Vor Wochenfrist auf Point Alpha gab er sich noch sehr altersmilde. Alle Bundesregierungen seit 1949 seien unbeirrt und erfolgreich den Weg der europäischen und nordatlantischen Integration gegangen, lobte Altkanzler Helmut Schmidt auf dem Rasdorfer Berg. Was der 91-Jährige nun in einem Zeitschriften-Interview über die Regierung Merkel sagt, hört sich gar nicht mehr altersmilde an: "wilhelminische Großspurigkeit", eine Politik "zum Schieflachen", wirkungsloser "Unfug" - das klingt alles eher nach Gerhard Schröder als nach "Elder statesman". Doch wenn die Kanzlerin eine solche Kritik aus dem Munde ihres Vorgängers noch achselzuckend abtun könnte, die Attacke ihres Vorvorvorgängers dürfte sie ebenso schmerzen wie der fast bodenlose Absturz in den Wählerumfragen. Schmidt ist eine politische Instanz in diesem Lande; wenn die Deutschen sich in diesen Krisenzeiten einen Kanzler aus der Vergangenheit aussuchen könnten, sie nähmen Schmidt. Überhaupt die Alten: Kürzlich hat ihr Parteifreund Kurt Biedenkopf die Kanzlerin düpiert, die ehemalige FDP-Politikerin Hildegard Hamm-Brücher ist in der Bundesversammlung Wahlfrau der Grünen, und auch wenn dort Christian Wulff gewählt werden dürfte, der 70-jährige Joachim Gauck ist jetzt schon so etwas wie der Präsident der Herzen. Die Union, für die Jugend traditionell weniger attraktiv, gerät zusehends auch ins Fadenkreuz der Älteren. Woran das liegt? Weil in Berlin nicht mehr regiert, sondern nur noch - und das mehr schlecht als recht - reagiert wird. Vielleicht sollte Angela Merkel sich einfach einmal in Hamburg mit Helmut Schmidt treffen. Sie braucht nur einigen Mut dazu: Altersmilde darf sie offensichtlich nicht erwarten.