Lokalsport Suhl Die Politik pfeift ab

Beim 8:1 von Hildburghausen über Sonneberg war selbst die Anzeigetafel der Eintracht überfordert. Nach dem siebten Tor der Heimelf war Schluss. Eine Acht gibt es nicht. Am Samstag reist die Lochmann-Elf nach Suhl. Die Partie ist der Auftakt zum letzten Fußball-Wochenende vor der nächsten Corona-Zwangspause. Foto: Frank

Wieder muss der Amateursport stillstehen. Einen Monat wird das Vereinsleben wegen Corona eingefroren. Einige Clubs wollen bereits an diesem Wochenende kein Risiko mehr eingehen. In anderen Sportarten steht es lange auf der Kippe.

 
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Fußball

"Die Auswirkungen sind immens"

Auch beim Landessportbund (LSB) Thüringen zeigt man wenig Verständnis für die Entscheidung der Politik, den organisierten Sport flächendeckend zu einer erneuten Pause zu zwingen. "Es ist für uns kaum nachvollziehbar, dass es bei der Entscheidungsfindung und auch der Formulierung der Maßnahmen keine Lernfortschritte im Vergleich zur Situation im März gibt", kommentiert LSB-Hauptgeschäftsführer Thomas Zirkel die Beschlüsse von Bund und Ländern. Und ergänzt: "Der Sport hat die geforderten Infektionsvorgaben umgesetzt und steht jetzt dennoch wieder am Anfang und einem Stillstand. Scheinbar gibt es nur die extremen Pole - ganz oder gar nicht? Es ist schwer zu verstehen, warum die Verantwortlichen des Sports in der Vorbereitung entsprechender Entscheidungen von der Politik nicht einbezogen wurden", so Zirkel.

Er fordert daher eine langfristige Strategie im Einklang mit dem Gesundheitsschutz und dem Weiterführen eines angepassten organisierten Sportbetriebs. "Es dürfen nicht immer wieder erneute Pausen folgen. Die Auswirkungen auch auf den Spiel- und Wettkampfbetrieb vom Nachwuchsleistungssport bis zum Amateurbreitensport sind immens."

Laut LSB handelten die Vereine des organisierten Sports sehr verantwortungsbewusst und setzen die geforderten Hygienemaßnahmen überwiegend gewissenhaft - mit extrem hohen organisatorischen und finanziellen Aufwand - um. "Gerade jetzt in der angespannten Lage für die Gesellschaft", sagt Thomas Zirkel, "halten wir es zudem besonders wichtig, sportliche, gesundheitsfördernde und präventive Angebote unter den entsprechenden Sicherheitsvorkehrungen aufrechtzuerhalten." Und auch Zirkel bemerkt wie viele andere Aktive und Funktionäre, dass dem Sport bisher kaum Ausbruchsgeschehen zugewiesen werden könne.


Donnerstagnachmittag in Erfurt, Fußball-Thüringen ist in Aufregung. Nachdem die Bundesregierung und die Länder am Mittwoch einen zweiten Lockdown für den kompletten November beschlossen haben, und damit auch den Amateursport in ein einmonatiges Koma versetzen werden, will mancher beim Thüringer Fußball-Verband (TFV) noch weiter gehen. Der Spielbetrieb solle angesichts sehr hoher Inzidenzwerte in manchen Landkreisen sofort unterbrochen werden.

So beschäftigt sich der Vorstand des TFV auf Antrag des Vorsitzenden des Spielausschusses, Sven Wenzel, in einer Abstimmung mit der Frage, ob eine Einstellung des Spielbetriebs aufgrund der aktuellen Corona-Entwicklung bereits zum 30. Oktober erfolgen soll. Thüringen würde damit nicht alleine in der Bundesrepublik dastehen. Im Rheinland etwa wurde der komplette Pflichtspielbetrieb ab Donnerstag, 29. Oktober, eingestellt. Auch in Sachsen stand ein vorzeitiges Aus im Raum. Am Donnerstag sagte der Vorstand des Sächsischen Fußball-Verbandes doch noch Ja.

In Thüringen sprach sich eine übergroße Mehrheit der kurzerhand befragten Thüringenligisten dafür aus, am Wochenende zu spielen. In den Landesklasse-Staffeln soll ebenfalls der Ball noch einmal rollen. Da die Entscheidung der Vorsitzenden der Kreis-Fußballausschüsse (KFA) bei der Abstimmung am Donnerstag knapp ausgefallen ist und keine eindeutige Tendenz zu erkennen war, hat das Präsidium des TFV beschlossen, dass jeder KFA in seinem Zuständigkeitsbereich für dieses Wochenende eigenständig entscheiden kann, ob Spiele abgesagt oder durchgeführt werden. Im Kreis Rhön-Rennsteig soll am Samstag und Sonntag noch einmal Fußball gespielt werden.

So wird das kommende Wochenende auch zu einer Art Abschiedsfeier vom Fußball. Denn ob ab dem 1. Dezember tatsächlich wieder Sport jenseits von individuellem Training betrieben werden darf, ist mehr als fraglich.

Die beiden Suhler Landesklasse-Mannschaften 1. Suhler SV und FSV Goldlauter verabschieden sich mit Heimspielen in den ungeplanten Winterschlaf. Und wäre am Mittwoch nicht der Sport-K. o. in Berlin verkündet worden, die größte Furcht des SSV hätte vor diesem Wochenende mit Sicherheit Eintracht Hildburghausen geheißen, der morgige Gegner der Suhler. Die Lochmann-Elf hat vor einer Woche für reichlich offene Münder gesorgt. Mit 8:1 schmiss die Eintracht Thüringenligist Sonneberg aus dem Landespokal. Es hätte angesichts zweier Lattentreffer und zahlreicher weiterer guter Möglichkeiten auch durchaus zweistellig werden können.

Für die Anzeigetafel in Hildburghausen war bereits beim Stand von 1:7 Schluss. Wohlgemerkt für die Heimelf, denn auch das ist in Hildburghausen eine Besonderheit: Nicht nur die Acht und Neun fehlen, sondern auch die Leserichtung hat noch Luft nach oben.

Vor fast einem Jahr, am 9. November 2019, gab es den letzten direkten Vergleich mit Suhl. Hildburghausen gewann knapp mit 2:1. Insgesamt ist die Statistik zwischen beiden Teams ausgeglichen. Beide haben fünf Siege auf dem Konto stehen. Dazu kommen noch drei Unentschieden. Im Torverhältnis führt Hildburghausen knapp mit drei Treffern (32:29).

Zum Abschluss des letzten Fußball-Wochenendes empfängt Goldlauter am Sonntag den von Tabellenplatz eins auf neun abgestürzten FC Steinbach-Hallenberg. Nach drei Siegen und einem Unentschieden zu Saisonbeginn hat die Elf von David Reich nicht mehr gewonnen.

Volleyball

Vor einer Woche haben sie sich noch selbst vorsorglich für eine Spielabsage ausgesprochen, nun hat dem VfB Suhl II das Präsidium des Deutschen Volleyball-Verbandes (DVV) und der DVV-Vorstand die Entscheidung abgenommen. Am Donnerstagvormittag gab der DVV bekannt, dass der Spielbetrieb in sämtlichen Dritten Ligen sowie Regionalligen mit sofortiger Wirkung ausgesetzt wird. Wie alle hofft auch DVV-Generalsekretärin Nicole Fetting auf eine Fortsetzung der Spiele im Dezember. "Ein Saison-Abbruch soll die letztmögliche Option bleiben", so Fetting.

Wer VfB-Suhl-Trainer Andy Lorenz zuhört, hört zwischen den Zeilen, dass es genau darauf wohl hinauslaufen könnte. " Mal gucken, ob die Saison überhaupt zu Ende gespielt wird", sagt der 26-Jährige, der Suhls Zweite im zweiten Jahr betreut. Lorenz hält die von Bund und Ländern beschlossenen Maßnahmen für den Amateursport für überzogen. "Vor allem den Trainingsbetrieb hätte ich weitergehen lassen, denn wir würden ja in einem nachvollziehbaren Personenkreis bleiben."

Der Volleyball-Verrückte hat die Hoffnung noch nicht aufgegeben, dass die Sporthallen in Thüringen wenigstens für diese Zwecke weiter genutzt werden dürfen. Eine Entscheidung dazu ist jedoch frühestens in der nächsten Woche zu erwarten. Am Dienstag will der Landtag zu den neuen Corona-Regeln beraten.

Aber auch der Verein spürt offenbar den indirekten Druck von außen. Bereits das letzte Auswärtsspiel beim Dresdner SC II hat der Vorstand des VfB angesichts stark gestiegener Fallzahlen in der sächsischen Landeshauptstadt abgesagt. Etliche Spielerinnen arbeiten in sozialen und damit systemrelevanten Berufen. Das Risiko, dass sie sich und andere mit dem Coronavirus infizieren, war dem Club zu hoch. Auch zur Partie am Samstag bei Spitzenreiter L.E. Volleys in Leipzig wären die Südthüringerinnen auch ohne den Spielstopp des Bundesverbandes gar nicht erst aufgebrochen.

Tischtennis

Der Thüringer Tischtennis-Verband hat seinen Vereinen die Möglichkeit eingeräumt, Spiele an diesem Wochenende kurzfristig abzusagen, ohne dass ihnen dadurch finanzielle Strafen oder andere Repressalien drohen. Die Regelung, dass in allen Thüringer Spielklassen keine Doppel mehr ausgespielt werden, welche der Verband am Mittwoch vor dem Beschluss von Bund und Ländern fasste, wäre ab Montag, dem 2. November, in Kraft getreten. Aufgrund der Entscheidungen auf höherer Ebene ist dies jedoch erst einmal hinfällig. Ab Montag ruht auch in Thüringen der weiße Plastikball.

Ringen

Die Corona-Krise macht auch vor den stärksten Männern nicht Halt. Nachdem die Kampfgemeinschaft Südthüringen aus Zella-Mehlis und Albrechts bereits Anfang Oktober das Handtuch warf und sich vom Ligabetrieb abmeldete, gehen nun auch der Ringer-Bundesliga die Mannschaften aus. Mit dem KV Riegelsberg, ASV Hüttigweiler, den Wrestling Tigers Rhein/Nahe und dem AV Germania Markneukirchen meldeten am Montag gleich vier Vereine ihre Teams aus der höchsten Kampfklasse ab. Vorjahres-Halbfinalist SV Alemannia Nackenheim folgte am Dienstag, der KSV Witten hatte kurz vor Beginn der Meisterschaftsrunde zurückgezogen.

Die stark gestiegenen Infektionszahlen in den jeweiligen Regionen und die damit verbundenen Maßnahmen zur Eindämmung der Corona-Pandemie sind der Grund, dass die Vereine aus sportlicher, aber auch wirtschaftlicher Sicht aufgeben und die Meisterschaftsrunde in der höchsten Kampfklasse abbrechen.

Teilweise nur noch 100 Personen waren zu den Kampfabenden zugelassen. Abzüglich der Aktiven, Betreuer und Helfer blieben dann etwa 30 zahlende Zuschauer - für die meisten Vereine ein Minusgeschäft.

Wie und ob die Meisterschaftsrunde überhaupt zu Ende geführt wird, bleibt damit fraglich. Derzeit verbleiben von ursprünglich 26 Ringerteams nur elf Mannschaften in der höchsten Kampfklasse, die in drei Vorrundengruppen die Play-off-Teilnehmer ausringen sollten.

American Football

Die Saison war schon seit Langem abgesagt, nun wollten die Suhl Gunslingers, Südthüringens erste American-Football-Mannschaft, am morgigen Samstag wenigstens noch ein Probetraining anbieten. Doch auch das Try-Out der "Revolverhelden" wurde nun kurzfristig abgesagt. Der Sportplatz am Köpfchen in Zella-Mehlis sei schon am Samstag gesperrt, sagt Gunslingers-Mitgründer Tom Lohfink. "Aber auch wegen des Wetters wäre es schwierig geworden." Auch Lohfink kann den erneuten Stopp im Amateursport nicht begreifen: "Ich denke, man hat in der Vergangenheit gemerkt, dass wir uns an die Regeln gehalten haben. Es gab auch keine Probleme. Und der Sport ist ohnehin nachweislich kein Infektionsherd." kt/awh/cj/jr/rd

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