Handball „Einfach klasse, weltklasse“

Ein Selfie von der Handball-WM 2019: Ex-Profi Dominik Klein (vorne/links) wird bei einem Spiel der Isländer in München eingekesselt – von Martin Blechschmidt (dahinter), Robert Blechschmidt (hinten), Sandy Adamsky und Paul Dietrich. Foto:  

Die Handball-WM steht in den Startlöchern. Zwangsläufig fiebern die Fans nun daheim am Fernseher mit. Interessante Beispiele und Hintergründe – aus Sonneberg und Eisenach.

 
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Sonneberg/Eisenach - Zum zweiten Mal richtet Ägypten eine Handball-WM aus. Zum zweiten Mal schreiben die Nordafrikaner Geschichte, denn am Fuße der Pyramiden trafen sich bereits 1999 die besten Handballmannschaften, um den Weltmeister zu ermitteln. Bereits bei ihrer Premieren-WM trugen sich die Ägypter in die Handball-Geschichtsbücher ein. Für die Männer vom Nil ist es bereits die 16. Teilnahme an einer Weltmeisterschaft. Zum einen stellten sie mit ihrem Hallen-Tempel Cairo Stadium Indoor Halls einen Weltrekord auf. Noch nie zuvor fanden 20 000 Zuschauer in einer Halle Platz. Der Lärm in der Halle war ohrenbetäubend, wohl auch, weil nicht jeder auf den Zuschauerrängen Handballexperte war.

Zweitens fand die Handball-WM in Ägypten zum letzten Mal im Juni statt, also nach den Punktspielen in den jeweiligen Ländern. Die WM in Frankreich 2001 wurde bereits im Januar/Februar ausgespielt. Den Titel sicherten sich damals die Schweden, die in einem denkwürdigem Finale Russland mit 25:24 Toren besiegten. Deutschland belegte Rang vier und die Gastgeber, die mit einer großen Erwartungshaltung ins Turnier gestartet waren, wurde Siebenter. Auch wenn es bereits zu dieser Zeit Kritik daran gab, die WM im Sommer nach Ägypten zu verlegen, die Nordafrikaner erwiesen sich mit ihren modernen Hallen und ihrer Freundlichkeit als würdige Gastgeber und belehrten die Kritiker eines Besseren.

Nun, zur 27. Handball-WM, schreibt Ägypten erneut Geschichte: Erstmals gibt es ein Groß-Turnier mit 32 Mannschaften. Ein nicht unumstritten großes Teilnehmerfeld. Aus acht Vorrundengruppen mit je vier Mannschaften werden die Teilnehmer der vier Hauptrundengruppen ermittelt. Der Handballsport soll, ähnlich wie der Fußball, in möglichst vielen Ländern der Erde attraktiv gemacht werden. Nachdem die internationale Spielergewerkschaft erfolgreich gegen die Zulassung von Zuschauern ihr Veto einlegte, findet die Handball-WM ohne Besucher statt, bleiben die beeindruckenden, modernen Hallen für die Zuschauer gesperrt. Trotzdem werden die Ägypter auch dieses Mal gute Gastgeber sein und alles daran setzen, nicht nur bei der Einhaltung der vorgegebenen Corona-Hygiene-Schutzmaßnahmen für beste Bedingungen zu sorgen.

Just genau vor einem Jahr machte das Virus scheinbar noch einen Bogen um die Handballer – bei der WM, die in Dänemark und Deutschland ausgetragen wurde. Recht gut erinnert sich daran noch Martin Blechschmidt. Der ehemalige Thüringenliga-Torschützenkönig beim Sonneberger HV und heute dort für die Pressearbeit des Oberligisten zuständig, war sogar vor einem Jahr vor Ort – zusammen mit den Handballern Paul Dietrich und Bruder Robert sowie Stefan Gerber, ebenfalls ein Ehemaliger. „In der Olympiahalle in München ging die Post ab. Dort haben wir gleich mehrere Spiele anschauen können. Die Stimmung war einfach klasse, weltklasse“, weiß Blechschmidt und ergänzt: „Das ganze Drumherum war beeindruckend. Wir haben isländische Fans kennengelernt und mit denen sogar nach dem Spiel was getrunken.“ Und auch an das Selfie mit Dominik Klein, einem ehemaligen deutschen Linksaußen, denkt Blechschmidt gerne zurück. „Das war eine ganz andere Zeit, eine geile Stimmung.“ Der Sonneberger stellt aber auch klar: „In Sonneberg wohnen wohl mit die besten Fans in ganz Thüringen. Das sind wir schon lange und werden es auch wieder, wenn es mal wieder erlaubt sein wird ...“

Martin Blechschmidt hält sich mit WM-Prognosen zurück, zumal ihn die Deutschen, trotz der Absagen, im jüngsten Test positiv überraschten. „Aber ich denke, die Franzosen – mit ihrer Mischung aus jung und alt – sind ziemlich stark, zu stark.“

Markus Murfuni, Trainer des Zweitbundesligisten ThSV Eisenach, wünscht sich und hofft, dass „das ägyptische Corona-Schutz-Konzept vom ersten bis zum letzten Tag greift. Wenn das gelingt, wird niemand mehr darüber diskutieren, dass in diesen Zeiten die WM gespielt wird. Wenn es klappt und die WM-Orte nicht zu Corona-Hotspots werden, wurde alles richtig gemacht. Wenn eine Mannschaft doch einen Corona-Fall erlebt, beginnen natürlich die Diskussionen wieder. Ich versuche, positiv zu denken“, meint Markus Murfuni, der neben der deutschen Mannschaft freilich auch „seine beiden“ Österreicher, Daniel Dicker und Thomas Eichberger, im Blick hat. Für Murfuni ist es gut, dass der Handball in noch mehr Ländern bekannt gemacht wird. „Wir sollten dabei auch keine Mannschaft unterschätzen und ihnen allen den nötigen Respekt entgegenbringen“, so der ThSV-Trainer, für den Norwegen, Spanien, Frankreich und Kroatien zu den Favoriten zählen. „Für die Ägypter wird es ohne Zuschauer sicherlich schwerer, aber ich denke, sie haben sich gut auf ihre Heim-WM vorbereitet. Wenn die deutsche Mannschaft die ganze Leidenschaft der jungen Wilden in die Waagschale werfen kann, traue ich ihr eine gute Platzierung zu“, meint Murfuni, für den Portugal der Geheimfavorit ist.

Anders sieht es ThSV-Manager René Witte. „Ich hatte es ins Auge gefasst, nach Ägypten zu fahren. Allerdings legte ich diesen Plan bereits im Sommer ad acta. Es war ja auch lange nicht klar, ob überhaupt gespielt werden wird. Froh stimmt mich, dass zumindest die Zuschauer nicht zugelassen werden. Pessimistisch stimmt mich, dass die USA wegen 18 (!) positiv getesteter Spieler ersatzgeschwächt anreist. Ich hätte mir gewünscht, dass die Bundesliga-Spiele und auch die WM verschoben worden wären. Ich bleibe bei meiner Meinung, dass wir uns gegenüber der Bevölkerung solidarisch zeigen müssen“, erklärt Witte, der so viele Spiele wie möglich im Fernsehen und Internet verfolgen wird. „Natürlich schauen wir, ob sich nicht ein interessanter Spieler für uns auftut. Da brauchen wir freilich nicht nach Frankreich oder Dänemark zu schauen, sondern wir beobachten die handballerisch vermeintlich kleinen Nationen“, so der Manager aus Eisenach. lr/fri

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