Man erkennt es nicht sofort, das Stück Gleis, das da im Halbdunkel über dem schwarzen Orchestergraben liegt. Erst nach und nach, wenn sich die Augen ans Theaterdunkel gewöhnt haben, schält es sich heraus: Zwei Schienen, ein paar Schwellen, ein Stationsschild. "Anatevka" steht da in russischen Buchstaben. Aber man versteht es sofort: Wo ein Gleis liegt, wo es Symbol wird, da geht es nicht ums Ankommen. Da geht es ums Weggehen. Und weil das Stück aber "Der Fiedler auf dem Dach" heißt, geht es nicht ums Weggehen wollen, sondern ums Weggehen müssen. Hodel, die zweitälteste Tochter von Milchmann Tewje, wird von hier aus zu ihrem Liebsten in die sibirische Verbannung fahren. Ein Abschied, der den Exodus nur vorausahnt: Am Ende müssen alle Juden das Dörfchen Anatevka verlassen. Wann immer dieses Musical auf die Bühne kommt, schwingt auch das Schicksal mit, dass so viele Juden in Europa erleiden mussten.