Hassberge Hin zur Wende mit Sonne und Wind

Christian Schuster

Marco Siller sitzt erst seit Mai an der Spitze der GUT im Landkreis Haßberge. Seitdem arbeitet er auf Hochtouren an einem Konzept für eine flächendeckend grüne Stromversorgung.

 
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Kreis Haßberge - Der Gedanke, irgendwann den gesamten Strombedarf mit erneuerbaren Energien zu decken, ist für viele Menschen inzwischen der Bestandteil einer lebenswerten Zukunft geworden. Und es ist ein Szenario, das Marco Siller für den Landkreis Haßberge als durchaus realistisch ansieht. Seit Mai ist der Diplom-Ingenieur aus Unfinden Geschäftsführer der Gesellschaft zur Umsetzung erneuerbarer Technologieprojekte im Landkreis Haßberge - kurz GUT. Und für ihn steht fest: Bis 2030 könnte man der Energiewende im Landkreis, zumindest was den Strom angeht, ein großes Stück näher kommen.

Aus der Luft gegriffen hat Marco Siller diesen Optimismus freilich nicht. Laut dem Energienutzungsplan des Landkreises, der 2015 von Forschern der Technischen Hochschule Amberg-Weiden erarbeitet wurde, hat der Kreis Haßberge einen jährlichen Stromverbrauch von rund 425 900 Megawatt-Stunden (MWh). Schon damals wurde mehr als die Hälfte aus erneuerbaren Energien erzeugt.

Ebenfalls herausgearbeitet wurde zu jener Zeit das Ausbaupotenzial der Stromerzeugung: Insgesamt könnten rund 462 000 MWh aus erneuerbaren Energien erzeugt werden. Mehr als der Verbrauch also. Als zentrale Bausteine fungierten im Konzept von 2015 ein Mix aus Photovoltaik-Anlagen (PV) auf Freiflächen und Windrädern aber auch die Stromerzeugung über Solarzellen auf Dächern und Biomasse.

Die ersten Wochen seiner Tätigkeit hat Marco Siller dafür genutzt, zu überprüfen, wie aktuell die Zahlen noch sind - und zu schauen, was man tatsächlich konkret im Landkreis umsetzen könnte. Die Erzeugung von Strom aus Biomasse und über die Dachflächen sehe Siller dabei zwar Modelle für den Eigenbedarf aber nicht mehr als besonders geeignet für eine flächendeckende Stromversorgung. Die Vergütungen für die Einspeisung ins Stromnetz seien bei diesen beiden Techniken inzwischen nicht mehr so hoch wie noch vor einigen Jahren und die Produktionsmenge schlicht zu gering. Nach Sillers Berechnungen müssten etwa 20 000 der 34 000 Haushalte im Landkreis eine PV-Anlage auf dem Dach installiert haben, um genügend Strom zu erzeugen.

Realisierbar und den Bedarf deckend sei jedoch die Kombination von Freiflächen-PV und Windrädern. Ein konkretes Ziel: die Errichtung von 20 Anlagen mit einer Gesamtleistung von 200 MWp. Bei einem Hektar pro MWp benötige man dafür 200 Hektar, was zunächst nach viel klinge. Allerdings seien das gerade einmal 0,44 Prozent der mehr als 45 000 Hektar landwirtschaftlichen Fläche des Landkreises. Verteile man die Anlagen auf die Kommunen, wären pro Gemeinde oder Stadt gerade einmal 10 Hektar nötig. Genutzt würden dafür auch nur landwirtschaftlich "benachteiligte Gebiete". Das sei durchaus zu verwirklichen.

In Sachen Windenergie rechnet Marco Siller mit zusätzlichen 15 Windrädern, die weitere 75 MW erzeugen sollen. Er könne sich dabei je fünf an drei verschiedenen Standorten vorstellen. Wind und Sonne würden sich dahingehend ergänzen, dass im Sommer häufig viel Sonne und wenig Wind herrscht, im Winter sich die Verhältnisse jedoch umkehren.

Wichtig sei bei alledem nicht den "Heuschrecken" von außerhalb Tür und Tor zu öffnen, sondern die Wertschöpfung in der Region zu behalten. Wie schon bei dem Windpark in Sailershausen solle den Bürgern vor Ort die Möglichkeit gegeben werden, nicht nur als Verpächter, sondern auch als Investor Geld zu verdienen und auch die Kommunen über die Gewerbesteuer profitieren zu lassen.

Die Erzeugung von Strom aus erneuerbaren Energien sei, so der GUT-Geschäftsführer, aber nur eine von drei Säulen, die man für eine komplette Energiewende benötige. Mit rund 2 Millionen MWh sei der Bedarf bei der Wärmeversorgung und der Mobilität um ein Vielfaches größer als der Strombedarf. Auch wenn eine Wärmegewinnung durch Geothermie möglich sei, werde an der Wärmeanomalie in den tieferen Gesteinsschichten ( wir berichteten mehrfach ) derzeit noch geforscht. Vereinzelt seien auch Nahwärmenetze mit der Verwertung von Holz möglich. Langfristig würde man vor allem in der Mobilität aber wohl auf Wasserstoff oder andere Gase setzen. "Wenn wir in Wasserstoff oder Gas denken, dann brauchen wir immer zuvor Strom", räumt Siller ein. Der Fokus liege daher zunächst auf der Stromversorgung.

"Wir müssen aufpassen, dass wir den dritten Schritt nicht vor dem ersten machen", mahnt er. Schließlich sei vieles davon derzeit noch Ideen auf dem Reißbrett. Zunächst gelte es zu erproben, ob und wie weit die Kommunen - und damit die Bürger - im Landkreis bei diesem Unterfangen überhaupt mitgehen wollen und können. Siller hat daher seinen Antritt als Geschäftsführer im Mai genutzt, um sich und sein Verständnis für die Energiewende in den Stadt- und Gemeinderäten des Landkreises vorzustellen ( siehe Artikel unten ). Denn eines soll laut Siller auf keinen Fall sein: "Die Energiewende kann nicht auf Basis von Kirchturmpolitik stattfinden. Wir müssen eine breite Zustimmung in der Bevölkerung bekommen."

Als "Neuling im Landratsamt", sei Siller daher froh, dass sein Büro neben dem von Kreiskämmerer Marcus Fröhlich liegt. Fröhlich ist bereits seit Februar ebenfalls als Geschäftsführer bei GUT eingesetzt, allerdings nur in einer Nebentätigkeit. Doch die Expertise im Steuer- und Finanzsektor und das Netzwerk, dass sich er Kreiskämmerer seit dem Beginn seiner Beschäftigung in der Kämmerei in 2014 inzwischen aufgebaut hat, seien sehr wertvoll. "Es braucht immer jemanden, der den Wirtschaftsplan erstellt", erklärt Fröhlich. Er wolle also die "Basis schaffen" für die Arbeit von GUT.

Fröhlich betont aber ebenfalls, dass er nicht nur mit Fachwissen, sondern auch mit dem Herzen hinter den Zielen von GUT und seinem Kollegen Siller steht. Die Energie künftig weiter aus Kohle-, Gas- oder gar Atomkraftwerken am Ende sogar aus den umliegenden Ländern zu beziehen, sei für ihn keine Option. "Ich sehe die dezentrale Versorgung und damit auch die Erzeugung von Strom vor Ort als die einzige Möglichkeit an", ist sich Fröhlich sicher.

"Ist eine Energiewende denn überhaupt nötig?", fragt Marco Siller noch einmal. "Meiner Meinung nach, ja. Aber es ist auch legitim für die Kommunen, nicht alle Pläne mitzumachen." Dann allerdings - und das macht Siller unmissverständlich klar - müsse man schauen, wo Alternativen lägen.

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