Märkte, Burgfeste und Mittelalterspektakel „Nichts Genaues weiß man nicht...“

Jessie Morgenroth und

Festivals und Großveranstaltungen gehören in Südthüringen schon immer auf den Veranstaltungs-kalender. Nachdem schon im vergangenen Jahr fast alle ausfallen mussten, sieht es auch dieses Jahr eher trübe aus, wie unsere neue Serie zeigt. Ein Blick in die Szene der Märkte, Burgfeste und Mittelalterspektakel.

 
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Wo sind sie hin, die wackeren Ritter, die Drachen töten, Jungfrauen retten und die Welt so zu einem guten Platz machen? – Das fragt sich wohl so mancher Mittelalter-Fan. In der Region erfreuen sich Burgfeste, Ritterturniere, Barockfeste und Mittelaltermärkte aber auch Wikinger-Events ebenso großer Beliebtheit wie das unterschiedlichste Markttreiben: Vom Vitus-Markt in Vacha über das Barockfest in Gotha bis zu den Burgfesten und Ritterturnieren in Schleusingen, auf der Veste Heldburg oder auf der Kronacher Festung Rosenberg. Beliebt beim Publikum wie bei den Machern ist auch das mittelalterliche Marktreiben auf dem Schmalkalder Schloss Wilhelmsburg und natürlich die Walpurgisnacht in Zella-Mehlis..

Alljährlich lockt das Mittelalterfest zu Pfingsten normalerweise auch tausende Besucher auf die Creuzburg im gleichnamigen Städtchen im Wartburgkreis. Für 2021 wurde es nun in der vergangenen Woche abgesagt. Und auch die ursprünglich für das vergangene Jahr vorgesehenen Konzerte sind verlegt worden,und zwar auf den bevorstehenden Sommer. „Wir hoffen, dass wir sie stattfinden lassen können und wir sie nicht absagen müssen“, sagt Andrea Hornung von der Touristinformation Creuzburg. Nur ein Termin sei bereits auf 2022 verlegt worden, nämlich das Konzert mit Fury in the Slaughterhouse, das nun am 2. September 2022 stattfindet. Der Kartenvorverkauf für dieses und die anderen – im bevorstehenden Sommer geplanten – Freiluftkonzerte auf der Creuzburg hoch über der Werra hingegen läuft derzeit noch weiter: Am 16. Juli 2021 sollen Die Prinzen auftreten, am 17. Juli dann Jethro Tull. Für den 20. August ist ein Konzert mit Lea geplant und tags darauf soll nach aktueller Planung Schlagerstar Matthias Reim auf der Bühne zu erleben sein. Am 4. September könnte es dann auch in musikalischer Hinsicht vor malerischer Kulisse wahrlich mittelalterlich werden, denn dann sollen In Extremo die 850 Jahre alte Burganlage zumindest ein bisschen zum Wackeln bringen.

Seit einem Vierteljahrhundert organisiert Henri Bibow aus dem sächsischen Torgau mit seiner Mittelalteragentur „Sündenfrei“ Feste, Märkte und ähnliche Veranstaltungen, und zwar in ganz Deutschland, beispielsweise auch auf und rund um Schloss Bertholdsburg in Schleusingen, am Stausee Hohenfelden, in der Niederburg Kranichfeld oder am Kyffhäuserdenkmal. Die insgesamt 11 festen Mitarbeiter von „Sündenfrei“ gelten den örtlichen Veranstaltern als absolute Profis im Geschäft und können umgekehrt auf die Treue ihrer Stammkundschaft zählen. „Überall in Deutschland, von Wasserburg am Bodensee bis Glücksburg an der Flensburger Förde, von Xanten am Niederrhein bis Dresden greift die Agentur auf ein deutschlandweites Netzwerk von Dienstleistern zurück. „Sündenfrei“ verfügt über einen enormen Fundus an Kulissen, Markthütten, Möbeln, Zelten, Fahnen und Kostümen, der zum Teil auch verliehen wird.

In der Krise hat sich Henri Bibow entschlossen, auch in den Online-Handel mit mittelalterlichen Devotionalien einzusteigen. Der Endfünfziger begreift die Einschränkungen also notgedrungen auch als Chance. Das ist auch bitternotwendig: „Im vergangenen Jahr sind unterm Strich 48 von 50 fest geplanten Veranstaltungen abgesagt worden“, berichtet er. „Zumindest greifen bei uns die Hilfspakete, die wir eigentlich gar nicht in Anspruch nehmen wollten.“ Vor allem sei es aber für die Händler und Musiker mühselig, durch die „schwarzen Jahre“ zu kommen. „Es gibt für dieses Jahr keine Aussicht auf Arbeit, und das wenige, was versucht wird, funktioniert eher schlecht als recht.“ Auf der Albrechtsburg in Meißen, die im Rahmen eines Modellprojekts für Besucher mit negativem Test geöffnet hat, seien am gesamten Wochenende vielleicht 60 Besucher gewesen, um die Schätze zu bewundern. „Das stehen Aufwand und Nutzen in keinem vertretbaren Verhältnis zueinander, und das würde auch in Südthüringen, etwa auf der Bertholdsburg in Schleusingen, sicherlich kaum anders aussehen“, ist er sich sicher.

Ein unvergesslicher Höhepunkt in Thüringen wäre die große Nachstellung von Luthers Ankunft in Eisenach vom 7. bis 9. Mai geworden, allein: Wie schon im vergangenen Jahr, als die Feiern zum 250. Geburtstag Beethovens der Pandemie zum Opfer fielen, wurde auch das Spektakel zum 500. Jubiläum der Entführung des Reformators abgesagt. „Da muss der arme Luther noch eine Zeit lang in Worms bleiben und auch die Reformation findet pandemiebedingt ein bisschen später statt“, scherzt der Agenturchef über den verlorenen Auftrag.

Auch wenn die Party zum 25-jährigen Bestehen der Agentur „Sündenfrei“ im November nicht stattfinden konnte, richtet sich Henri Bibows Blick nach vorn. Seit einiger Zeit bietet er auch Wikingerfeste an, im vorvergangenen Jahr kreuzte dafür sogar ein Wikingerschiff auf dem Stausee Hohenfelden. „Diese Geschichte wollten wir weiter ausbauen und groß aufziehen“, verrät Henri Bibow. Er sei mit seiner Frau eigens nach Gotland gereist, um Musikanten und Handwerker dafür ausfindig zu machen. Die russische Band „Nytland“ sei bereits für die Wikingerspektakel gebucht gewesen. „Aber dann war das alles nix“.

Statt vergangene Zeiten oder zumindest die mitunter durchaus verklärten Vorstellungen der Leute von diesen Zeiten aufleben zu lassen, hat sich die Agentur von der Elbe im vergangenen Frühjahr ganz anders orientiert: Auf der Erfurter Messe, am Stausee Hohenfelden, in Schleiz und in Zingst an der Ostsee betrieb Henri Bibow Autokinos. „Dabei ist zwar wenig bis gar nichts hängen geblieben, aber unser Azubi hatte eine echte Herausforderung und wir alle viel Spaß dabei“. Auch für dieses Jahr habe er die Nutzung der nötigen UKW-Frequenzen beantragt, über die der Filmton auf die Autoradios der Besucher gesendet wird – „ aber auch für die Freiluftkinos gibt es derzeit keine Genehmigungen.“

Den Kopf in den Sand zu stecken, ist nicht sein Ding. „Immerhin habe ich für 2022 bereits eine Anfrage für eine 800 -Jahr-Feier“, sagt Henri Bibow. „Aber ehrlich gesagt rechne ich erst 2024 damit, dass sich alles wieder normalisiert. Die Leute müssen die ganzen sozialen Veränderungen und persönlichen Betroffenheiten erst einmal verarbeiten“, ist er sich sicher. Bis dahin gebe es sicherlich unterschiedliche Veranstaltungen, auch im Süden Thüringens und der Umgebung. Aber zunächst sicherlich stets unter kontrollierten Bedingungen, mit Hygienekonzepten und Abstand – und eben ganz anders als gewohnt. Oder wie es auf der Internetseite der Mittelalteragentur – letztendlich stellvertretend für all die, die als Veranstalter, Händler, Musiker, Gaukler oder Hobby-Ritter derzeit nicht ihrem Gewerk nachgehen können – geschrieben steht: „Nichts Genaues weiß man nicht...“

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