James Blunt in Coburg Wie im Wohnzimmer eines Kumpels

James Blunt begeisterte sein Publikum am Samstagabend nicht nur musikalisch. Auch sein britischer Humor sorgte für strahlende Gesichter.

 
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Über Musikgeschmack lässt sich bekanntlich hervorragend streiten. Auch an den Songs des britischen Singer-Songwriters James Blunt scheiden sich bisweilen die Geister. Besonders die höheren Tonlagen sprechen nicht jeden Musikliebhaber an. Am Samstagabend jedoch war das völlig anders. Da sitzt doch tatsächlich am vierten Tag des Open-Air-Sommers ein internationaler Star völlig tiefenentspannt am Klavier und plaudert ausgelassen mit seinem Coburger Publikum. Kann das denn überhaupt möglich sein? Irgendwie ungewohnt, aber auch herrlich normal. Und sympathisch ist er ja, der Besuch von der Insel. Als Abendgarderobe hat sich der 48-Jährige nicht etwa für ein auffälliges Glitzerkostüm entschieden, sondern für Jeans, Hemd und Turnschuhe. Völlig lässig und unkompliziert. Fast könnte man als Zuschauer vergessen, dass man sich auf dem weitläufigen Schlossplatz befindet. Man fühlt sich eher wie bei einem Wohnzimmerkonzert des besten Kumpels. Nur mit besserer Akustik natürlich. Aber der Reihe nach.

Lockdown mit der Schwiegermutter

Bevor der Sänger aus England seinen langersehnten Auftritt startete, brachte die 27-jährige Oberösterreicherin Miriam Hufnagl mit ihrer Band AVEC richtig Stimmung auf den Schlossplatz. Nach einer kurzen Umbaupause präsentierte sich dann gegen kurz vor 21 Uhr endlich der musikalische Gast aus Großbritannien. Der 48-Jährige, der knapp zehn Jahre seiner Jugend in Deutschland verbracht hat, ließ es sich nicht nehmen, sein Publikum mit ein paar gebrochenen deutschen Sätzen zu begrüßen. „Mein Deutsch ist ein bisschen sch....“ Der typisch britische Humor war neben den musikalischen Showeinlagen ein Höhepunkt des Abends, der immer mal wieder aufblitze. Die Sympathiepunkte der Vestestädter hatte Blunt innerhalb weniger Minuten sicher. Und es sollte nicht der letzte Lacher bleiben. „Meinen nächsten Song können nur Frauen singen. Und ich natürlich. Manche Töne sind so hoch, dass sie nur Hunde hören dürften“, nimmt sich der Brite selbst auf die Schippe, allerdings wieder in seiner Muttersprache. „Ich bin so froh, dass ich nach dem Lockdown wieder für euch spielen darf. Mein Lockdown war bestimmt deutlich schlimmer als euer Lockdown, denn ich musste ihn zusammen mit meiner Schwiegermutter verbringen.“

"Er hat mich tatsächlich umarmt"

Dann brachte James Blunt den Schlossplatz zum Beben. Ganz ohne provozierende Texte oder übertriebene Bässe. Obwohl eine ausgelassene Stimmung herrschte, verlief der Konzertabend deutlich ruhiger und entspannter die in den Tagen zuvor. „Am Mittwoch bin ich auch auf dem Sido-Konzert gewesen. Ganz ehrlich, ich kann nicht sagen, welcher Auftritt mir besser gefallen hat. Ich bin einfach nur positiv überrascht“, schilderte Natascha (45) aus Coburg. Die aufgestellten Stühle und Sitzreihen verkamen innerhalb kürzester Zeit immer mehr zur Deko oder zur Tanzfläche. „Ich habe schon so manches Live-Konzert von James Blunt besucht, aber auf keinem herrschte so eine ausgelassene Stimmung wie hier“, freute sich Konstanze (36) aus Bayreuth. Ihr Mann Christoph (39) hingegen wollte ursprünglich lieber in die Allianz-Arena nach München und musste erst überzeugt werden. „Ich muss zugeben, eigentlich bin nur hier, weil mein Schatz nicht alleine nach Coburg wollte. Jetzt aber bin ich doch ganz froh, dass ich mich habe überreden lassen."

Auch James Blunt ließ sich von der überragenden Stimmung anstecken. Plötzlich und unverhofft sprang der 48-Jährige von der Bühne und drehte eine Ehrenrunde über den Schlossplatz. Ganz auf der andern Seite umarmte er einen Fan, drehte sich um und schüttelte mehrere Hände. Dann machte er sich auf den Rückweg zu seinem Mikrofon. „Ich glaub das nicht, er hat mich tatsächlich umarmt“, lachte Kaitlin (19) aus Coburg. „Das glaubt mir doch kein Mensch, wenn ich das erzähle.“

Wechselbad der Gefühle

Im Anschluss wurde es etwas sentimental. Besonders mit seiner Debütsingle „You are beautiful“ , die Blunt 2005 zum internationalen Durchbruch verholfen hat, brachen rund um Schloss Ehrenburg sämtliche Dämme. „Dieses Lied wurde im Radio gespielt, als mein Vater verstorben ist“, erklärte Steffi (40) aus Bamberg. „Jedes Mal, wenn ich den Song höre, werde ich an die schlimme Zeit erinnert und ich muss weinen.“ Doch dieser Gemütszustand hielt nicht lange an. Um einen bessren Blick auf sein Publikum zu haben, kletterte Blunt mal eben schnell auf sein wackliges Klavier und sorgte im Handumdrehen wieder für lachende Gesichter.

Im Laufe des Abends spielte der Brite so ziemlich jeden bekannten Song aus seinem Repertoire. Wie ein Flitzebogen sauste James Blunt über die Bühne und animierte die Coburger zum Mitsingen. Doch gegen 22.30 Uhr neigte sich das Open-Air-Konzert dann allmählich seinem Ende entgegen. Mit einem letzten Song verabschiedete der Star des Abends sein Publikum in die Nacht: "Vielen Dank, auf Wiedersehen und gute Nacht.“ Bis zum nächsten Besuch in der Vestestadt?

>> So war die Stimmung vor dem Konzert

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