Nach Horror-Unfall Fionas Körper ist wieder komplett

Fiona und ihre Mutter Anne Blümig in der Rehaklinik im nordrhein-westfälischen Hattingen. Dort verbringen die beiden viel Zeit zusammen. Höchstwahrscheinlich kommen sie im Mai nach Eisfeld zurück. Foto: Privat

Die 16-jährige Fiona aus Eisfeld hatte seit dem Mopedunfall im September ein handgroßes Loch in ihrer Schädeldecke. Ärzte haben dieses am Donnerstag per Operation verschlossen. Wie geht es ihr?

 
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Fionas Mutter Anne, ihr Vater Jochen, ihr Stiefvater Stefan, die ganze Familie – alle hoffen sie auf die Selbstheilungskräfte des Körpers ihrer Tochter. Sie hoffen, dass er spürt, dass das handgroße Loch im Schädel, das dem verletzten Gehirn nach dem Unfall als Entlastung dienen sollte, nun verschlossen ist. Jetzt könnte Fionas Körper so richtig Gas geben. Doch ob er’s tut?

In der Bochumer Uniklinik haben Ärzte der 16-Jährigen ein Implantat eingesetzt – eine Art 3D-Druck. „Ein ganz neues Verfahren. Eines, das Fiona vielleicht eine Folge-OP und viel Stress erspart“, erklärt Stiefvater Stefan Blümig. Eine bewusste Entscheidung, denn manchmal, das hat auch er gelernt, stoße der Körper den wiedereingesetzten Knochen ab. Fiona hat die OP gut überstanden. Sie liegt mittlerweile nicht mehr auf der Intensivstation. Und wenn alles passt, können sie und ihre Mutter Anne am Montag zurück in die Rehaklinik nach Hattingen.

Es ist schwer zu beschreiben, was Fiona seit einem halben Jahr durchmacht. Am 13. September 2023 hat sich ihr Leben und das ihrer Familie von einer auf die andere Sekunde völlig verändert. Sie hatte – während des ersten gemeinsamen Ausflugs mit ihrem neuen Freund auf dem Moped – einen folgenschweren Unfall. Eben noch überglücklich, stand sie plötzlich auf der Schwelle zum Tod. Was schief gehen konnte, ist schief gegangen. Ein Krankenhaus nach dem anderen lehnte ihre Aufnahme ab – sie wurde schließlich nach Suhl geflogen. Doch sie brauchte einen Neurochirurgen. Den gab es dort nicht. Also ging die Odyssee weiter. Weil es schon zu dunkel war für einen Hubschrauberflug, wurde die schwer am Kopf verletzte Fiona mit dem Krankenwagen nach Erfurt gebracht. Nach mehreren OPs schwebte sie in den ersten Tagen zwischen Leben und Tod. Doch sie entschied sich fürs Leben, hat mittlerweile einen Zustand minimalen Bewusstseins erlangt. Seit Monaten arbeiten in der Rehaklinik im nordrhein-westfälischen Hattingen Therapeuten mit ihr – und ihre Mutter Anne Blümig weicht nicht von ihrer Seite.

Seit Jahresbeginn hat die 16-Jährige Mikrofortschritte gemacht. Doch ihre Familie gibt nicht auf. „Sie ist noch ein bisschen wacher geworden, nimmt mehr Anteil – wenn sie will“, schränkt ihr Stiefvater Stefan Blümig ein. Wenn sie aufgefordert wird, ihren Arm zu bewegen oder ihr Bein aufzustellen, dann tut sie das. Immer mal wieder. „Auf Therapeuten reagiert sie. Auf Anne momentan kaum. Es ist, als ob sie bockt“, beschreibt Stefan Blümig. Es hat sich bei Fiona so genannte Therapiemüdigkeit eingestellt. Nach sechs Monaten ständiger Arbeit, ständigem Auf und Ab – kein Wunder. Jeden Tag telefoniert er mit seiner Frau, kann aber nicht bei ihr sein. Die Arbeit . . . Er, der aus dem Verlagswesen kommt, hat im vergangenen Jahr bei einem Start-up angefangen. Ist für den Vertrieb von Outdoor-Geräten für Kinderspielplätze im deutschsprachigen Raum verantwortlich. Er kniet sich rein, weiß, dass er als Alleinverdiener liefern muss. Er möchte seiner Frau den Rücken freihalten. Anne Blümig ist von der Arbeit freigestellt. Ihr Arbeitgeber, die Coburger Firma Kapp, ist unheimlich verständnisvoll.

Die gebürtige Wuppertalerin kann ganz und gar für ihre Tochter da sein. Jetzt in der Rehaklinik – und spätestens ab Mai zu Hause in Eisfeld. Dort bereitet Stefan Blümig die Rückkehr seiner beiden Lieben vor. Die Rampe ist gebaut, über die ein Rollstuhl den Hauseingang erreichen kann. Fionas Zimmer im Obergeschoss des Hauses, das die Familie seit fünf Jahren bewohnt, ist ausgeräumt. Dorthin wird nun Stefan Blümig mit seinem Büro ziehen. Büro und Wohnzimmer im Erdgeschoss werden zu Fionas Reich. Das ist mittlerweile barrierefrei zu erreichen – Dank der Estrich-Ausgleichsschicht im Flur. Auch das Bad, das sich auf der gleichen Etage befindet, ist ebenfalls vorbereitet. „Sie können kommen“, sagt Stefan Blümig. Er lächelt, freut sich drauf, doch weiß auch, dass es nicht einfach werden wird. Vielleicht hilft Fiona die gewohnte Umgebung, die Hunde Murphy und Urmel und Kater Loki?

Das neue Auto ist da – nun muss es noch umgebaut werden. Foto: Privat/Privat

Dass die beiden kommen können, ermöglicht auch ein neuer Kleinbus. Der sei gekauft – mit Hilfe vieler Spenden. In den nächsten Tagen steht der Umbau des Autos an. „Ein neuer Boden kommt rein – mit Verankerungsmöglichkeiten für den Rollstuhl. Unter das Auto wird eine Kassette gesetzt, in der sich die Hydraulik versteckt. Uns war wichtig, dass Fiona hinter dem Beifahrer sitzt. Dann ist sie aktiv mit dabei.“ Doch der Umbau ist nicht billig. Etwa 17 000 Euro gibt die Familie dafür aus. Und dabei helfen die Leser dieser Zeitung mit. Sie haben Anteil genommen am Schicksal der 16-Jährigen. Beim Verein Freies Wort Hilft sind bis heute knapp 13 000 Euro Spenden eingegangen. 3000 Euro hatte die Familie als Soforthilfe bekommen 10 000 Euro werden in den Autoumbau fließen. „Wir sind allen unendlich dankbar. Es ist so wahnsinnig viel Geld.“ Das verhilft Fiona nun zu mehr Mobilität.

Was noch fehlt? Ein geländegängiger Rollstuhl für Ausflüge in die Natur, die Fiona so liebt. Sie soll ihre Pferde besuchen können. Mit normalem Rollstuhl unmöglich.

Klarheit hat die Familie nun über den Unfallhergang. Nur so viel: „Fiona war zur falschen Zeit am falschen Ort.“ Während Stefan Blümig das sagt, schaut er aus dem Fenster. Nur ein paar hundert Meter vom Haus entfernt ist es passiert. Auf einer Kreuzung hat Fionas bisheriges Leben geendet. Später, im Krankenhaus, hatte die junge Frau beschlossen, ein neues anzufangen. Das zu meistern, ist herausfordernd. „Meine Frau hat erst kürzlich zu ihr gesagt: Mensch, du musst mithelfen!“

Apropos helfen: Die Klinik hilft, wo sie kann. Doch was die Kommunikation zwischen dieser, dem medizinischen Dienst und der Krankenkasse angeht, sei viel Sand im Getriebe. „Sagen wir es mal so, momentan sind meine Frau und Fiona wieder einmal ohne Kostenzusage der Krankenkasse in der Klinik. Das System ist definitiv optimierungsfähig“, sagt Stefan Blümig, der mittlerweile in tiefe Abgründe des Systems geblickt hat. Es gibt viele Dinge, mit denen sich Stefan und Anne Blümig auseinandersetzen müssen – obwohl sie in ihrer jetzigen Situation ganz andere Sorgen haben.

Sie versuchen das Beste daraus zu machen. Manchmal aber kommen die Momente, in denen sie verzweifeln. „Doch wir haben uns – und gemeinsam schaffen wir es“, ist Stefan Blümig überzeugt. Ob es in Eisfeld sein wird – oder irgendwo in der Nähe von Wuppertal? Anne und Stefan Blümig denken intensiv über die Zukunft, über einen Umzug nach. Doch erst einmal soll Fiona zur Ruhe kommen – zu Hause, in der Natur. Es braucht Vorbereitung, einen Käufer für Haus und Grundstück und eine bezahlbare Wohn-Alternative. Warum die Umzugsgedanken? „Ein Neustart wäre für uns als Familie einfacher. Hier kennt jeder unsere Geschichte. Wir wollen kein Mitleid, sondern normal leben. Woanders wären wir einfach nur diejenigen mit einem behinderten Kind.“

Freies Wort hilft

Spenden
Wenn Sie, liebe Leser, die Familie unterstützen wollen, können Sie auf das Konto des Hilfswerks der Heimatzeitungen „Freies Wort hilft – Miteinander-Füreinander“ spenden. Das Geld wird 1:1 auf das Konto der Familie überwiesen. Stichwort: „Fiona“

Konto: Rhön-Rennsteig-SparkasseDE39 8405 0000 1705 0170 17.

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