Klar ist: Einen Freizeitmarkt mit Cannabis-Shops wie in den Niederlanden und einigen US-Bundesstaaten wird es in Deutschland vorerst nicht geben. "Dass der Eigenanbau nun begrenzt erlaubt wird, hilft der Branche nicht", sagt Alessandro Rossoni, Gründer der Medizin-Cannabisfirma Nimbus Health. Das gleiche gelte für Cannabis-Clubs. Einige Cannabis-Firmen seien in Schwierigkeiten geraten, andere verschwunden oder aufgekauft worden. So rutschten laut Fachmedien mehrere Cannabis-Reimporteure in die Pleite. Körperpflegeprodukte auf Cannabis-Basis - es ist ein bunter Markt um Cannabis-Produkte entstanden.
Der Branchenverband Cannabiswirtschaft sieht trotzdem Aufwind für die Firmen. "Eigenanbau und Anbauclubs als Möglichkeiten zur Selbstversorgung sind zwar an sich nicht kommerziell, sie benötigen jedoch Infrastruktur, Ausstattung und Dienstleistungen", sagt Lisa Haag vom Fachbereich Technik, Handel & Dienstleistungen.
Angesichts des Hypes um die Freigabe ist zudem ein bunter Markt um allerlei (legale) Cannabis-Produkte entstanden - von Hanf-Duschgels über Hanf-Tee bis Cremes. Jüngst eröffnete in München ein "Hanf-Megastore", der auf 800 Quadratmetern rund 1000 Produkte rund um Cannabis anbietet. Manches davon wie Hanf-Liköre oder -Nudeln fällt aber eher in die Spaß-Abteilung.
"Die Meinungen, ob die Teillegalisierung der Branche überhaupt noch hilft, gehen weit auseinander", sagt Rossoni, dessen Firma Teil des börsennotierten Arzneiherstellers Dr. Reddy's ist und sich auf Cannabis-Fertigarzneien konzentriert. Jedenfalls sei die Wachstumsstory rund um eine Volllegalisierung vieler Start-ups zusammengebrochen.
Höhere Zinsen und knauserige Investoren
"Wir sehen keine nennenswerten Neueintritte von Firmen mehr in den Markt", beobachtet auch Jakob Sons, Mitgründer von Cansativa aus dem hessischen Mörfelden-Walldorf. Das Unternehmen handelt mit Medizinal-Cannabis, Jahresumsatz rund 17 Millionen Euro. Erschwerend dazu kommen gestiegene Zinsen und vorsichtige Investoren - das Umfeld für Start-ups ist generell rauer geworden. "Einigen Firmen geht die Puste aus", sagte Sons. "Wir beobachten erste Insolvenzen im Markt. Die Konsolidierung schreitet voran."
Sons sieht in der Teillegalisierung dennoch Vorteile. "Es ist kein großer Wurf, aber ein wichtiger Schritt im globalen Trend zur Entstigmatisierung von Cannabis." Zudem herrsche nun etwas mehr regulatorische Klarheit. Da Cannabis ab April aus dem Betäubungsmittelgesetz genommen werden solle, könnten Ärzte medizinisches Cannabis leichter verschreiben. Die Vorbehalte von Medizinern sind nach wie vor groß. "Mit der Teillegalisierung rechnen wir mit deutlich mehr Cannabis-Patienten in Deutschland", meint sein Bruder und Gründungspartner Benedikt Sons. Daher habe man sich bei Investitionen auf den Medizin-Bereich konzentriert. Auch die enormen Vorgaben für Apotheken sänken mit der Teillegalisierung merklich.
Rückenwind für medizinisches Cannabis auf Rezept
Cannabis als Arznei hat schon seit der Liberalisierung 2017 einen Boom erlebt. Kranke können sich den Stoff vom Arzt verschreiben lassen, etwa gegen Spastiken bei Multipler Sklerose oder chronische Schmerzen sowie bei Übelkeit und Erbrechen nach Krebs-Chemotherapien. Laut dem Marktforscher Insight Health bekamen 2023 rund 77.000 Cannabis-Patienten in Deutschland mindestens ein Rezept, dazu kommen private Selbstzahler. Doch die Dokumentationspflichten für Ärzte sind bisher groß. In der Medizin werde die Teillegalisierung der Branche helfen, erwartet auch Rossoni von Nimbus-Health, der neue Cannabis-Produkte plant. "Die Akzeptanz bei Ärzten dürfte steigen."
Cannabisblüten zur medizinischen Behandlung. Ab April könnten Ärzte medizinisches Cannabis leichter verschreiben.
Schon seit der Freigabe von Cannabis auf Rezept gab es Spekulationen über die Freigabe für den Freizeitkonsum. Die Zweifel an der geplanten Umsetzung aber sind groß. Kiffen im öffentlichen Raum etwa soll unter anderem in Schulen, Sportstätten und in Sichtweite davon verboten werden - konkret in 100 Metern Luftlinie um den Eingangsbereich. Und die Cannabis-Clubs sind laut der Pläne als nicht kommerzielle Vereine zu organisieren und brauchen eine Erlaubnis, die befristet gilt. Das Anbaugebäude darf keine Wohnung sein und keine auffälligen Schilder haben. Werbung ist tabu, auch Cannabis-Konsum direkt vor Ort. Geregelt sind überdies Dokumentationspflichten. Rossoni ist skeptisch. "Ob sich das alles als praxistauglich erweist, muss sich noch zeigen."