Freies Wort hilft Ein Lichtblick für die kleine Marla

Madlen Pfeifer
Ein Lächeln in Marlas vom Krebs und von der Behandlung gezeichnetem Gesicht zeugt von der positiven Botschaft, die das Mädchen und Mutter Kathleen am 6. Juni erhalten haben. Foto: privat/privat

Der enorme Betrag von knapp 80.000 Euro wurde nach dem Aufruf von „Freies Wort hilft“ für die an Blutkrebs erkrankte Marla gespendet. Und eine noch viel freudigere Nachricht gibt es für die Siebenjährige.Erstmals sind keine Leukämiezellen mehr in ihrem Blut.

 
Schließen

Diesen Artikel teilen

Ihre Haut ist blass. Marla sieht müde und kraftlos aus, wie sie da sitzt auf einer Bank draußen im Grünen fernab eines sterilen Krankenhauszimmers. Und doch ist da ein Lächeln in ihrem Gesicht zu erkennen an ihrem ersten Tag seit vielen Wochen, an dem sie die Klinik zumindest für einen Moment lang verlassen und mal frische Luft schnappen darf. Den Anlass hält sie in den Händen: Ein Blatt Papier, auf das sie einen großen roten Krebs gemalt hat. Darunter steht „26.9.22 bis 6.6.23“ und die Kürzel „TALL BCR-ABL Ph+“. Es ist der Name des Krebses – eine mögliche Schreibweise –, der ihr und ihrer Familie das Leben mehr als acht Monate zur Hölle gemacht hat.

Ja, die Betonung liegt auf „hat“. Marla nimmt das Blatt Papier, zerreißt es und damit den Krebs in zwei Hälften. Sie hat die Leukämie besiegt. Auf jeden Fall im Moment. Sie gilt als krebsfrei. Wenngleich das, wie Mutter Kathleen sagt, keiner der Ärzte wortwörtlich so ausspricht. „Es sind keine Leukämiezellen mehr im Blut zu finden.“ Diese frohe Botschaft haben die behandelnden Mediziner am Klinikum in Jena Mutter und Tochter am 6. Juni verkündet. Es dürfte sich wie ein zweiter Geburtstag für die Siebenjährige anfühlen. Oder gar wie ein dritter, denn die eigentliche Kehrtwende wurde bereits am 11. Mai eingeläutet.

Marla zerreißt den aufs Papier gemalten Krebs: Ein symbolischer Akt dafür, dass es mit ihrer Gesundheit erstmals nach Monaten bergauf geht. Foto: privat

Wie mehrfach berichtet, haben Ärzte bei Marla aus Schmiedefeld im Landkreis Saalfeld-Rudolstadt Ende September eine äußerst seltene Form einer Akuten lymphatischen Leukämie, kurz ALL festgestellt. Bereits nach den ersten Chemotherapie-Behandlungen wurde das Mädchen in die Hochrisikogruppe eingestuft. Heißt, dass sie auf eine Stammzellspende angewiesen ist. Familie und Co. haben Dutzende Typisierungsaktionen initiiert, um einen geeigneten Spender zu finden. Marla musste sich in der Zwischenzeit weiteren Chemo-Behandlungen unterziehen. „Nach dem vierten und letzten Block ging es ihr richtig schlecht“, erinnert sich Mutter Kathleen. „Da war es wirklich, wirklich knapp.“

Die Zahl der Leukämiezellen im Blut war trotz Chemo nach wie vor zu hoch und an eine Spende nicht zu denken. Und dass, obwohl sich zwischenzeitlich ein genetischer Zwilling – wenngleich kein hundertprozentiger – in Amerika aufgetan hat. Die Ärzte sahen seinerzeit im April die einzige Chance in einer speziellen, erst seit Kurzem anerkannten Therapie, die in einer Klinik in Singapur zum Einsatz kommt. Die Kosten allein für die zwei- bis dreimonatige Behandlung wurden auf über 300000 Euro beziffert. Was eine angefragte Übernahme dieser anbelangt, hat die Krankenkasse vor wenigen Tagen mit einem siebenseitigen Schreiben reagiert, aus dem jedoch keine eindeutige Antwort hervorgeht. Für Reise, Unterbringung und Versorgung wären obendrein Kosten angefallen. Mutter Kathleen kann ihrer Arbeit seit der Diagnose nicht mehr nachgehen. Lebensgefährte Manuel hat die Arbeitszeit ebenfalls reduziert, um für Marlas Geschwister, Luca und Lea, da zu sein. Der Verein „Freies Wort hilft“ hatte zu Spenden für die Familie aufgerufen. Vor allem um ihr die finanzielle Hürde im Zuge der Therapie so niedrig wie möglich zu gestalten. 78793,31 Euro sind auf dem Konto des Hilfswerkes dieser Zeitung eingegangen. Der Verein und die Familie bleiben dahingehend miteinander im Austausch.

Ärzte reagieren auf veränderten Zustand

Seit April hat sich die Situation um Marla verändert. Ging es ihr zum damaligen Zeitpunkt noch so schlecht, dass eine vor der Singapur-Behandlung notwendige Beckenkammpunktion zur Bestimmung der Leukämiezellen im Blut nicht möglich war, konnte diese dann wenig später glücklicherweise doch durchgeführt werden. Marlas Werte seien so gut wie lange nicht gewesen, erzählt Mutter Kathleen, sodass sich die Ärzte mit Blick auf die Stammzelltransplantation entschieden hatten: „Wir machen das jetzt“ – ohne die vorbereitende spezielle Therapie in Singapur. Am 11. Mai war der große Tag.

Auf sechs Tage der sogenannten Konditionierung – Marlas krankes Knochenmark wurde mittels mehrerer Ganzkörperbestrahlungen zerstört – folgte schließlich die intravenöse Übertragung der vom Spender gewonnenen Stammzellen an die Siebenjährige. Nach gut drei Stunden war alles überstanden, so Kathleen. Marla sei zwar ein wenig schlapp gewesen, ansonsten aber habe sie es recht problemlos verkraftet.

Vier Wochen sind inzwischen vergangen. Mutter und Tochter sind noch immer – seit 17. März durchgängig – im Krankenhaus. Aber Kathleen kann sagen: „Marla geht es soweit gut. Ihre Blutwerte sind okay. Jetzt müssen sie nur stabil bleiben.“ Und ohne neue Leukämiezellen.

Die Freude bei der Familie, bei Freunden, Bekannten und allen, die Marlas Schicksal in den vergangenen Wochen und Monaten berührt hat, ist groß. Fotos und Videos vom Zerreißen des Blatt Papieres mit dem Krebs darauf machen im WhatsApp-Status im Umfeld der Familie die Runde. Mancher schreibt dazu „Die beste Nachricht des Jahres“, manch anderer „Das Wunderbarste an den Wundern ist, dass sie manchmal wirklich geschehen“. Mama Kathleen aber übt sich in Zurückhaltung. „Ich freue mich riesig“, sagt sie, „aber die Angst ist noch da. Es kann immer noch zur Abstoßung kommen.“ Nebenwirkungen seien nicht ausgeschlossen, ebenso wenig, dass wieder Leukämiezellen in ihrem Blut auftauchen. „Es kann immer noch alles Mögliche passieren.“

„Singapur ist noch nicht vom Tisch“

Marla werde fortan regelmäßig untersucht. Immer wieder stünden Punktionen an, um die Blutwerte zu checken. Was Zukunftsprognosen angeht, würden sich die Ärzte zurückhalten. Es werde nicht etwa jede mögliche auftretende Variante durchgespielt, sondern Tag für Tag geschaut, wie sich Marlas Zustand entwickelt. Fakt aber sei eines, so Kathleen: „Singapur ist noch nicht vom Tisch.“ Es sei nach wie vor noch eine Option, sollte es ihrer Tochter wieder schlechter gehen und die Leukämie zurückkehren.

Die Hoffnungen ruhen nun darauf, dass auf die Nachricht vom 6. Juni – die erste gute nach acht Monaten – weitere folgen mögen. Dass Marla Stück für Stück den Weg zurück ins normale Leben findet, etwa wieder ohne Dauerkatheter selbstständig essen und trinken, mit ihren Geschwistern und anderen Gleichaltrigen ausgelassen spielen kann und letztlich einfach wieder Kind sein darf. Wenngleich sich dieser Weg wohl noch ziemlich lang gestalten wird. Aktuell wünschen sich Tochter und Mutter nichts mehr, als das Krankenhaus verlassen und nach so vielen Wochen wieder nach Hause gehen zu können. „Das wäre schön“, sagt Kathleen. Doch könne momentan noch keiner sagen, wann das soweit sein wird.

Bilder