jürgen Salier hin und wieder. Bei „Frankenschwelle“ selbst erschienen rund 250 Bücher. Selbst geschrieben hat der Hildburghäuser etwa 20. Sein letztes Buch ist eine Art Abschiedsgeschenk. Ein fröhliches und trotziges Plaudern über Gott und die Welt beim Kochen und Essen. Ein Kochbuch, das Hans-Jürgen Salier nie scheiben wollte, aber in dem er nun – trotz seiner schweren Erkrankung – vergnüglich nicht nur Hausrezepte von „Halbseidenen Klößen“ bis „Verlorenen Eiern“ zum Besten gibt, sondern auch so manche Anekdote und Weisheit dazu liefert. Es ist ein schönes Buch geworden, ein Lesebuch über das Genießen. Am 2. April, seinem 77. Geburtstag, habe es sein Vater in den Händen gehalten, sagt Bastian Salier. Da wussten er und wohl auch sein Vater bereits, dass die Zeit endlich sein würde.

Dem Sohn war dieses Buch wichtig, dem Vater noch ein anders: „Im Land der Anderen“ hat es Hans-Jürgen Salier genannt. Er schreibt von seinen Begegnungen mit dem Sozialismus der DDR, mit „Tschekisten“ und Kommunisten, Stasi-Offizieren und auch dem berüchtigten Hildburghäuser „Schulrat Büchner“, die ein halbes Jahr Arbeitslosigkeit zeitigte. Eine Abrechnung mit der SED und mit manchen Genossen. „Die DDR schuf sich ihre Gegner selbst“ notiert Salier bitter. Vom Fluch des Erlebten kann er sich später nie befreien: Er bleibt skeptisch gegenüber Linken und Wendehälsen, er sitzt für die FDP im Stadtrat und im Kreistag. Er eckt an, stellt sich auch bewusst quer. Aber das ist keine Lust am Querulantentum, sondern Haltung. Hans-Jürgen Salier mochte sich nicht verbiegen und er mochte nicht vergessen.

Damit machte er es anderen nicht immer leicht. Aber wer sich auf ihn einlassen konnte, der ahnte etwas von diesem Kosmos an Kultur und Geschichte, spürte diese Liebe zu seiner Heimatstadt, die in ihm steckte. Und auch die Lust, sich eine Meinung und eine Haltung zu gestatten, die anderen nicht gefallen muss. Streitbar zu sein ist kein Makel, im Gegenteil. Es fördert einen lebendigen Geist. Hans-Jürgen Salier ist am 30. Mai gestorben, wie seine Familie am Samstag mitteilte. Er hat der Kulturgeschichte Südthüringens viele schöne Facetten geschenkt. Sie werden bleiben.

Autor

Bilder